Am Abend vor dem 1. Mai schlägt die Stunde der Trachtenvereine. Auf dem Marktplatz in Wertingen werden am Dienstagabend die Paare des Vereins D' Zusamtaler um den Maibaum tanzen. In Gundelfingen rückt der Heimat- und Volkstrachtenverein Brenztaler an, wenn am Rathaus mit vereinten Kräften der Maibaum aufgestellt wird. An der Bachtalhalle in Syrgstein sind wiederum die Goißelschnalzger des Trachtenvereins Edelweiß aktiv. Für Aufsehen sorgten die Trachtenvereine jüngst nicht wegen ihrer Tänze und der Schuhplattler, sondern wegen einer Debatte um lange Haare. So ist eine Familie aus Trostberg im oberbayerischen Landkreis Traunstein aus ihrem Trachtenverein ausgetreten, weil die Frisuren der Söhne immer wieder kritisiert worden waren.
Günther Schneider ist Vorsitzender des Wertinger Trachtenvereins D' Zusamtaler. Der 64-Jährige sieht die Sache ziemlich entspannt. "Es geht doch schon bei der Frage los, was lange Haare sind", sagt Schneider. Grundsätzlich verfolge der Trachtenverein folgende Leitlinie: "Es soll schön aussehen, dann passt es." In Wertingen seien die langen Haare bei den Männern zwar kein Thema. "Wenn aber einer lange Haare hätte, dann soll er sie halt bei einem Auftritt zusammenbinden", meint Schneider. Er sehe das Ganze jedenfalls "nicht so eng".
Gemeinsames Tanzen und Pflege des Brauchtums "sind faszinierend"
Wie bei vielen anderen Vereinen gehe es auch bei den Zusamtalern um Grundsätzlicheres. "Wir kämpfen ums Überleben", stellt der Vorsitzende fest. Das Freizeitangebot werde immer größer, und viele Jugendliche säßen inzwischen auch lieber am PC. Die Jugend der D' Zusamtaler zähle gegenwärtig zehn Mitglieder. Bei den Erwachsenen seien derzeit sieben Paare aktiv. Um Tänze einzustudieren, treffen sich die Zusamtaler alle 14 Tage zur Probe. Viele seien inzwischen "im gesetzteren Alter", so Schneider. Er könne die Mitgliedschaft in einem Trachtenverein nur empfehlen. "Das gemeinsame Tanzen und die Pflege des Brauchtums sind schon faszinierend", sagt der Vorsitzende. Der Wertinger Verein, den es seit 1931 gibt, hat auch die Miesbacher Tracht, die Frauen stecken sich die Haare zu einem Dutt. "Schuhplatteln gibt es bei uns nicht mehr", erläutert Schneider. Aus dem Maitanz am Abend des 1. Mai sei ein Tanz in den Mai geworden. Los geht es am Dienstag, 30. April, um 18 Uhr auf dem Wertinger Marktplatz.
Vorsitzender Vogt Gruber kocht jeden Dienstag in Gundelfingen
Auch der Heimat- und Volkstrachtenverein Brenztaler wird am Dienstag aktiv sein, wenn gegen 18.30 Uhr der Maibaum beim Gundelfinger Rathaus aufgestellt wird. "Wie bei jedem Verein ist es schwierig, neue Mitglieder zu bekommen", sagt der Vorsitzende Felix Vogt Gruber. In den vergangenen beiden Jahren sei dies aber ganz gut gelungen, betont der Gundelfinger. Vogt Gruber und sein Team versuchen, den Mitgliedern etwas zu bieten. Jeden Dienstag, wenn die Proben stattfinden, kocht der 65-Jährige bei den Treffen im Trachtenheim. Immer wieder gibt es auch Außergewöhnliches – vom Kesselfleisch bis zu den Kutteln. Der Gundelfinger Trachtenverein mit seiner Schuplattler- und Mädchen-Tanzgruppe zähle gegenwärtig etwa 180 Mitglieder. Vogt Gruber nennt die aus seiner Sicht entscheidenden Punkte für eine Mitgliedschaft im (Trachten-)Verein. "Hier zählt das Miteinander, die Gemeinschaft", sagt der Vorsitzende.
Die Frage, ob lange Haare bei Männern zur Tracht passen, ist für Vogt Gruber kein Thema. Man müsse aufpassen, dass "die Engstirnigkeit der Alten" die Vereine nicht ruiniere, sagt der 65-Jährige. "Ob jemand lange Haare hat, ist mir wirklich wurscht." Er trage die Haare selbst immer noch schulterlang, teilt der Gundelfinger mit. Im Übrigen hätten sich im Gundelfinger Trachtenverein die Mädchen ihre Dirndl selbst herausgesucht. "Wir haben das nicht vorgeschrieben", betont Vogt Gruber. Die Mädchen hätten jetzt keine stark ausgeprägte schwäbische Tracht gewählt. Wichtiger sei aber, dass sie bei dieser Frage selbst entschieden hätten, glaubt der Vorsitzende.
Etwa 380 Mitglieder zählt der Trachtenverein Edelweiß in Syrgenstein, berichtet der designierte Ehrenvorsitzende Adi Rettenberger, der den Vorsitz nach 33 Jahren an seinen Sohn Holger abgegeben hat. Der mit Abstand größte Trachtenverein in der Region bietet das volle Programm. Es gibt eine Jugendgruppe mit zehn Paaren, eine Schulplattlergruppe, eine Goißlschnalzgergruppe, eine Volkstanzgruppe und die Gesangsgruppe Edelweiß. Die jüngste Diskussion um die langen Haare hat natürlich auch Adi Rettenberger verfolgt. Der ehemalige Gießerei-Schichtführer empfiehlt, das Ganze ein bisschen lockerer zu sehen. "Wir haben bei uns auch Männer mit Ohrringen und Tattoos, mir macht das alles nichts aus", sagt der 63-Jährige. Ihm als Trachtler sei es wichtig, "unser Brauchtum und die Kameradschaft zu erhalten". Rettenberger hält es für wichtig, dass alle Altersgruppen in einem Verein vertreten sind. "Und die Älteren müssen den Jüngeren Spielräume lassen", betont der langjährige Vorsitzende. Das gesellschaftliche Leben gestalte sich heute in vielen Bereichen ganz anders als noch vor einigen Jahren.
Edelweiß Syrgenstein feiert 2025 das 75-jährige Bestehen
Bürgermeisterin Mirjam Steiner lobt Edelweiß als "großen, gut funktionierenden Verein". 2025 werden die Trachtler im Bachtal ihr 75-jähriges Bestehen feiern, kündigt Adi Rettenberger an. Dies soll groß gefeiert werden. Aber zunächst werde an diesem Dienstagabend der Maibaum an der Syrgensteiner Bachtalhalle aufgestellt. Dabei wird es auch die Goißlschnalzger-Gruppe krachen lassen.