Das Internet ist ein virtuelles Warenlager. Was man nebenan im Laden nicht bekommt, das kriegt man bei eBay, Amazon und Co. Die Namen der großen „Player“ müssen nicht verschwiegen werden. Die Firmen sind so riesig und irgendwie schon Teil der Alltagssprache – sie brauchen keine Werbung. Und doch rutscht auf so manche virtuelle Verkaufsplattform auch hie und da ein schwarzes Schaf, bei dem man lange auf die Ware warten kann, die am heimischen PC oder irgendwo via Smartphone geordert wurde. Oft werden Internetbetrüger, vor denen die hiesigen Polizeiinspektionen in Donauwörth, Rain und Nördlingen immer wieder warnen, nie geschnappt. Anders verhielt es sich zuletzt bei einem vermeintlichen Verkäufer aus dem südlichen Landkreis Donau-Ries. Er stand in Nördlingen vor Gericht – und muss jetzt sogar ins Gefängnis.
Mit gesenktem Kopf, das Kinn vergraben in die schwarze Kapuzenjacke, betrat der 46-jährige Angeklagte den Saal E des Amtsgerichts in Nördlingen.
Handelt es sich wirklich nur um ein Missverständnis?
Es sei alles etwas dumm gelaufen im Dezember 2019, meint der Angeklagte eingangs – aber irgendwie handle sich alles um ein Missverständnis. Wegen Betrugs stehe er nun vor Gericht – aber, nein, betrügen, das sei ihm nie in den Sinn gekommen, als er bei einem großen amerikanischen Kleinanzeigenportal seine Ware feilbot: Dabei handelte es sich um Computerutensilien; eine „Fritzbox“ und eine hochwertige Grafikkarte, sie sollten jeweils gut 200 Euro kosten. So weit, so legal. Dann allerdings geschah das Ärgerliche für die zwei Besteller.
Die Ware, die der 46-Jährige angeboten hatte, kam nie an. Das Geld allerdings hatte der Industriemechaniker da längst auf seinem Konto. Es habe anscheinend Probleme mit der Überweisung gegeben. Zahlendreher. Und überhaupt: „Wenn man viel verkauft im Internet, dann kann das schon mal durcheinander geraten.“ Letztlich habe er den Überblick verloren.
Die ums Geld und Ware gebrachten Geschädigten sind dann – nach einer Reihe von Vertröstungen seitens des Verkäufers via E-Mail – irgendwann zur Polizei gegangen. Über E-Mail-Adresse und Bankverbindungen sei es in diesem Fall rasch gelungen, den Täter ausfindig zu machen, wie Richter Gerhard Schamann erläuterte. In anderen Fällen haben die „Verkäufer“ ihre Identität geschickt getarnt.
Polizeiinspektion Rain übernahm die Ermittlungen gegen einen 46-Jährigen
Die Polizeiinspektion in Rain nahm sodann die Ermittlungen auf, fragte bei dem 46-Jährigen nach. Der beteuerte schon damals, dass es sich um ein Versehen handelte. Die Dinge sollten in Ordnung gebracht werden. Das geschah aber nicht. Nicht binnen Wochen, nicht binnen Monaten.
Erst am Tag der Verhandlung vor dem Amtsgericht Nördlingen wies der Angeklagte seine Bank an, das Geld auf das Konto eines der beiden Geschädigten zurückzuüberweisen. Dem anderen Käufer habe er sowohl die Grafikkarte als auch das Geld gesendet. Doch warum beides? Erneut kam die Antwort: Alles sei der Unübersichtlichkeit geschuldet. Kurzum: Kontrollverlust, keine Absicht.
Bei Richter Schamann erntete diese Erklärung wiederholt Kopfschütteln – er wurde denn auch ziemlich deutlich: „Es gibt klare Regeln: Man versendet nach einer Bestellung die Ware – oder man überweist das Geld wieder zurück.“ Dies müsse innerhalb kürzester Zeit geschehen – und nicht erst Monate nach der Aufnahme des Geschäftes, wenn die Polizei schon ermittelt und die Sache zudem bei Gericht liegt.
Der Angeklagte aus dem Landkreis Donau-Ries ist kein unbeschriebenes Blatt
Ferner sei der Angeklagte kein unbeschriebenes Blatt, wie Schamann vortrug: Im Auszug aus dem Bundeszentralregister fanden sich einschlägige Eintragungen wegen Betrugs, einmal gar in sieben Fällen. Zwei Verfahren vom Frühjahr und Sommer dieses Jahres stünden noch aus. Und zu guter Letzt war der Angeklagte auf Bewährung: 1,5 Jahre sind ausgesetzt. Es waren somit nicht die denkbar besten Voraussetzungen um die Sache als bloßes Versehen plausibel darzustellen.
Richter Schamann betonte im Hinblick auf die zusätzlichen zwei offenen Verfahren: „Wenn heute nichts bei der Sache herauskommt, sitzen Sie in fünf Wochen wieder hier.“
Die Verteidigung sah in der Tat letzten Endes ein Versehen aufgrund der Unübersichtlichkeit, aber keinen Vorsatz. Die Staatsanwaltschaft hingegen forderte acht Monate Haft ohne Bewährung – dem schloss sich das Gericht weitgehend an: Acht Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung wegen Betrugs lautete das Urteil.
Zuletzt hatten sich im Landkreis die Fälle von ganz verschiedenartig gelagerten Betrugsfällen im Internet gehäuft. Die Polizei warnt immer wieder vor unseriösen Verkäufern.
Beim Kauf eines Smartphones im Internet betrogen
Erst vor ein paar Tagen ist beispielsweise in Kaisheim eine 18-Jährige im Internet beim Kauf eines Smartphones betrogen worden. Die Frau wollte ein iPhone über eine Facebook-Gruppe kaufen. Die Käuferin überwies 500 Euro für das Handy. Als nach einiger Zeit keine Lieferung erfolgte, überwies sie auf forsche Aufforderung der vermeintlichen Verkäuferin nochmals 51 Euro für einen angeblich „versicherten Expressversand“. Danach brach der Kontakt ab. Die 18-Jährige erstattete Anzeige.
Der Sprecher der Polizeiinspektion Donauwörth, Stephan Roßmanith, erklärt auf Nachfrage unserer Zeitung, dass Betrugsdelikte im Internet inzwischen „beinahe alltäglich“ seien. In den allermeisten Fällen könnten diese aber nicht aufgeklärt werden, da die Täter oft mit Alias-Adressen und Verschlüsselungen zu Werke zögen: „Dann ist das Geld weg“, so das ernüchternde Resümee des Polizeibeamten.
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