Welches Geräusch Tobias Mayer am liebsten hört? Ganz klar: Dreimal klack, klack, klack. Und wo macht es klack? Ebenfalls eindeutige Antwort: Am „Triple twenty“ (Dreifach-20), einem unscheinbar wirkenden, aber ungemein wichtigen Bogenausschnitt auf der 45 Zentimeter großen Dartscheibe. Dorthin muss der 24-Jährige die rund 18 Zentimeter langen Pfeile mit der piksenden Stahlspitze aus einer Entfernung von 237 Zentimetern schleudern. Keine leichte Aufgabe, zumal die begehrte Stelle gerade mal so breit ausfällt wie der Durchmesser eines Bleistifts.
Der Erste Vorsitzende des jungen Vereins Bulls-Eye Darter Deisenhofen passt so gar nicht ins extrovertierte Bild, das sich einem Millionenpublikum über die ganzen Feiertage hinweg im Fernsehen dargeboten hatte. Das Weltmeister-Finale der vergangenen Darts-Wochen im Londoner Hotel Alexandra Palace war nur der Schluss- und Höhepunkt einer ausgelassenen Zeit gewesen. Es herrschte Faschingsstimmung. Das Bier floss aus Krügen, die Zuschauer – unter ihnen über 7000 Deutsche, auch aus der Region – erschienen als Weihnachtsmänner, Superhelden oder Donald Trump verkleidet. Der Lärmpegel im „Ally Pally“ erinnerte an ein Volksfest. Die angeheiterte Gästeschar sang ausdauernd „Stand up if you love the darts“ („Steht auf, wenn ihr Darts liebt“). Kein Zweifel: Der Sport, der lange unter eher schummrigem Image zu leiden hatte, entwickelte sich in den vergangenen Jahren vom Pubspiel zum Hochleistungs-Event.
„Toby“, so der Wettkampfname des Deisenhofener Klubvorsitzenden, würde als Dart-Akteur aber nie dergestalt auftreten wie manche wampenbewaffneten WM-Teilnehmer, die mit Tätowierungen von der fettigen Glatze bis zum großen Zeh oder einer ausladenden Irokesenfrisur die Austragungsbühne betreten. Mit perfekt durchgestylter Haar- und Bartpracht, dunkler Hornbrille und seiner fast schon unheimlich anmutenden ruhigen Art geht der gelernte Industriemechaniker eher als „Schwiegermamas Liebling“ durch. Freilich sollte man dennoch den unglaublichen Ehrgeiz von Mayer und seinen Mannen der ersten Mannschaft nicht unterschätzen. Schließlich gelang ihnen vor knapp einem Jahr quasi aus dem Stand heraus der Zusammenschluss von knapp vier Dutzend Gleichgesinnten. Darunter Gründungsmitglied Stefan Lenz, Bürgermeister der Stadt Höchstädt.
Sie werden angeführt von einem aufgeweckten Vorstandsteam mit Zweitem Vorsitzenden Stefan Saur, Kassenwart Johannes Lindner, Schriftführer Andreas Schnelle und Gerätewart/Kapitän Günther Schödl, der als „Günni“ in die Schlacht um Punkte zieht. Kurioserweise geht es dabei nicht um Punktevermehrung, sondern im Gegenteil den möglichst schnellen Abbau von 501 Zählern zu Beginn der Partie.
Sie alle eint nur ein Ziel, was in anderen Sparten wohl „ins Schwarze treffen“ bedeuten würde. Im Fall von Dart liegt der Punkt aller Spielglückseligkeit aber ausnahmsweise nicht genau in der Scheibenmitte, dem legendären roten „Bulls-Eye“, der immerhin 50 Zähler wert wäre. Sondern jenseits davon in einem acht Millimeter schmalen Innenbogen des schwarzen Runds mit verlockenden 60 Punkten. Die Aufteilung des aus hartgepressten Naturfasern bestehenden Dartboards mag jeden Neuling zunächst irritieren, weil dort etwa die Eins neben der 18, die Fünf neben der 20 angelegt wurden. Der Grund dafür liegt allerdings an der Erfindung eines pfiffigen Briten – Herkunftsland des Sports ist das Vereinigte Königreich – der sich Ende des 19. Jahrhunderts über die unverdienten Zufallstreffer beim Spiel geärgert haben soll. So schuf der Zimmermann Brian Gamlin das vermeintliche Durcheinander, bei dem zum Beispiel die 20 bewusst zwischen den Werten eins und fünf steht, um unpräzise Würfe umgehend zu bestrafen.
Weil die Kopfrechenkünstler aus Deisenhofen nun mal nichts dem bloßen Zufall überlassen möchten, haben sie sich in kurzer Zeit auf einen respektablen Platz in der Zweiten nordschwäbischen Liga „geworfen“. Jede Woche steht für die sieben gemeldeten Spieler ein spannendes Match an der „Oche“ an, der Standleiste am Boden. Diese Woche waren die Pfeilsportler aus Aislingen zu Gast, nächste Woche kommen die Dartler-Kollegen aus Glött an die Reihe. Und in Steinheim wird schon viele Jahre Dart gespielt. „Wir haben uns bislang wacker geschlagen und können uns durchaus den nächsten Aufstieg vorstellen“, resümiert ein angriffslustiger „Toby“ Mayer – und zeigt damit, dass „Schwiegersöhne“ auch mal anders können.