Die Stube des Gasthofs Ebermayer ist voll. So voll, dass die Interessierten eine Bierbank reintragen müssen, um einen Sitzplatz zu bekommen. Wieder einmal geht es um ein mögliches Nahwärmenetz im Bissinger Ortsteil. Und wieder einmal ist das Interesse groß. Auch Heizungsbauer und ein Kaminkehrer haben sich in die Gaststube gezwängt, um mehr über die Neuauflage der Nahwärmepläne zu erfahren. Laut Bürgermeister Stephan Herreiner ist die Chance für die rund 220 Einwohner und Einwohnerinnen einmalig. Doch nicht nur dort liebäugelt der Rathauschef mit einer Lösung in der Heizungsfrage.
In kleinen Orten schien die Antwort lange recht klar. Wer keinen Ölkessel hat, der greift zu Pellets oder Scheitholz. Doch die Tage der Ölheizung sind gezählt und die Suche nach Alternativen sehen manche als Gemeinschaftsaufgabe. In einigen Gemeinden im Landkreis Dillingen gibt es bereits ein Nahwärmenetz – oder es wird darüber diskutiert. Nicht immer mit Erfolg. Denn so viele Vorteile wie ein solches Wärmenetz verspricht, so unflexibel ist es auch. Denn, ist die Straße einmal geteert, der zentrale Heizkessel oder die Solaranlage mit Wärmepumpe aufgestellt, kann man das Netz nicht nach Belieben erweitern - das macht auch Herreiner am Abend in Unterbissingen deutlich.
Der erste Anbieter zog sich aus dem Nahwärme-Projekt zurück
Die Gemeinde Bissingen wollte dennoch das Projekt vorantreiben. Im Gemeinderat wurden zunächst zwei mögliche Anbieter vorgestellt. Den Zuschlag erhielt schließlich Energie Schwaben, ehemals Erdgas Schwaben. Das Augsburger Unternehmen plante, Unterbissingen auch mit Abwärme aus der nahegelegenen Kläranlage zu heizen. Nach mehreren Infoveranstaltungen scheiterte das Vorhaben jedoch. Die Menschen waren verärgert, dass bei den Vorträgen immer wieder andere Preise aufgerufen worden waren. Schließlich zog sich Energie Schwaben aus dem Projekt zurück, da es nicht lukrativ genug sei.
Die Gemeinde hat jedoch Zeitdruck. Denn sie hat Förderanträge für Leitungs- und Kanalsanierung gestellt. Wenn die Hälfte von Unterbissingen umgegraben wird, warum nicht gleich ein paar Wärmeleitungen verlegen? Die Arbeiten an den Leitungen könnten schon im Herbst beginnen, informiert Bürgermeister Stephan Herreiner. "Die Chance haben wir einmal in 20 Jahren." Entsprechend "heilfroh" sei er deshalb auch, dass sich ein anderer potenzieller Anbieter gefunden habe. Peter und Leonhard Veh von Naturenergie Veh aus Oberliezheim würden ein Netz in Unterbissingen aufbauen.
Nahwärmenetzbetreiber aus Oberliezheim könnte in Unterbissingen starten
In Oberliezheim habe man bereits 2012 ein Netz verlegt, berichtet Peter Veh. Damals seien zwölf Häuser angeschlossen gewesen. Zehn Jahre später seien mit 50 Häusern inzwischen 75 Prozent des Ortes am Netz. Die Vehs verarbeiten Holz und produzieren Hackschnitzel. Mit diesem Rohstoff wird in Oberliezheim geheizt. Und in Unterbissingen könnte es ähnlich laufen. "Mit Hackschnitzeln kennen wir uns aus", sagt Peter Veh. Deshalb habe man sich für diese Lösung entschieden.
Die Firma Veh würde das Netz zusammen mit Enerpipe, einem Partnerunternehmen aus Franken, umsetzen. Enerpipe ist ein Anbieter für die Planung und Umsetzung von Wärmenetzen. Karina Schröder von Enerpipe macht an diesem Abend den Unterbissingern die Vorteile der Nahwärme schmackhaft. Das geht vor allem über eins: die Zahlen. Kosten würde ein Anschluss ans Netz einmalig 15.000 Euro, hinzu kämen 450 Euro Grundgebühr im Jahr und ein Wärmepreis von knapp zwölf Cent pro Kilowattstunde. Eine Preisgleitklausel werde es aber wohl geben müssen, so Peter Veh.
Bei den Anschlusskosten aber winkt eine Förderung vom Staat. Mit mindestens 30 Prozent könne man rechnen, so Schröder, die aber nicht müde wird zu betonen, dass sich dies jedoch immer noch ändern könne. Je nachdem, was das Bundeswirtschaftsministerium plant. Das jedenfalls schreibt auf seiner Homepage, dass die Förderanträge im Januar 2024 wieder gestellt werden können – unter Vorbehalt verfügbarer Haushaltsmittel.
"Es muss ein Ruck durchs Dorf gehen"
Nicht nur Hauseigentümer können sich vom Staat Unterstützung holen. Auch Wärmenetzbetreiber sind auf Fördergelder angewiesen. Doch nicht nur darauf. Mindestens 40 Gebäude müssten ans Netz anschließen, so Schröder, damit sich dieses "wirtschaftlich und technisch darstellen" ließe. Um eine erste Idee davon zu bekommen, wie groß das Interesse in Unterbissingen ist, verteilen die Vehs an diesem Abend bereits Formulare mit Absichtserklärungen. Die seien nicht bindend, so Peter Veh. Aber: "Es muss schon ein bisschen ein Ruck durchs Dorf gehen." Bis Mitte Februar haben die Unterbissinger nun Zeit, das Formular auszufüllen. Bürgermeister Herreiner hofft, dass das Projekt im Ortsteil anläuft. "Man muss eben Überzeugungsarbeit leisten." Wenn der erste Schritt gemacht sei, könne man weiter planen und über Netze in Bissingen und Kesselostheim nachdenken.