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Steinheim: An die Pfeile, Frauen, los!

Steinheim

An die Pfeile, Frauen, los!

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    Das „Bulls eye“ in der Mitte ist ein lohnendes Ziel, aber nicht das punktreichste wie das rote „Triple twenty“ direkt darüber: die Dartspielerinnen Sabine Imberger (von links), Petra Mayr und Michaela Martin.
    Das „Bulls eye“ in der Mitte ist ein lohnendes Ziel, aber nicht das punktreichste wie das rote „Triple twenty“ direkt darüber: die Dartspielerinnen Sabine Imberger (von links), Petra Mayr und Michaela Martin. Foto: Günter Stauch

    Speere soll es bereits vor 400000 Jahren gegeben haben, Pfeil und Bogen seit 3000 Jahrzehnten. Erste Wurfspieße für den sportlichen Gebrauch flogen vor über 150 Jahren. Aber erst vor zwei Wochen traten erstmals Darts-Werferinnen bei der Weltmeisterschaft in London an. Was stimmt da nicht mit der Disziplin, die bis heute weder das überholte Kneipen-Image vollständig ablegen noch seine Sportlichkeit endgültig beweisen konnte, und den Frauen? Die Antwort könnte ausgerechnet von einem rund 50 Mitglieder starken Verein an der Donau kommen, der das mitunter bierselige Treiben um die Besten-Punktspiele an der Themse genauestens verfolgt.

    In Steinheim stimmt die Quote

    Auf die Frage nach mehr weiblichen Aktiven in ihren Reihen reagieren die Mannsbilder um den rührigen Vorsitzenden des Steinheimer Dartclubs mit einem Scherz. „Was, noch mehr Frauen zu uns?“, biegt sich Richard Imberger halb vor Lachen auf seinem Stuhl in den mit zwei Dartscheiben ausgestatteten „Donaustuben“. Dabei blickt der humorvolle Mann von Anfang 60 die beiden Frauen neben ihm schmunzelnd an. Sie haben eigens das schicke schwarz-rote Wettkampfdress des drei Jahrzehnte alten Clubs angelegt, das zumindest auf der Rückenseite etwas martialisch daherkommt. Sabine Imberger und Petra Mayr stehen mit für die 20-Prozent-Frauen-„Quote“ in dieser Gruppe der Pfeilkünstler und damit gleichzeitig für die Darts-Organisation in Nordschwaben mit dem höchsten weiblichen Mitglieder-Anteil. Vorsitzender Imberger, selbst bis zu vier Stunden pro Woche im Training aktiv, lässt auf „seine Frauen“ im Club nichts kommen, kennt aber den großen „Männerüberschuss“ und manche Vorurteile über Darts-Frauen andernorts nur allzu gut.

    Ein schwieriges Verhältnis. Bei der noch bis kommenden Dienstag laufenden WM in der englischen Hauptstadt und insgesamt knapp 100 der besten Dartler der Welt, hätte für den Ausrichter ein Erfolg schon einer der beiden angetretenen Frauen einen immensen Schub in die Szene bringen können. Dort war das vermeintlich schwache Geschlecht bislang nur als leichtverkleidete Showdamen und zur Unterhaltung der ohnehin schon elektrisierten Massen vertreten. Ein Damen-Erfolg zum WM-Auftakt vor rund zwei Wochen wäre auch gut fürs Geschäft gewesen, zumal ihr Sieg in der „Alexandra-Palace-Halle“, die alle nur Ally Pally nennen, zusätzliche Beträge auf die bereits üppige Einnahmenseite hätte schaufeln können. Schließlich wird die 26. Auflage des spannenden Duells der Darts-Titanen von bis zu 85 000 Fans vor Ort heimgesucht und wochenlang live in die Wohnzimmer von Millionen Zuschauern übertragen. Doch die Qualifikantinnen, eine Engländerin und die Russin, verloren.

    Aus und vorbei, die Chance zumindest vorerst vergeben. Dabei hatte vor fast 100 Jahren schon die Mutter der heutigen Queen ihren Gemahl König George VI beim bereits bestehenden Darts-Kult im Mutterland dieser Sportart geschlagen. Die ursprüngliche Männerdomäne fiel, als etwa in den 1950er-Jahren die ersten Frauen-Meisterschaften starteten und mit der Gründung der British Darts Organisation (BDO) ihr Anteil erstmals anerkannt und gewürdigt wurde. Seit Jahren zählen die begabtesten Werfer-Ladies zur erweiterten Weltspitze, mussten aber zumindest nach den Regeln des Ausrichters der derzeitigen Weltmeisterschaft bislang draußen bleiben.

    Und wer wie der bekannte Holländer Vincent van der Voort bei einer anderen Gelegenheit mal von einer Gegnerin geschlagen wird, muss sich Frotzeleien seiner Kollegen anhören. „Es gibt Männer, die nicht gern gegen uns spielen“, fasst Sabine Imberger vom Dartclub Steinheim die diffizile Geschlechterbeziehung selbst auf Amateurebene zusammen.

    Dass die Frauen seit Langem bei Wettbewerben ihren Mann stehen und dennoch in vielen Clubs durch Abwesenheit glänzen, versteht der Vorsitzende des Nordschwäbischen Dartverbands kaum. „Ich weiß nicht, warum sich bei uns die Damen nicht für Darts interessieren“, beklagt Jürgen Dannhorn den einstelligen Frauenanteil in den Vereinen, obwohl diese seit zwei Jahren an Mitgliedern ständig zulegen. „Das boomt wie noch nie, vor allem die Fernsehübertragungen sind ein Segen, denn so werden die Leute darauf aufmerksam.“

    Bissingen noch "ohne"

    Via Niederlande ist die Darts-Euphorie vor drei, vier Jahren auch nach Deutschland geschwappt. Als Gründe für den Erfolg gelten die integrative und äußerst telegene Sportart mit einfachen Regeln und Entscheidungen im Drei- bis Vier-Minuten-Takt. Dieses Wurfspiel in der Region weiblicher zu gestalten, hat sich auch Matthias Gassenmayer vom TSV Bissingen auf die Fahnen geschrieben. Seine Anfang 2017 gestartete Abteilung warte noch sehnsüchtig auf das erste weibliche Mitglied: „Es gibt definitiv keinen Grund, weder physisch noch sonst irgendwie, beim Dartspielen, das hundertprozentig mental geleitet wird, nicht mitzumachen.“

    Doch Zweifel kommen mitunter ausgerechnet von unerwarteter Seite. So hatte die deutsche Spitzenspielerin Stefanie Rennoch (ehemals Zwitkowitsch) anlässlich einer Darts-WM in einem Interview über die Unterschiede zwischen männlichen wie weiblichen Akteuren und deren genetischen Voraussetzungen sinniert. Dass Männer einfach besser fokussieren könnten, Frauen breiter sehen und Räume anders wahrnehmen würden, sei wohl auch der Steinzeit geschuldet: Sei der Mann auf der Jagd gewesen, hätte die Frau in der Höhle auf die Kinder aufgepasst. Kein Wunder, wenn Experten kritisieren, dass durch Shows wie das derzeit ablaufende WM-Spektakel das falsche Bild befördert werde, nur die Männer spielten besser.

    Was den Verbandsvorsitzenden Jürgen Dannhorn mächtig ärgert: „Das einzige was stimmt, ist, dass die Männer beim Profi-Darts besser verdienen.“ Im fernen London winken bis zu drei Millionen Euro Preisgelder. In den „Donaustuben“ scheinen Scheine dagegen überhaupt keine Rolle zu spielen. DCS-Vorsitzender Richard Imberger, der seine Teams nur in tadellosem Outfit in der Donau-Ries-Dart-Liga antreten lässt, weiß: „Darts ist ein fröhlicher Sport – wir spielen, weil es uns Spaß macht.“

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