Carolin Stoll steht in Gummistiefeln im Wasser und durchsucht ihren Kescher. In dem feinen Netz sind Wasserläufer und eine Bergmolchlarve. Die Biologin gibt die Larve in ein Glas, wo das Tier mit seinen kleinen Füßchen hin- und herstrampelt. "Ich finde es faszinierend, wie schnell die Tiere diesen Tümpel hier annehmen", sagt Stoll und lässt den Molch zurück ins Wasser. "Das wird jetzt immer mehr, nächstes Jahr ist hier die Hölle los."
Dieser "Tümpel" ist ein Wasserloch im Rösslesholz zwischen Wittislingen und Unterbechingen. Der Forst ist in den Händen einer sogenannten Rechtlergemeinschaft, die sich gemeinsam um die Bewirtschaftung kümmert. Die Teilhaber haben im vergangenen Jahr entschieden, in ihrem 31 Hektar großen Forst ein Wasserbecken anzulegen, um das immer knapper werdende Regenwasser im Wald zu halten. Trotz anfänglicher Bedenken innerhalb der Rechtler zeigt sich der Erste Vorsitzende Ulrich Mayerle ein Jahr danach begeistert von dem neuen Lebensraum, der in dem Fichtenwald entstanden ist. "Wir wollen eine Art Beispiel sein für andere Waldbesitzer", sagt der Wittislinger. Eine echte Erfolgs-Story also?
Um das Problem mit den fehlenden Wasserstellen im Rechtlerwald und anderen Forsten zu verstehen, hilft ein Blick zurück: In eine Zeit, als Wege wie der durch das Rösslesholz noch nicht befestigt waren. Wie Mayerle erzählt, sei auf dem Triebweg früher das Vieh in Richtung Lauingen und Dillingen transportiert worden. "Bei Starkregen war die Straße nicht befahrbar, weil überall das Wasser stand." Als sich die Zeiten änderten und die Maschinen der Land- und Forstwirte immer schwerer wurden, schotterte man die Straße im Rechtlerwald auf. Durch den Wald ging nun ein gut befestigter Weg, daneben ein Graben, der das Wasser aus dem Forst bringen sollte. Doch damit kamen neue Probleme.
Wassermangel im Rösslesholz: Die Situation hat sich völlig gedreht
"Früher hat man Gräben angelegt, um das Wasser aus dem Wald zu haben", erklärt Mayerle. "Heute versuchen wir, das Wasser, das immer knapper wird, im Wald zu halten." Die Lage habe sich laut dem Landwirt völlig gedreht: Für Tiere werde es zunehmend schwerer, im Wald ausreichend Wasserquellen zu finden. Gerade im Sommer, wenn es wie heuer wochenlang wenig bis gar nicht geregnet hat. Darunter leiden zunächst die Waldbewohner wie Eichhörnchen, Vögel, Rehe oder Insekten. Biologin Stoll befürchtet, dass die Tiere langfristig aus dem Wald verschwinden könnten. Doch auch für den Baumbestand kann ein Mangel an Wasserquellen zum Problem werden, wie Mayerle erklärt.
"Viele Waldvögel fressen zum Beispiel Schädlinge, die sich an den Bäumen zu schaffen machen", so der Rechtlerwald-Vorsitzende. Wenn Vögel aber keine Trinkstellen mehr fänden, fiele dieser Schutz langsam weg. Baumfeinde wie der Borkenkäfer, der in der Region vor allem Fichten befällt, hätten es bei Trockenheit ohnehin viel leichter, sich ungehindert auszubreiten. Die Zusammenhänge zwischen Wald, Wasser und Tieren sind vielfältig. Und so schlugen Ulrich Mayerle und Georg Stoll, der im Rösslesholz für die Waldpflege verantwortlich ist, 2022 mit einer besonderen Idee auf.
So soll der neue Wald-Tümpel bei Wittislingen helfen
Ein gutes Jahr später, Ortstermin im Wald. Gemeinsam mit Biologin Carolin Stoll stehen die Männer in einer Senke, in der ein kleines Wasserbiotop gedeiht. In den Becken steht das Wasser etwa 30 Zentimeter hoch, um sie herum nichts als Fichten und ein viel zu kalter Augustwind. Die Biologin zeigt auf Spuren, die sie am Ufer gefunden hat: "Die könnten zu einem Dachs gehören", sagt Stoll und die Männer stimmen ihr zu. Daneben hat ein Reh einen Fußabdruck hinterlassen. Es gibt viele Hinweise, dass tatsächlich Tiere zum Tümpel kommen. Genau so, wie es sich die Rechtler-Männer damals vorgestellt hatten.
Ulrich Mayerle und Georg Stoll rückten im vergangenen Jahr mit einem Bagger an, um das kleine Auffangbecken auszuheben. "Wenn es regnet, saust das Wasser den Triebweg runter", sagt Mayerle und zeigt auf die breite Straße, die vor ihm den Hang hinaufführt. "Dieses Regenwasser möchten wir mit dem neuen Tümpel abfangen." Es sei kein großer Aufwand gewesen, das Becken anzulegen. Doch das Projekt war zunächst umstritten.
Teile der Rechtlergemeinschaft zeigen sich anfangs kritisch
Unter den Rechtlern gab es Bedenken, ob das Wasser überhaupt im Tümpel stehen bleibe. Auch die Frage nach den Kosten für das Vorhaben habe die Gemeinschaft zeitweise umgetrieben, wie der Vorsitzende Mayerle erzählt. Immerhin hatte das Biotop am Triebweg zunächst keinen unmittelbaren Nutzen für die Holzwirtschaft im Rechtlerwald. Doch mit der Zeit zeigten sich laut Mayerle alle Rechtler zufrieden. Die Maßnahme habe sie am Ende nicht mehr als 500 Euro gekostet. Und schon im ersten Sommer habe sich der Tümpel als guter Wasserspeicher bewiesen.
Auch Carolin Stoll zeigt sich optimistisch: "Nächstes Jahr erwarte ich hier drei- bis viermal so viele Lebewesen." Die Biologin gibt die letzten Tiere zurück in das Auffangbecken und kommt mit ihrem Kescher aus dem Wasser. Sie blickt nach oben, über ihr ruft ein Schwarzspecht. Auch er gehört zu denjenigen, die von dem Biotop im Rösslesholz profitieren könnten.