Harburg Erst 24 Jahre alt ist Johann Kaspar Frisch, als er die Richtstätte am Harburger Hühnerberg besteigt. Der 9. Dezember 1809 ist ein kalter Wintertag. Frisch sollte der letzte Verbrecher sein, der in der Burgstadt mit dem Schwert gerichtet wird. Der Grund für sein Urteil: böser Argwohn und Habgier. Frisch hatte sein Opfer in die Nähe des ehemaligen Wöllwart-Schlösschens gelockt und hier getötet. Eine perfide Tat.
Die Geschichte der Ermordung von Joseph Samuel Landauer hat Jürgen Mündel in den Bann gezogen, als er in der Kriminalgeschichte der Region für die neue Ausgabe der Harburger Hefte recherchierte. Die Aufzeichnungen aus dem Fürstlich-Oettingen-Wallersteinischen Archiv auf der Harburg geben recht detailliert Auskunft darüber, was geschehen war am 16. Juli 1809.
Die Akte, die Jürgen Mündel gefunden hat, ist recht dünn – und trotzdem bietet sie ein eindeutiges Bild des Verbrechens aus dem Sommer 1809. Eine mehrseitige Druckschrift ist da zu finden sowie ein paar handschriftliche Dokumente. Jene Druckschrift beschreibt dann auch die Bluttat des Johann Kaspar Frisch, einem Söldnersohn aus Brünsee:
„Wer Menschenblut vergeußt, deß Blut soll auch durch Menschen vergossen werden (1. B. Mos. 9. Kap. V. 6.). (...) Wie böser Argwohn und Habsucht den Menschen auf gefährliche Abwege bringen kann, wie ihn diese Leidenschaften so zu umstricken vermögen, daß er die Stimme der Natur und des Gewissens nicht mehr hört, die Gebote Gottes (...) vergißt, und zu einem Uebelthäter, einem Mörder (...) werden kann, davon giebt trauriges und abschröckendes Beispiel der durch Urthel und Recht zum Tod verurtheilte Johann Kaspar Frisch (...). Der allererste Grund zu seinem schweren Verbrechen mag wohl schon vor zwey Jahren gelegt worden seyn, wo er zum erstenmal dem Schulklopfer (Gemeindediener in der Synagoge, Anm. d. Red.) von Harburg, Joseph Samuel Landauer, eine Uhr abkaufte, und worauf er den Uhrenhandel mit demselben fortsetzte.“
Das Opfer sollte selbst graben
Frisch war als Söldnersohn bestimmt nicht wohlhabend – er war Knecht von Beruf und kannte den Landauer also schon recht lange vor dem Verbrechen. Geschah also der Mord nach Plan? Weiter heißt es in dem Dokument:
„Frisch argwöhnte und glaubte nun bei diesem Uhrenhandel (...) übervortheilt worden zu seyn, worüber er sich so sehr ärgerte, daß er in den bittersten Haß und in die äußerste Rachgier gegen denselben fiel.“
Frisch steigerte sich demzufolge massiv in seine Wut hinein, sodass er „durch Leidenschaft verblendet“ den Mord am 16. Juli nachmittags ausführte: Er ließ Landauer zu sich kommen, um wiederum mit Uhren zu handeln. Landauer kam. Nun folgte Frisch den Akten zufolge einem genauen Plan.
Er sagte zu Landauer, dass er sein Geld vergraben hätte, Landauer solle ihm doch folgen, um an Ort und Stelle entlohnt zu werden. Der tat wie befohlen, Mörder und Opfer gingen gemeinsam auf ein freies Feld „auf das Wöllwarther Schlößle, wo er ihm die Stelle zeigte, an der das Geld verscharrt seyn sollte“. Der 24-Jährige bat sein Opfer daraufhin, das Geld selbst auszubuddeln, „weil ihm sein schadhafter Finger daran hinderlich sey“.
Dann geschieht etwas, was eigentlich gegen einen ausgeklügelten Plan und für Frischs Dilettantismus spricht: Landauer bückt sich, beginnt zu graben. Frisch hat keine Waffe dabei, er nimmt stattdessen einen auf der Wiese liegenden Stein und holt aus. Mit voller Wucht schlägt er auf Landauers Kopf – der berappelt sich sogleich, es kommt zum Kampf. Im Getümmel gelingt es Frisch, weitere zehn bis elf Mal mit dem Stein zu schlagen. Landauer bleibt reglos liegen, stirbt schließlich an seinen Verletzungen – während Frisch ihn ausraubt.
Landauers Leichnam wird noch in der Nacht gefunden – „erstarrt, in seinem Blut liegend“. Zeugen hatten zudem beobachtet, dass sich Frisch mit Landauer getroffen hatte. Das Harburger Justizamt ordnete „gefängliche Haft“ an. Die Gerichtsunterlagen liegen nicht mehr vor – klar ist allerdings aufgrund der noch vorhandenen Akten, dass das Urteil am Harburger Richtplatz vollstreckt wurde. Mit dem Schwert. Es war das letzte Mal.
Die Harburger Hefte, Band XII, sind für zwölf Euro bei der Stadt Harburg (Rathaus) erhältlich.