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Sport-Porträt: Der schnellste Senior im Landkreis

Sport-Porträt

Der schnellste Senior im Landkreis

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    So sehen Sieger aus: Selbst mit 80 will Michael Widmann ein echter Winner sein, auch wenn es die klassischen Siegerkränze im Hintergrund kaum noch gibt.
    So sehen Sieger aus: Selbst mit 80 will Michael Widmann ein echter Winner sein, auch wenn es die klassischen Siegerkränze im Hintergrund kaum noch gibt. Foto: G. Stauch

    Da ist der Blick ins weite Tal, das Gefühl der Höhe, das besondere Licht, die schmucken Häuschen im Hintergrund – ein Münchner im Himmel eben. Michael Widmann, 79, wohnt aber in Bergheim. Wie der Mann aus der bayerischen Landeshauptstadt dort hinaufkam, stattliche 60 Höhenmeter über dem Niveau der Kreisstadt Dillingen, ist eine lange Geschichte. Wie fast alles, wenn man bald acht Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Dabei tut der Rücken überhaupt nicht weh, was nach einer ausdauernden und überaus erfolgreichen Motorsport-Karriere im engen Rennfahrercockpit eigentlich zu vermuten wäre.

    Nicht so beim Widmann Michl, der braun gebrannt und mit einer schier unheimlichen Geschmeidigkeit durch die Gänge seines Hauses am Kirchberg wandelt, als kehrte er gerade von einem Fitness-Urlaub auf Mallorca zurück. Natürlich sind da aber auch Altersspuren vorhanden: „Mit dem Lesen gibt es schon mal Probleme, dabei war ich immer so stolz auf meine mikroskopischen Sehfähigkeiten.“ Das gewohnte selbstbewusste Siegerlächeln des jungen, dynamischen Rennpiloten ist dem verschmitzten Blick eines Menschen gewichen, der höchst zufrieden und mit sich selbst im Reinen ist. Nach wie vor betreibt er in Bergheim seine „PS-Schmiede“.

    Der immer noch gut aussehende Oberbayer, der sich in Schwaben „sauwohl“ fühlt, ist altersmäßig zwar gewissermaßen auf der Zielgeraden seines beruflichen Daseins eingetroffen. Doch wer geglaubt hat, dass der talentierte Autoschrauber jetzt seine Lederhandschuhe für immer ablegt, befindet sich auf der falschen Spur. Widmann ist bereits für das Adria-Rennen des Austria-Histo-Cups südlich von Venedig gesetzt. Eine Stunde lang wird der „Oldtimer“ dann seinen weißen „Youngtimer“ Alfasud Sprint über den kurvigen Rundkurs treiben. Tempo 200 ist nicht das Limit. Wenn Widmann seine rasende Fahrt beschreibt, vernimmt der Zuhörer förmlich das Dröhnen eines quicklebendigen „1600-Kubikers“.

    Die himmelblauen Augen des Motorsport-Seniors blitzen auf, wenn er etwa von einem seiner zahllosen Bergrennen – seiner Leidenschaft – erzählt: „Wenn du die 25 Prozent Steigung im Renntempo zurücklegst und es geht etwas schief, gibt es nur eine Alternative: Entweder du stürzt in den Abhang oder klatscht gegen die Felswand.“ Zu seinen größten Erfolgen zählt daher auch der Vizetitel bei der Europa-Bergmeisterschaft 1988. Bei solchen Wettfahrten hat der langjährige Bergwachtler im Freistaat sowieso alles abgeräumt, auch in Mickhausen bei Augsburg.

    Die Gefahr fährt immer mit, das ist Widmann durchaus klar. Tatsächlich verlor er beim Motorsport bereits einen guten Freund. Und Unfälle wie den von Niki Lauda auf der Nürburgring-Nordschleife kommentiert Michael Widmann lakonisch: „Es ist zwar blauäugig, aber man redet sich ein, dass es einen schon nicht treffen würde.“

    Dann gibt der Rennfahrer schon wieder „Gas“ und beklagt sich, dass unsinnige Reglements und hohe Umweltauflagen die Bergwettfahrten-Szene in Deutschland „totgemacht“ hätten. Sogar Lärmschutzmaßnahmen setzten dem Motorsport immer mehr zu, dabei „muss ein Rennauto laut sein und Krach machen, nur dann kommen die Leute und sind fasziniert“. Elektroauto-Rennen?: „Da fahr i ganz bestimmt nicht hin.“ Bei seinem verbalen Rundumschlag nimmt Widmann auch die Königsklasse der Branche ins Visier, in der ja der fünf Jahre ältere, milliardenschwere Chefvermarkter Bernie Ecclestone die Fäden in der Hand hält.

    „Dieser britische Gebrauchtwagenhändler hat die Formel 1 eintönig werden lassen, das ist langweilig.“ Mit der hochklassigen Rennserie verbindet ihn aber auch der Name Gerhard Berger. Den österreichischen Ex-Fahrer kennt er aus gemeinsamen Rennzeiten: „Der war net immer vor mir.“ In anderen Rennserien, versteht sich. Denn: „Die Autos, die Techniker, die Fahrer, die Entwicklung kosten ein Schweinegeld. In dieser Hinsicht war ich für die Formel 1 einfach zu klein“, lacht Michael Widmann.

    Doch selbst in den Spaß-Klassen wird dem Mann am Steuer einiges abverlangt: „Nach jedem Rennen ist man zwei bis drei Kilo leichter geworden. Mir hams mal gemessen, da kamen fast 70 Grad im Wageninneren zamn“, beschreibt Michael Widmann die Schwitz-Tortur – und zückt ein Farbfoto, das ihn nach einem Rennen zeigt: verstrubbeltes Haar, faltiges Gesicht und völlig ausgepowert. „Aber glücklich“, fügt der „älteste Rennfahrer Deutschlands“ hinzu. Am Montag, 11. April, feiert er in Bergheim seinen 80. Geburtstag …

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