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Sport-Reportage: Schwitzen für den Fitnessorden

Sport-Reportage

Schwitzen für den Fitnessorden

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    Schwabenstadion in Gundelfingen, 31 Grad Celsius im Schatten, windstill: Der schon etwas betagt wirkende Sportler lässt sich vom Heizkesselklima in der Arena kaum etwas anmerken und wuchtet schwungvoll die gusseiserne Fünf-Kilo-Kugel in den blauen Himmel. 6,92 Meter beim ersten Wurfversuch. Nicht schlecht für einen 65-jährigen Athleten. „Da ist aber noch mehr drin“, herrscht Eduard „Edi“ Niederwieser von der Skigemeinschaft FC und TV Gundelfingen den Werfer mit einem Augenzwinkern an. So landet das silbern glänzende Sportgerät nach siebeneinhalb Metern im Sand – „Gold“ für den Kreisvorsitzenden des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV), Alfons Strasser. Es ist Sportabzeichen-Saison, quasi Olympia für jedermann.

    Der tolle Wurf wurde so zum Spaß gesetzt, denn der begeisterte Ballspieler und ehemalige Leiter der Aschbergschule wollte nur mal bei den Kollegen vorbeischauen. Dort trifft der Sportabzeichen-Prüfer aus Dillingen, der für seinen jahrzehntelangen Dienst am Sport höchste Trophäen verdient hätte, auf nicht weniger erfahrene „Aufpasser“ über den geordneten Übungsbetrieb. Weil dabei im Namen der Bundesrepublik Deutschland staatliche Auszeichnungen in Bronze, Silber oder sogar Gold winken, wird diese Ehrung auch gern mal als Fitnessorden bezeichnet.

    Fit wie ein Turnschuh kommen aber auch die fünf gestählt wirkenden Abzeichen-Prüfer um den 77-jährigen Niederwieser daher. Nachdem Fitness-Fachfrau Harda Wagenhuber vom FC Gundelfingen einer altersdurchwachsenen Gruppe aus Funktionären und „Prüflingen“ mit Aufwärmgymnastik mächtig Beine gemacht hat, erfolgt der Startschuss für die Kerndisziplinen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination. Aus ihnen ergeben sich dann Aufgaben wie etwa Laufen, Radeln, Weit- und Hochsprung oder Medizinballwerfen.

    Weil das überaus attraktive Sportangebot – nach Männlein, Weiblein und Kindern unterschieden – angelegt und in den über 100 Jahren seines Bestehens immer wieder verfeinert wurde, gehört für den begnadeten Skifahrer Edi Niederwieser stets ein pfundschwerer Leistungstabellen-Katalog mit einem riesigen Zahlenwerk zum Sporttascheninhalt. Schwer zu tragen hat auch der offensichtlich sehr kräftige BLSV-Chef Strasser an dem Werk: „Da wurde zum Hundertjährigen 2013 vieles verändert, die Dokumentation etwa bei den Schülern komplizierter und aufwendiger gemacht.“ Dagegen heißt es beim federführenden Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), der in diesem Jahrhundert über 34 Millionen Abzeichen registrieren konnte, dass dadurch das Abzeichen attraktiver geworden sei. Zumal es nun Leistungsstufen geben würde, die den Anspruch an sich und den Sport verbesserten.

    Wie dem auch sei: Seit 1980 hat sich die Gemeinschaft von Eduard Niederwieser der überaus sportlichen Sache angenommen und – nach einer fast zehnjährigen Pause – allein zwischen 2004 und 2016 fast 600 dieser Fitnesszeichen anhängen können. Jährlich lassen sich allein in Gundelfingen bis zu 70 Sportfreunde ihre Leistungen zwischen Schlagball und Hochsprunglatte bewerten. Mit bemerkenswertem Engagement, großer Disziplin, Bewegungsfreude und auch einem Schuss Humor erwartet das speziell ausgebildete Prüferteam seine Aspiranten: zwischen Juni, Juli, August und September, jeden Dienstagabend um 18 Uhr.

    Im Durchschnitt kommen bis zu 15 Männer, Frauen und Jugendliche. Aber auch weniger. Alfons Strasser: „Kann mitunter passieren, dass gar keiner da ist, und dann bleiben wir sechs Prüfer leider unter uns.“ Das droht an jedem Abnahme-Standort der Region mit Gundelfingen, Dillingen, Lauingen und Buttenwiesen. Bundesweit gibt es 3600 Sportabzeichen-Treffs. Ein Grund für mangelnden Trainingsfleiß könnte sein, dass – so Eduard Niederwieser – „niemand einem Verein angehören muss, um hier mitzumachen“. Sportbegeisterung und eine gewisse Begabung für die Übungen reichten aus.

    In dieser Hinsicht nähert sich Armin Pausewang dem Idealzustand. Der flinke Mann aus Gundelfingen, seit seinem zweiten Lebensjahr durch eine Behinderung beeinträchtigt, hat sich Laufrunde um Laufrunde, Abzeichen für Abzeichen stetig nach oben durchgeboxt und macht sich beim Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Bayern als Bezirksspielwart für seine Leidensgenossen in Schwaben stark. Der Fachwart für Sportabzeichen konnte sich den „Orden“ schon drei Dutzend Mal ans Revers heften.

    Weil es im ganzen Landkreis nur rund 30 Sportler mit Handicap ihm gleichtaten, wirbt der begeisterte Schwimmer fest für die Sache. Wie auch der DOSB, der den wichtigen Beitrag zur allgemeinen Inklusion unterstreicht: „Leider fehlt vielen der Mut, sich zu outen und dabei zu sein“, bedauert Pausewang und würde sich freuen, wenn mehr Menschen diese Herausforderung annähmen. Ein Versuch wär’s wert, wie es im Sport so schön heißt.

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