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Sport-Talente? (8): Mit elegantem Schwung und Taktik

Sport-Talente? (8)

Mit elegantem Schwung und Taktik

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    Oh mein Gott! Wie tollpatschig kann man sein! Der Stock, den ich gerade völlig verkrampft losgewuchtet habe, schlingert und hüpft auf dem Asphalt. Er verfehlt natürlich sein Ziel und ist meilenweit entfernt von dem Feld, das ich angepeilt habe. Nach etlichen Versuchen wird gar nichts besser, die Schulter meldet sich mit einem Zucken und ich fühle mich auf der rechten Körperseite um einen Zoll länger als auf der linken. Da kann man nur neidisch auf die geübten Schützen schauen, die mit Adlerblick ihr Ziel anpeilen, mit elegantem Schwung und wenigen Trippelschritten ihren Stock kerzengerade auf die Bahn setzen und dieser dann auch noch genau da landet, wo sie ihn haben wollen.

    Edeltraud Tischmacher lacht: „Alles Übung“, sagt die erfahrene Stockschützin, die zusammen mit Vereinskameraden vom TSV Wertingen und vom Sportverein Binswangen ihr Training auf der Asphaltbahn auf dem Judenberg absolviert. Es ist angenehm mild an diesem Abend, die Hitze hat sich ins Donauried verdrückt und hier am idyllischen Waldrand ziehen die Stockschützen im Schatten ihre Bahnen. Routiniert lässt einer nach dem anderen – Frauen und Männer, jung und alt gemischt – seinen Stock sausen über 30 Meter weit von einem Feld ins andere, jedes 18 Quadratmeter groß. Im Zielfeld liegt ein Gummiring. Das ist die Daube, das Ziel des Schützen. Es zählt die Bestlage zur Daube – wer ihr am Nähesten kommt, punktet.

    Stockschützen haben eine eigene Sprache, die am Anfang nicht ganz leicht zu verstehen ist. Der „Moier“ beginnt und gibt die Richtung vor. Denn Ziel ist nicht nur die Daube, sondern auch der Stock des Gegners, den man aus dem Feld schießen kann oder auf jeden Fall von der Daube weg befördern sollte. Ein Spiel hat sechs Kehren, jeder spielt dreimal rauf und dreimal runter. Bis zum Schluss ist der Ausgang ungewiss, denn jeder Schütze kann dem Spiel noch einmal eine andere Wendung geben. Oft wird die Daube getroffen und von der Mitte des Feldes, wo sie zu Beginn postiert wird, weggeschossen. So kann es sein, dass ein Schütze versehentlich die Daube in Richtung Gegner schiebt, was diesem zugute kommt.

    Doch da gibt es ja auch noch die Taktik und das Material. Erfahrene Schützen planen, ähnlich wie im Brettspiel, ganze Schachzüge, mit denen sie den Gegner vor eine neue Ausgangslage setzen. Und bei jedem Zug wird genau austariert, welche Platte auf den Stock geschraubt wird – links herum, übrigens. Platten sind Scheiben mit unterschiedlicher Laufgeschwindigkeit. Davon hat jeder Stockschütze etliche in seiner Tasche. Der Schütze muss das richtige Gefühl entwickeln für die Distanz, die eine Platte bewältigen soll. Je nach Ziel setzt er eine schnelle Platte ein oder eine langsame, die den Vorteil hat, dass sie nicht so leicht über das Ziel hinaus schießt.

    Die Technik, mit der geschossen wird, muss jeder für sich entwickeln. „Das ist ganz unterschiedlich“, verweist Edeltraud Tischmacher auf das Körpergefühl. Manche schießen aus dem Stand, manche trippeln dem Stock hinterher, manche schwingen weit aus, andere schieben den Stock mehr auf die Bahn.

    Die Wertinger und Binswanger Schützen sind meist lange dabei – Ludwig Miller aus Binswangen schon 42 Jahre. Man sieht es seinen Bewegungen an, die konzentriert und ruhig im Ablauf, dem Stock meist den richtigen Schwung geben. Auch Edeltraud Tischmacher schiebt für den TSV Wertingen schon 30 Jahre. Zusammen mit Vereinskameradinnen hat sie Ehrgeiz entwickelt. Die Wertinger Stockdamen spielen in der Landesliga.

    Reine Damenmannschaften sind rar geworden unter den Stockschützen, so wird bei Turnieren oft gemischt gespielt. Neben Punktspielen gibt es auch reine Freundschaftsturniere oder das Vereinsschießen, das zum Ziel hat, Nachwuchs zu generieren. Denn damit sieht es derzeit nicht so gut aus, wie Edeltraud Tischmacher bedauert.

    Was den Stockschützen lieb ist, ist die Bewegung an der frischen Luft und der spielerische Part. Stockschützen kämpfen nicht verbissen oder müssen sich nicht körperlich bis zum Letzten verausgaben. Was das Stockschießen ausmacht, ist vielmehr die Mischung aus Konzentration, Bewegung, Geschicklichkeit und Taktik. Und natürlich auch die Geselligkeit. Die Spiele verlaufen konzentriert. „Wenn man im Hintergrund viel ratscht, dann geht es daneben“, mahnt Edeltraud Tischmacher. Ist das Spiel beendet, kann es jedoch lockerer zugehen – bei Getränken und Brotzeit natürlich, im schmucken Stockschützenheim.

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