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Titel-Thema: „Sie kam wie ein Engel vom Himmel“

Titel-Thema

„Sie kam wie ein Engel vom Himmel“

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    Lisbeth Allmis aus Holzheim engagiert sich beim Besuchsdienst der Dillinger Malteser. Ein Mal in der Woche besucht sie eine alte Dame, die gehbehindert und mutterseelenallein in ihrem Einfamilienhaus wohnt. Gemeinsam fahren die Frauen zum Arzt, zum Frisör, zum Einkaufen, ratschen, lachen und haben Spaß.
    Lisbeth Allmis aus Holzheim engagiert sich beim Besuchsdienst der Dillinger Malteser. Ein Mal in der Woche besucht sie eine alte Dame, die gehbehindert und mutterseelenallein in ihrem Einfamilienhaus wohnt. Gemeinsam fahren die Frauen zum Arzt, zum Frisör, zum Einkaufen, ratschen, lachen und haben Spaß. Foto: Homann

    Eine Seniorin im Landkreis Dillingen wird in wenigen Wochen einen runden Geburtstag feiern. Mit Gästen rechnet sie nicht. „Da kommt keiner“, sagt sie. Ihr Haus kann sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verlassen. Die Frau ist einsam. Mit dieser Situation ist sie aber nicht allein.

    Es gibt jedoch kleine Lichtblicke: Die Dillinger Malteser bringen zum Beispiel bedürftigen Rentnern einmal im Monat Lebensmittel vorbei. Menschen, die nicht mehr Auto fahren können und sich ein Bus-Ticket oder gar ein Taxi gar nicht leisten können. Geschweige denn einen Cappuccino in der Stadt. Stefanie Remmele von den Maltesern kennt diese Schicksale: „Wenn die Kinder weggezogen sind, ist die Isolation programmiert.“ Die Senioren freuen sich jedes Mal über die Besucher mit den

    Zeit, die Lisbeth Allmis einmal die Woche einer Seniorin in Dillingen schenkt. Die Dame ist weit über 80, seit 20 Jahren verwitwet. Die Kinder wohnen weit weg. Sie würden die Oma schon zu sich holen – aber die will nicht. „An diesem Haus habe ich selbst mitgebaut. Es ist verrückt – aber ich hänge daran.“ Dabei bewohnt die Dame in ihrem großen Einfamilienhaus nur noch das Erdgeschoss. Angst habe sie keine, auch nicht bei Gewitter. „Ich bin nicht einsam, ich habe Lisbeth, den Fernseher, meine Freundin und ein Ehepaar, das mich regelmäßig besuchen kommt.“

    Lisbeth Allmis, 65 Jahre und aus Holzheim, stieß vor neun Jahren zu den Maltesern. Seit zwei Jahren besucht sie die Seniorin. „Sie kam wie ein Engel vom Himmel“, schwärmt die alte Dame mit dem pfiffigen Kurzhaarschnitt und dem feuerroten Gehstock. Lisbeth bringt sie zum Arzt, zum Frisör, zum Supermarkt und hat oft Kuchen dabei. „Lisbeth ist sehr wichtig für mich. Es ist schön, wenn man zum Arzt gebracht und abgeholt wird; wenn man jemanden hat, der bei den Formularen hilft.“ Auch das Gehen fällt der Dillingerin zunehmend schwer. Lisbeth sagt: „Die Augen, das Herz, die Hände, das Kreuz, das Knie – eigentlich ist dein ganzer Apparat kaputt.“ – „Und da soll’sch noch lachen“, sagt die Seniorin und lacht tatsächlich. Die beiden haben einen sehr lockeren Umgang miteinander. Man müsse offen aufeinander zugehen und einander zuhören, erklären beide, sonst werde das Verhältnis zur Last.

    Nur weil Lisbeths Mann Otto in Holzheim auch mal das Enkelkind vom Kindergarten abholt und kocht, kann sie entspannt nach Dillingen fahren und sich um die Seniorin kümmern. „Ich mache das mit Freude und aus Nächstenliebe. Es soll keine Hetze werden“, betont sie. „Man bräuchte mehr solche Leute“, findet die alte Dame. „Viele Bekannte sind mir neidig, sogar meine eigene Schwester.“ Neben Lisbeth und einem Ehepaar, das sich um den Garten kümmert, trifft sich die Dillingerin jeden Samstag mit einer Freundin, die um die Ecke wohnt. Früher seien sie gemeinsam bei Wind und Wetter geradelt, das sei vorbei. Früher hatte sie sich darauf gefreut, im Alter endlich Zeit für Handarbeiten zu haben. Stattdessen hat sie jetzt Arthrose in den Fingern. Aber im Leben gehe eben nicht immer alles glatt. Da helfe kein „Warum“: „Man muss sich dem Leben beugen.“ Dennoch: Alt werden in Würde, das sei nicht leicht. „Man glaubt gar nicht, wie das Altwerden geschmälert wird. Wenn man so Sätze hört wie ’Ja, lebt die auch noch?’, das tut weh.“ Doch auch Jüngere kennen das Gefühl der Einsamkeit. Eine Frau Mitte 60, sie möchte ihren Namen nicht nennen, hat vor einem Jahr ihren Mann verloren. „Jetzt sitze ich in meinem Garten, ein Paradies. Doch so schön es dort ist, es hilft nichts. Ich bin einsam.“ 20 Jahre war sie mit ihrem Mann zusammen.

    Vor 25 Jahren, als ihre erste Ehe auseinandergegangen war, habe sie niemanden gebraucht. Da gab es den Beruf, die Kinder. Die haben jetzt längst ihre eigene Familie. Die Witwe ist in Rente. Sie sehnt sich nach einer sinnvollen Aufgabe, einer Struktur im Alltag. „Ich brauche aber auch noch Zeit für mich“. Der Todestag ihres Mannes rückt näher. Ihr graust schon davor. Ausgerechnet in dieser Phase besucht die Frau weiterhin sterbende Menschen. Sie ist ehrenamtliche Hospizbegleiterin. „Eine Einladung zum Geburtstag würde ich zurzeit absagen. Aber das nicht.“ Die Frau aus dem nördlichen Landkreis Dillingen besucht unter anderem eine Seniorin, fast 100 Jahre alt, schwer dement. Sie erkennt ihre Besucherin nie, gibt ihr immer neue Namen. Das ist der Hospizbegleiterin egal. „Diese alte Dame sucht Nähe, sie will gestreichelt werden und manchmal busselt sie mich. Ich finde, diese Frau ist einfach selig. Da nehme ich bei jedem Besuch ganz viel Kraft mit.“ Den Hospizkurs Trauerbegleitung würde sie jedem empfehlen – für die eigene Familie. „Wie ich meinen Mann am Schluss pflegen konnte, das war nur schön.“ Die Witwe weiß, sie will nicht alleine bleiben. Plötzlich lacht sie: „Eines brauche ich. Entweder einen Freund oder einen Hund. Vielleicht ergibt sich beides.“ Nur nicht einsam bleiben. "Diese Woche

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