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Bäumenheim: Bäumenheim: Das Inferno am Josefstag anno 1945

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Bäumenheim: Das Inferno am Josefstag anno 1945

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    Ein Bombentrichter neben dem anderen und Häuser mit abgedeckten Dächern: Dieses Bild bot sich nach dem Luftangriff der Alliierten am 19. März 1945 auf Asbach-Bäumenheim. Das Bild entstand offensichtlich bei Aufräumarbeiten.
    Ein Bombentrichter neben dem anderen und Häuser mit abgedeckten Dächern: Dieses Bild bot sich nach dem Luftangriff der Alliierten am 19. März 1945 auf Asbach-Bäumenheim. Das Bild entstand offensichtlich bei Aufräumarbeiten. Foto: Gemeinde

    Vieles wird nie aufgeklärt werden. Wer hat zum Beispiel den Befehl für den Einsatz gegeben, bei dem 126 amerikanische Langstreckenbomber die Dörfer Asbach und Bäumenheim am 19. März 1945 zum Teil in Schutt und Asche legten? Niemand will dafür am Ende des Krieges die Verantwortung übernehmen. Ebenso unklar ist nach 75 Jahren: Wie viele KZ-Häftlinge kamen in der Außenstelle von Dachau bei Messerschmitt in Bäumenheim ums Leben? Sie leisteten dort für die Rüstungsproduktion Sklavenarbeit.

    Rückblende: Die jungen Buben sind an jenem 19. März in kurzen Hosen unterwegs. Sie jubeln: Der Frühling ist da. Es ist sonnig und warm. Und es ist auch noch Feiertag: In Asbach und Bäumenheim sind die Menschen am Josefstag 1945 in guter Stimmung. So gut es eben geht in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs.

    Der dunkelste Tag in der Geschichte Bäumenheims

    Niemand ahnt um 10.30 Uhr, dass in diesem Moment der dunkelste Tag in der Historie der kleinen Gemeinde begonnen hat. In diesen Minuten steigen im fernen Canterbury in England während des dortigen Morgengottesdienstes Bomber auf.

    Ein Bombentrichter neben dem anderen und Häuser mit abgedeckten Dächern: Dieses Bild bot sich nach dem Luftangriff der Alliierten am 19. März 1945 auf Asbach-Bäumenheim. Das Bild entstand offensichtlich bei Aufräumarbeiten.
    Ein Bombentrichter neben dem anderen und Häuser mit abgedeckten Dächern: Dieses Bild bot sich nach dem Luftangriff der Alliierten am 19. März 1945 auf Asbach-Bäumenheim. Das Bild entstand offensichtlich bei Aufräumarbeiten. Foto: Gemeinde

    Die Flieger haben einen langen Weg vor sich. Der führt am Himmel über Straßburg nach Stuttgart und weiter nach Bäumenheim. Die 126 amerikanischen Langstreckenbomber vom Typ B-24 nähern sich mit dumpfem Dröhnen von Westen. Sie bleiben vollkommen unbehelligt.

    Die unbeschwerten Momente sind urplötzlich vorbei

    Der junge Emmeran Mayr, heute 84 Jahre alt, kann die Ereignisse nicht vergessen. Der damals Neunjährige macht in diesen Stunden mit seinen drei Geschwistern einen Anstandsbesuch bei Onkel Josef am Kirchenweg. Sie gratulieren zum Namenstag – und hoffen auf ein kleines Geschenk. Emmeran Mayr erinnert sich noch gut: „Wir spielten im Garten mit anderen Kindern, alle barfuß, weil es so warm war.“ Es sind unbeschwerte Momente, als ein Brummen die friedliche Stimmung schlagartig verändert.

    Die Kinder werfen sich reflexartig auf den Boden

    Die Kinder wissen von ihren Eltern, bei diesen Geräuschen ist Ungemach im Kommen. Reflexartig werfen sie sich auf den Boden. Eine Hausmauer bietet Schutz. Die Kinder haben das Szenario schon mehrmals erlebt und hoffen auch diesmal, dass die Flieger wie bisher immer über ihre Heimatgemeinde hinwegfliegen.

    Alles in Trümmern: der Bereich des Bahnhofs in Bäumenheim.
    Alles in Trümmern: der Bereich des Bahnhofs in Bäumenheim. Foto: Gemeinde

    „Ab in den Keller“, ruft den Kindern Emmeran Mayrs Tante zu. Es ist 14.48 Uhr, als der Horror beginnt. „Bäumenheim wird bombardiert“, hat Paula Ruf gerade im Radio gehört. Die Kinder und einige Nachbarn haben gerade die Tür zum Keller, in dem Kartoffeln lagerten, hinter sich zugeschlagen, da nimmt das Inferno seinen Lauf.

    Der Bombenhagel dauert vier Minuten

    Der Bombenhagel ist gewaltig. Er dauert vier Minuten. Später weiß man: 845 Fünfzentner-Sprengbomben und 781 Brandbomben werfen die Flieger ab – Teile der Dörfer stehen in Flammen. Auch die Grundmauern des Gebäudes, in das sich Emmeran Mayr geflüchtet hat, erzittern.

    Die Hintergründe für den Angriff sind bis heute nicht vollständig geklärt. Die Royal Air Force in London will lange nichts von einem Luftangriff „in diesem Bereich“ wissen. 1985 jedenfalls bringen Recherchen kein Licht ins Dunkel. Die Engländer verweisen auf die amerikanische Luftwaffe. Doch dort ist keine Auskunft zu erhalten.

    Was trieb den Krieg nach Asbach-Bäumenheim?

    Ungeklärt ist auch, wer die Luftaufnahme gemacht hat, die – so besagt die Signatur – am 19. März 1945 aus rund 7000 Fuß Höhe gefertigt wurde. Das Gemeindearchiv erhielt das Bild von der „Air Photo Library“ der Universität von Keele (England). Das Verblüffende: Es zeigt ein unzerstörtes Asbach-Bäumenheim. Militärexperten glauben, dass die Aufnahme möglicherweise von einem englischen Aufklärungsflugzeug kurz vor der schrecklichen Attacke gemacht worden ist.

    Dieses Foto der US-Armee entstand vermutlich kurz nach dem Luftangriff auf Asbach-Bäumenheim. Die Bombenkrater im Bereich der Dörfer sind als kleine Punkte erkennbar.
    Dieses Foto der US-Armee entstand vermutlich kurz nach dem Luftangriff auf Asbach-Bäumenheim. Die Bombenkrater im Bereich der Dörfer sind als kleine Punkte erkennbar. Foto: US-Armee

    Was trieb den Krieg nach Asbach-Bäumenheim? „Die Herstellung von Flugzeugteilen in der Firma Dechentreiter verdankt Asbach-Bäumenheim den fragwürdigen Ruhm, eines der kleinsten Ziele von Bombenangriffen gewesen zu sein“, gibt das Heimatbuch Aufklärung. Der Angriff auf den Ort, der damals rund 2150 Einwohner zählte, wird in zwei Wellen geflogen. In Sekunden werden Leben ausgelöscht: 93 Menschen, darunter viele Kinder, fünf deutsche Wachsoldaten, acht Kriegsgefangene und eine unbekannte Anzahl von Insassen des KZ-Außenlagers. Grobe Schätzungen gehen insgesamt von vielleicht 170 Opfern aus.

    Die KZ-Häftlinge geraten in Panik

    Die Häftlinge suchen bei dem Angriff, wie immer bei Fliegeralarm, in den Splittergräben am südöstlichen Ortsrand Schutz. In Panik geraten, verlassen sie dann aber die Gräben und rennen direkt in den Bombenhagel. Denn die meisten Bomben gehen auf den umliegenden Feldern nieder. Die zur Markierung geworfenen Rauchbomben wurden weit nach Südosten abgetrieben.

    Der spätere Bürgermeister von Buchdorf und Landtagsabgeordnete Edgar Würth besucht zu dieser Zeit die Oberschule in Donauwörth. Er ist 14 Jahre alt. „Es war ein schauriger Anblick“, erzählt er: „Wir waren gerade im Garten von Heilig Kreuz und haben die Bomben fallen sehen. Sie kamen wie Trauben herunter.“

    Hera Rößner, heute 97, überlebt

    Den Tod von 22 Angehörigen muss die seinerzeit 22-jährige Herta Rößner, heute 97, miterleben. Ihr Vater, der damalige Bürgermeister Josef Bayerle, kommt gerade von einem Arzttermin und hat auf dem Weg nach Hause bereits die Markierungsrauchbomben am Himmel entdeckt. Sie selbst unterhält sich gerade vor dem Haus mit einer evakuierten Frau aus Essen, die mit ihrer zweijährigen Tochter Helga bei den Bayerles wohnt.

    Herta Bayerle aber läuft ins Nachbarhaus Korb, um noch ihre Schwägerin Erika Mehle und deren zwei Kinder zu holen. Doch aus dem Nachbarhaus kommt sie nicht mehr heraus. Herta Bayerles Elternhaus wird von einem Volltreffer völlig zerstört – alle sterben. Die 22-Jährige überlebt.

    Ins Gedächtnis eingebrannt haben sich bei Valentin Baumgärtner, 88, Albert Leinfelder, 88, und Clemens Jung, 83, die Ereignisse des Schreckenstags. Valentin Baumgärtner ist mit seinem Schulfreund unterwegs. Er ist aus dem Ruhrgebiet nach Bayern gekommen. Plötzlich Luftalarm. Die beiden laufen Schutz suchend auseinander. Baumgärtner flüchtet in eine Holzhütte im Garten, später während einer Feuerpause ins Haus. Seinen Freund Helmut hat er nie wieder gesehen – auch dessen Schicksal bleibt ungeklärt.

    Tiefgreifende Recherchen des Heimatvereins

    Die Bäumenheimer Heimatfreunde haben immer wieder recherchiert: Nach Dokumenten des Hauptstaatsarchivs München entstanden an Industriegebäuden, landwirtschaftlichen Anwesen und Wohngebäuden große Schäden. 1600 Menschen sind obdachlos, viele Bauern verlieren ihren ganzen Viehbestand, die Getreide-, Futter- und Saatvorräte sowie Pflug-, Mäh- und Dreschmaschinen. Ganz zu schweigen von den Flurschäden.

    An die Toten erinnert im Friedhof von Bäumenheim ein Ehrenmahl. Noch kurz vor Ende dieses von den Nationalsozialisten vom Zaun gebrochenen Krieges müssen so viele Menschen ihr Leben lassen. An die unbekannten Opfer dieser Horrorstunden erinnert ein eigener Grabstein. Auch einen Stein, der auf das KZ-Außenlager hinweist, gibt es. Das Bombardement bedeutete übrigens auch das Ende des KZ-Lagers, wie Clemens Jung erzählt, denn die, die mit dem Leben davonkamen, wurden abtransportiert – vermutlich nach Dachau.

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