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Bäumenheim/Mertingen: Saatkrähenplage: Pilotprojekt in Bäumenheim

Bäumenheim/Mertingen

Saatkrähenplage: Pilotprojekt in Bäumenheim

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    Das brütende Krähenpaar sieht eigentlich ganz friedlich aus. Aber wenn die Zahl der Vögel so sprunghaft ansteigt wie in Bäumenheim, ist es genau das nicht mehr.
    Das brütende Krähenpaar sieht eigentlich ganz friedlich aus. Aber wenn die Zahl der Vögel so sprunghaft ansteigt wie in Bäumenheim, ist es genau das nicht mehr. Foto: Foto: Ralf Lienert

    Die Landwirte in Bäumenheim und Mertingen sind sauer: Kaum keimt im Frühjahr auf ihren Feldern der Mais, droht Gefahr aus der Luft. Die Saatkrähen aus der Kolonie in Bäumenheim fallen ein, um sich am „gedeckten Tisch“ zu bedienen. Die Schäden an ihrer Aussaat gingen zuletzt jedes Frühjahr in die Tausende. Mit einem Beizmittel konnte den Tieren bislang der Appetit verdorben werden, doch dies ist nun europaweit verboten. Entsprechend sorgenvoll werden die Bauern in den nächsten Wochen zum Himmel blicken.

    Saatkrähen im Schmutterwald: Bäumenheim hat es bis in die Landespolitik geschafft

    Die Kolonie der Saatkrähen direkt an der Wohnsiedlung am Schmutterwald in Bäumenheim hatte in den vergangenen Jahren bereits viel Ärger verursacht. Mittlerweile ist diese Kolonie zu einer der größten in Bayern geworden. Die Tiere sind eine Plage für die Menschen. Sie fühlen sich an den berühmten Hitchcock-Film „Die Vögel“ erinnert, wenn die Terrassen zur Brutzeit der Vögel kaum nutzbar sind. Denn diese sind von den Hinterlassenschaften der Tiere vollkommen verschmutzt.

    Die Saatkrähen-Kolonie in Bäumenheim hat es bis in die bayerische Landespolitik geschafft. Nun kommt Bewegung in die Angelegenheit, denn das bayerische Umweltministerium hat aufgrund eines Beschlusses des Landtags ein Pilotprojekt aufgelegt.

    Laut und gefräßig: Krähen
    Laut und gefräßig: Krähen Foto: Felix Kästle/dpa

    Die Ausgangssituation ist die: Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Bayern mehr als 10.000 Saatkrähen-Brutpaare. In nur etwa 50 Jahren wurde der Bestand durch die Verfolgung der Tiere massiv dezimiert. 1955 zählte man in Bayern noch 6.000 Brutpaare. Doch der Bestand erholte sich: Mittlerweile gibt es knapp 14.000 Vogelpaare in Bayern. Die Kolonie in Bäumenheim ist mit rund 800 die zweitgrößte in Schwaben und die viertgrößte in Bayern. Die Gemeinde hat mehrmals versucht, die krächzenden Tiere mit Tricks zu vertreiben – vergeblich, denn die Krähen sind zu intelligent dafür.

    Mertingen und Bäumenheim wurden jetzt vom Bayerischen Landesamt für Umwelt als Modellgebiet ausgewählt. Günter von Lossow, Mathias Putze und Bernd-Ulrich Rudolph von der Vogelschutzwarte sind damit betraut. Sie haben, wie sie bei einer Online-Veranstaltung mit Landwirten erklärten, vor allem die landwirtschaftlichen Schäden im Auge.

    Im März 2017 versuchte die Feuerwehr  in Bäumenheim, die Vögel zu vergrämen.
    Im März 2017 versuchte die Feuerwehr in Bäumenheim, die Vögel zu vergrämen. Foto: Bissinger

    Die Untersuchungen sollen drei Jahre laufen, Kooperationspartner ist die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. „Die Kolonie selbst, insbesondere Forderungen, sie umzusiedeln oder ihre Größe zu dezimieren, wird nicht Thema des Versuchs sein, da wir nach Tierschutz-, Jagd- und Naturschutzrecht keine Möglichkeit einer Bejagung sehen“, machen die Experten allerdings klar.

    Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen stattdessen auf der Dokumentation und Bewertung der Schäden sowie verschiedener Maßnahmen zur Vergrämung und zur angepassten landwirtschaftlichen Nutzung inklusive verschiedener Kombinationen von Maßnahmen. Konkret soll es um Verhaltensbeobachtungen und Habitatanalysen gehen, um das Schadenspotenzial und die Umstände besser zu verstehen sowie „Vermeidungsstrategien“ zu entwickeln. Auch die Verknüpfung der Idee zur Vergrämung an Nahrungsplätzen und im Bereich von Kolonien soll untersucht werden, um dann in einer Analyse auch Empfehlungen für die Praxis zu erhalten.

    Warum die Experten des Landesamtes nichts vom Abschuss der Krähen halten

    Die Fachleute des Landesamtes sind sich nicht sicher, ob sich die Bäumenheimer Kolonie noch weiter vergrößern wird, glauben aber, dass aufgrund der Nahrungssituation ein Ende in Sicht sei. Allerdings, so die Erfahrungen von Mathias Putze, könnte ein verstärktes Eingreifen zu einem „Anwachsen der Bestände“ führen, wie man es andernorts schon beobachtet habe.

    Die Vogelschutzexperten wissen, dass Krähen bei vielen Menschen nicht sonderlich beliebt sind, wegen des Kots und der Lautstärke ihrer Rufe. Von einem Abschuss halten sie aber nichts. „Das ist eine Standardforderung, die immer wieder kommt.“ Der beste Weg, mit der Situation zurechtzukommen, sei, die Brutplätze unattraktiv zu machen. Weil die Krähen aber extrem schlau sind, ist das gar nicht so einfach.

    Am Himmel über dem Meypark in Bäumenheim kreisen krächzend die Saatkrähen. In den Kronen der Bäume haben sich Hunderte der Vögel niedergelassen – und nerven die Anwohner.
    Am Himmel über dem Meypark in Bäumenheim kreisen krächzend die Saatkrähen. In den Kronen der Bäume haben sich Hunderte der Vögel niedergelassen – und nerven die Anwohner. Foto: Wolfgang Widemann

    Wie geht es nun weiter? Einzelne Krähen, circa 35, sollen gefangen und mit einem Sender ausgestattet werden. Das könnte sich als schwierig erweisen. Aber die Vögel sollen überlistet werden. Man will große Fallen aufstellen und sie mit „Leckerlis“ anlocken. Ausgestattet mit einem Sender, könnte man dann die Lebensweise der Krähen mit ihrem markanten weißen Fleck am Schnabel erforschen. „Das ist kein Luxusproblem. Die Schäden sind enorm. Wir haben es mit einer Plage zu tun“, erklärte Florian Wiebel. Der Bäumenheimer Landwirt ist der Ortsobmann des Bayerischen-Bauernverbandes (BBV) in seiner Heimatgemeinde. Er hätte sich gewünscht, so sein Kommentar, „dass man uns Vorschläge unterbreitet, wie die Schäden finanziell ausgeglichen werden sollen“. Das sei aber offenbar nicht vorgesehen. Eine konkrete Aussage vermisst auch sein Mertinger Kollege Jürgen Wörner. „Ich kann kein richtiges Konzept erkennen, wie wir weiterkommen sollen“, äußerte er sich enttäuscht. Auch werde man nun wieder in wenigen Wochen die Aussaat für den Mais auf die Felder bringen und wahrscheinlich wieder feststellen müssen, dass die Vögel riesige Schäden anrichteten.

    Dazu soll nun eine Meldekette eingeführt werden. Die Landesamt-Experten erhoffen sich die Hilfe der Bauern, gleichwohl sie einräumen, dass die Politik bislang keinen Ausgleichsfonds eingerichtet hat. Unterstützung erhielten die Landwirte von Manfred Faber, dem Leiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Nördlingen, aber auch von Mertingens Bürgermeister Veit Meggle. Beide mahnten Ausgleichszahlungen für die Schäden an.

    Knapp 90 Hektar Acker- und Wiesenfläche seien im vergangenen Jahr vom Befall der Vögel allein in Mertingen und Bäumenheim betroffen gewesen, rechneten die Landwirte vor. Schließlich ging es auch um die Biogasanlage in Mertingen, die offensichtlich eine gute Nahrungsquelle für die Vögel sei. Nun will man prüfen, wie man den dortigen Kompost für die Tiere unattraktiv machen könnte. Auch das könnte schwierig werden, haben Vogelkundler doch beobachtet, wie die Saatkrähen an der Farbe der Lkw-Lackierung aus der Ferne erkennen, ob dort gerade attraktives Futter angeliefert wird.

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