Im März hatte der Laugnaer Bauunternehmer Ulrich Reitenberger seine Idee für einen „Medizincampus“ vorgestellt. Dann war es still geworden. Jetzt plötzlich nehmen die Wertinger Parteien dazu Stellung. Grund dafür ist wohl ein Termin im Oktober.
Der "Medizincampus" soll am Wertinger Krankenhaus entstehen. Wie berichtet, will der Bauunternehmer, der seit der Kommunalwahl für die Freien Wähler im Dillinger Kreistag sitzt, ein Grundstück auf dem Gelände des Krankenhauses erwerben und dort einen Turm samt Tiefgarage bauen, außerdem Wohnungen und Garagen. Schon damals hatte Johann Popp, Mitglied im Aufsichtsrat der beiden Krankenhäuser und CSU-Kreistagsmitglied, die Pläne kritisiert. Doch dann war es still geworden.
Die einen wollen ein Konzept für Wertingen, die anderen mehr Transparenz
Dann forderten die Stadträte der Freien Wähler Mitte August in einer Pressemitteilung ein Zukunftskonzept für das Wertinger Krankenhaus (Freie Wähler fordern Zukunftskonzept für das Wertinger Krankenhaus ) . Die einzelnen Bausteine Krankenhaus, Kranken- und Pflegeschule, Pflegeeinrichtung und Medizinzentrum gelte es entsprechend zusammenzuführen. Daraufhin forderten die Wertinger Grünen ihrerseits mehr Transparenz (Grüne pochen erneut auf Transparenz).
Wie Landrat Leo Schrell nach seinem Urlaub mitteilte, könnte flankierend zu Reitenbergers Ärztehaus der Landkreis seinerseits eine neue Pflege- und Krankenschule in Wertingen bauen und eine geriatrische Abteilung am Wertinger Krankenhaus einrichten. Parallel dazu gibt es seitens der Stadt Wertingen Pläne für den Neubau eines Pflegeheims. Das wiederum ermögliche dem Seniorenheim St. Klara, sich neu aufzustellen.
„Das einzig Entscheidende ist, was den Menschen in der Region nützt und das Wertinger Krankenhaus sichert“, betont der Landrat. Er sei „heilfroh“, dass sich der Investor in seiner Heimat engagieren wolle.
Wertingens Bürgermeister über Vorteile und Notwendigkeiten
Uli-Gerd Prillinger, Geschäftsführer der beiden Kreiskrankenhäuser, erhofft sich von dem „Medizincampus“ unter anderem kurze Wege. So könnte ein Arzt, der im neuen Turm praktiziert, bei einem Problem direkt einen Kollegen aus dem Krankenhaus hinzuziehen. Schwer demente Bewohner des neuen Pflegeheimes müssten für einen ambulanten Eingriff vielleicht nicht erst verlegt werden; der Arzt könnte direkt über den Hof ins Heim und helfen.
Das gesamtmedizinische Konzept ist für den Geschäftsführer entscheidend. „Schnelle Termine und eine gute Kooperation der einzelnen Fachdisziplinen, das ist es ja, was man will.“ Kurze und sichere Wege zwischen Krankenhaus und stationärer Altenhilfe sind laut Wertingens Bürgermeister Willy Lehmeier für ältere Bürger wertvoll. Käme noch ein Facharzt für Gerontologie und Gerontopsychiatrie in dem neuen Ärztehaus dazu, wäre das „wahrlich ein Pfund. Deshalb präferieren wir einen Bau neben unserem Krankenhaus, gegebenenfalls mit Ärztehaus mit direkter Verbindung.“
Mit diesem Konzept schaffe man an einem Platz die gesamte Versorgung für Senioren von ambulant bis Pflegeheim mit verschiedenen Abbiegemöglichkeiten, etwa einer verbesserten Kurzzeitpflege, stimmt Prillinger zu. Lehmeier ergänzt, wie groß die Nachfrage nach Kurzzeit- und Tagespflegeplätzen oder stationären Altenhilfeplätzen tatsächlich ist: Notwendig wären 30 Kurzzeitpflegeplätze, 15 Tagespflegeplätze und 90 stationäre Altenhilfeplätze, die mindestens 20 gerontopsychiatrische Plätze innehaben. Deswegen sei es laut Leitung des Seniorenzentrums in Wertingen hilfreich, das gesamte Portfolio der Pflege in Wertingen abzubilden. Auch die Auszubildenden der neuen Akademie für Gesundheits- und Pflegeberufe der beiden Kreiskliniken würden davon profitieren, wenn alle für ihre Praktika notwendigen Bereiche direkt an einem Ort wären, so der Bürgermeister. Laut Prillinger haben zum 1. September 75 Auszubildende an der Akademie begonnen (ein ausführlicher Bericht folgt). Er führt als einen weiteren Vorteil Synergieeffekte an, etwa mit dem gemeinsamen Einkauf und der Lagerung medizinischer Produkte und einer gemeinsamen Küche zur Versorgung der Menschen, die dort tätig sind oder betreut werden.
Was einem Wertinger gar nicht gefällt
Die Wertinger CSU-Fraktion unterstützt zwar den Neubau einer Kranken- und Pflegeschule und eines Heimes (Bedenken der CSU zur Wertinger Klinik). Doch ihr Vorsitzender Johann Popp übt auch deutliche Kritik am „Medizincampus“. Bedenken hat die Fraktion etwa wegen des Verkaufs einer Teilfläche des Krankenhausgeländes für einen elfstöckigen Turm, auf dessen Nutzung der Landkreis und die Kreiskliniken keinerlei Einfluss mehr hätten.
Deswegen hatte Popp in der Aufsichtsratssitzung im Anschluss an die Präsentation des Investors für einen Ideenwettbewerb samt Ausschreibung gestimmt – als Einziger (wir berichteten). Schließlich, so argumentiert der Kreisrat, werde „jede Rolle Toilettenpapier“ ausgeschrieben.
Doch der Investor sei während der ganzen nichtöffentlichen Sitzung des Aufsichtsrates dabei gewesen und habe nach der Präsentation auch die Diskussion und die Abstimmung verfolgt. „Das ist doch nicht normal. So wurde Druck erzeugt, und keiner hob den Finger“, beschwert sich Popp. Dieses Vorgehen sei mit den Grundsätzen einer transparenten Verwaltung nicht vereinbar, zumal der private Investor – wie der Landrat und der Wertinger Bürgermeister – ebenfalls aus den Reihen der FW stamme. „Ich habe nichts gegen den Investor“, betont Bezirksrat Popp auf Nachfrage. „Aber mir geht es um Transparenz.“
Nicht nur das Verfahren stört den Wertinger; er fürchtet auch, dass sich Krankenhaus und Landkreis eine Konkurrenz in das Ärztehaus holen, ohne Einfluss darauf zu haben. „Wenn so eine Investition kommt, dann brauchen der Landkreis und die Kreiskliniken doch ein Mitspracherecht. Und was ist, wenn wir das Grundstück verkaufen – und eine Woche später bietet ein anderer mehr?“ Ohne eine Ausschreibung sei man davor nicht gefeit.
Wie es nun mit dem Wertinger Medizincampus weitergeht
Schrell erklärte dazu, dass das Grundstück – das Gelände der beiden Krankenhäuser gehört nicht der GmbH, sondern dem Landkreis – noch gar nicht verkauft sei. Den Wert dessen habe ein Gutachter bereits festgelegt. Und über das geplante Verfahren, nach einem entsprechenden Beschluss im Krankenhausausschuss, dem Unternehmer das Grundstück zu verkaufen, hat sich der Landrat bei der Rechtsaufsicht bereits rückversichert. „Das Ärztehaus könnte niemand realisieren, weder der Landkreis noch die Stadt, sondern nur ein Investor. Es geht um die Sicherung des Wertinger Krankenhauses. Die Konzepte stehen, jetzt gehen sie in die Diskussion“, erklärt Schrell.
In einer öffentlichen Stadtratssitzung am 7. Oktober um 19 Uhr im Foyer der Wertinger Stadthalle wird Prillinger die Pläne vorstellen. Entscheidet sich das Gremium dafür, wird im Krankenhausausschuss des Landkreises über die Grundstücksverkäufe an Stadt (Pflegeheim) und Investor (Ärztehaus) entschieden.
Neben den Beschlüssen fehlen auch noch die Kosten über die einzelnen Projekte. Außerdem werden noch Förderanträge gestellt. Man stünde laut Prillinger erst ganz am Anfang.
„Wir brauchen etwas für die ältere Bevölkerung“, sagt Popp. Wenn das Krankenhaus gemeinsam mit der Stadt und einem privaten Träger etwas auf die Beine stellt, sei das nur positiv. „Ich bin nur gegen das Verfahren. Und die gemeinsame Parteizugehörigkeit ist das i-Tüpfelchen. Der Investor kann ja gerne investieren – wenn wir sicher wissen, dass seine Lösung die beste ist.“
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