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Wertingen: Wird der Wertinger Marktplatz an Wochenenden autofrei?

Wertingen

Wird der Wertinger Marktplatz an Wochenenden autofrei?

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    Fußgänger, Fahrradfahrer, Traktoren, Autos – am Wertinger Marktplatz ist viel los. Viele Geschäftsleute und andere Akteure sprechen sich gegen eine Sperrung für den Verkehr, temporär wie dauerhaft, sowie die Schaffung neuer Fahrradstellplätze auf Kosten von Autoparkplätzen aus. Diese hatten die Grünen gefordert.
    Fußgänger, Fahrradfahrer, Traktoren, Autos – am Wertinger Marktplatz ist viel los. Viele Geschäftsleute und andere Akteure sprechen sich gegen eine Sperrung für den Verkehr, temporär wie dauerhaft, sowie die Schaffung neuer Fahrradstellplätze auf Kosten von Autoparkplätzen aus. Diese hatten die Grünen gefordert. Foto: Benjamin Reif

    Es sollte ein emotionaler Abend voller unerwarteter Wendungen werden. In der Wertinger Stadthalle entbrannte am Mittwochabend eine stundenlange Diskussion über die Zukunft des Marktplatzes.

    Los ging es mit dem Antrag der Grünen. Es biete sich aus deren Sicht eine große Chance, das Wertinger Konzept für den Marktplatz neu zu überdenken. Denn der Unternehmer Ulrich Reitenberger will das Gebäude am Marktplatz 7 gegenüber der Wertinger Zeitung abreißen und dort ein modernes Gebäude errichten, in dem Gastronomie und Gewerbe sowie Wohnungen untergebracht werden sollen. (wir berichteten). Die Grünen wollten nun zweierlei durchsetzen, wie Fraktionsvorsitzender Peter Hurler erklärte: Zum einen solle der Marktplatz im Zeitraum zwischen Samstag 12 Uhr und Sonntag 24 Uhr komplett für den Autoverkehr gesperrt werden – vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass an der dortigen Engstelle Sitzgelegenheiten für die Gastronomie im Außenbereich entstehen sollen, was sich aus Sicht der Fraktion nicht mit Durchgangsverkehr verträgt. Außerdem sollten am Marktplatz mehr Stellplätze für Fahrräder auf bestehenden Autoparkplätzen entstehen. „Unser Vorschlag soll eine Basis sein, ein Anstoß für die weitere Entwicklung am Marktplatz“, sagte Hurler.

    Mehrere Geschäftstreibende lehnen den Antrag ab

    Verwaltungsgeschäftsführer Dieter Nägele verlas zum Auftakt mehrere Stellungnahmen. Der Ökonomische Ausschuss, die Wirtschaftsvereinigung Wertingen, der Handelsverband Bayern sowie mehrere Geschäftsbetreiber in Marktplatznähe lehnten den Antrag grundsätzlich ab – alle argumentierten hinsichtlich der schlechteren Erreichbarkeit und verkehrstechnischer Komplikationen. Eine Eigentümergemeinschaft begrüßte dagegen den Vorstoß der Grünen.

    Ganz im Gegensatz zu Peter Seefried (BIW), der sich als erster unter den Stadträten zu Wort meldete und den Antrag gleich als „Unsinn“ abtat. Der Marktplatz sei für die Verkehrsanbindung nach Unterthürheim unerlässlich. Würde er gesperrt, entstünden dadurch für die Autofahrer unnötige Umwege, was auch eine Umwelt- und Feinstaubbelastung sei.

    Friedrich Brändle, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, argumentierte dagegen differenziert: „Ein verkehrsberuhigter und kulturell lebendiger Marktplatz, das ist eine schöne Idee“, so Brändle. Aber es stelle sich die Frage, ob der Wertinger Marktplatz überhaupt noch als zentraler Anlaufpunkt fungiere – und ob das notwendig sei. Der Stadtmarkt beispielsweise sei an die Zusaminsel verlagert worden und werde dort von den Bürgern bestens angenommen. Es sei aus Sicht der Freien Wähler für die weitere Verkehrsplanung die Nordosttangente erforderlich, und diese Planung müsse dann „von außen nach innen“ geschehen, keinesfalls andersherum. Der Antrag werde deswegen von der Fraktion der Freien Wähler nicht mitgetragen.

    Johann Popp fordert eine "Testphase" für die Verkehrsberuhigung

    Michael Humbaur (CSW) sah die Gefahr, dass die Sperrung des Marktplatzes schnell auf die ganze Woche ausgeweitet werden könne. Die Schaffung von Fahrradstellplätzen sei zudem nicht notwendig, da diese von den Bürgern nicht angenommen würden. Ein Wegfall der Parkplätze könnte aus seiner Sicht dem Geschäftsleben schaden.

    Wirtschaftsreferent Franz Stepan (CSW) hatte sich im Vorfeld intensiv bei den Anwohnern und Geschäftsinhabern umgehört. Er sah keine breite Akzeptanz für eine mögliche Sperrung. Allerdings wünschten er und die befragten Bürger sich eine „weitere Belebung“ des Marktplatzes, etwa durch die Bereitstellung von mehr Sitzgelegenheiten, Blumentrögen und einer besseren Verkehrsüberwachung durch Geschwindigkeitskontrollen. Wie schon seine Vorredner vermutete Stepan, dass sich die Mehrheit der Verkehrsteilnehmer nicht an die vorgeschriebenen zehn Stundenkilometern hielten.

    Nach diesem umfangreichen Gegenwind war es dann Johann Popp, Fraktionsvorsitzender von CSU und CSW, der den Grünen zur Seite sprang. „Sollen wir bis zur Verwirklichung der Nordtangente denn gar nichts tun?“, fragte Popp. Die Auswirkungen für den Einzelhandel bei einer Sperrung am Wochenende seien gering. Auf zwei Parkplätze könnte man außerdem gut verzichten und dafür Platz für Fahrräder zu schaffen. Er schlug vor, in eine „ergebnisoffene Testphase“ einzusteigen, nach der die Ergebnisse einer zeitweisen Sperrung anschließend ausgiebig besprochen würden. So könnten die Stadträte herausfinden, was die Bürger wirklich wollten. Sich dem „maßvollen Antrag“ der Grünen zu verschließen, hieße aus seiner Sicht, sich der Diskussion zu verschließen. „Das kann nicht unsere Aufgabe sein“, so Popp.

    Hertha Stauch wird emotional - und zornig

    Otto Horntrich zeigte ebenfalls Zustimmung. Seine SPD verfolge den Ansatz „Mensch vor Auto“, die Wertinger Sozialdemokraten haben dafür schon seit längerem ein umfassendes Konzept für die Stadt ausgearbeitet.

    Grünen-Stadträtin Hertha Stauch zeigte Emotionen. Sie sei am Marktplatz aufgewachsen, die Gegner einer Sperrung sehe man dort dagegen selten. Und nun sei sie zornig. Der Marktplatz sei einst die „gute Stube“ der Zusamstadt gewesen, heute orientiere er vor allem am Durchgangsverkehr. „Er dient dem schnellen Geschäft. Schnell mal halten, und schnell mit einer Kugel Eis am Steuer weiterfahren“, rief Stauch ins Mikrofon. Der Marktplatz müsse aber wieder zu einem „Aufenthaltsort für alle“ werden.

    Markus Müller (FW) sagte danach: „Ich bin nicht zornig, ich will mich sachlich und fachlich einbringen.“ Es brauche aus seiner Sicht einen generellen Plan, den man in einem größer angelegten Diskussionsformat entwickeln müsse.

    Jonas Ziegler (Grüne) sagte, der Bau der Firma Reitenberger eigne sich wunderbar für eine Testphase zur Verkehrsberuhigung – die Argumente der Grünen sah er teilweise missverstanden, so drohe etwa durch die Beschränkung auf das Wochenende keine Beeinträchtigung des Busverkehrs für Schüler.

    Zu einer Entscheidung kommt es nicht

    Johann Bröll (CSW) sprach davon, dass man sich nicht allen Veränderungen verweigern dürfe. Er sei von der Jugendbewegung „Fridays for Future“ sehr beeindruckt – Veränderungen im Verkehr seien notwendig. Alfred Schneid (CSU) schließlich plädierte dafür, den Marktplatz testweise am Wochenende zu sperren und begleitend intensiv mit den Bürgern zu sprechen.

    Nicht anwesend bei der Diskussion waren die Stadträte Josef Stuhler (CSU) und Matthias Buhl (FW) – beide sind geschäftlich am Marktplatz vertreten. Bürgermeister Willy Lehmeier (FW) wollte nach der ausgiebigen Diskussion nicht, dass über den Antrag der Grünen entschieden wurde. „Wir sollten nicht über den Antrag abstimmen, weil er nichts bringt“, so Lehmeier. Es solle stattdessen ein Arbeitskreis mit Mitgliedern der Fraktionen gebildet und die Details für eine „Testphase“ ausdiskutiert werden. Die Grünen stimmten dem zu und zogen ihren Antrag zurück. Der Bildung eines Arbeitskreises zur Testphase stimmten alle Stadträte mit Ausnahme von Peter Seefried zu.

    Lesen Sie den Kommentar unseres Redakteurs: Sternstunde mit unwürdigem Ende

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