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Sport-Gespräch: Erfolgstrainer mit Bodenhaftung

Sport-Gespräch

Erfolgstrainer mit Bodenhaftung

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    Denn da bin ich daheim: Frank Schmidt wohnt mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Bachhagel – und fühlt sich dort auch sehr wohl.
    Denn da bin ich daheim: Frank Schmidt wohnt mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Bachhagel – und fühlt sich dort auch sehr wohl.

    Eine große Tageszeitung beschreibt ihn als „einzigen Trainer auf dem Markt, der nicht auf dem Markt ist“. Und spielt damit darauf an, dass Frank Schmidt der „Finke“ des Fußball-Zweitligisten 1. FC Heidenheim werden könnte. Wer früher „Trainer“ und „Freiburg“ sagte, dachte „Volker Finke“. So ist es heute fast schon mit dem erfolgreichen FCH-Coach. Er ist ein „Gesicht“ seines Vereins – und der einzige im Kreis Dillingen lebende Profifußball-Coach. Schmidt erholt sich im Bachtal, wo er mit seiner Familie lebt, vom Berufsstress. Wir trafen ihn vor dem punktspielfreien Oster-Wochenende in der Voith-Arena zum Sport-Gespräch.

    Der 1. FC Heidenheim ist über die Osterfeiertage spielfrei: Denkt ein Profi-Fußballlehrer trotzdem mehr an Bälle als an Ostereier?

    Wir hatten am Mittwoch noch ein Testspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Hoffenheim. Ich werde Ostern die kommende Trainingswoche planen und den nächsten Gegner Duisburg analysieren. Meine Frau arbeitet im Krankenhaus Heidenheim und dann ist es wie so oft: Wir haben nicht die kompletten Tage gemeinsam frei, sondern nur einige Stunden. Ab Ostermontag steht dann auch wieder Training auf dem Programm.

    Kicken Sie eigentlich ab und zu noch selbst?

    Das würde ich gerne, darf mich aber getrost als Wrack bezeichnen: nach elf Operationen und mit einem kaputten Knie. Aber ein bisschen ‘5 gegen 2’ geht noch, und im Training kann ich auch noch das Eine oder Andere vormachen. Früher habe ich in Bachhagel noch viel Tennis gespielt. Das ist jetzt nicht mehr möglich, zumal der Faktor Zeit hinzukommt.

    Haben Sie schon mal den SV Bachhagel angeschaut?

    Das ist schon lange her. Ich bin am Wochenende ja immer unterwegs. Und wenn ich dann mal daheim bin, würde mir meine Frau wahrscheinlich die Hölle heißmachen, wenn ich auch noch Spiele vor der Haustür anschaue. Mein Zuhause ist da, um vom Fußball zu regenerieren. Aber von der Terrasse aus höre ich, wenn ein Tor für Bachhagel fällt!

    Wie viele Kilometer sind es denn von Heidenheim nach Bachhagel?

    Mit dem Auto knapp 20 Kilometer, mit dem Fahrrad ist es etwas kürzer. Mein guter Vorsatz für dieses Jahr lautet, öfter mal mit dem Rad zu kommen – da geht‘s dann durch den Wald, das ist einfach schön.

    Können Sie in Heidenheim als Promi noch in Ruhe einkaufen gehen?

    Ich werde hier immer und überall angesprochen Da passieren die kuriosesten Dinge. Es wird gelobt und geschimpft. Ich bin auf der Straße schon zur Kommunion eingeladen worden. Den Spielern geht es da ähnlich. Ein Promi? Ja, wenn die Definition die ist, dass einen inzwischen wahrscheinlich 90 Prozent der Heidenheimer erkennen, dann schon.

    Arbeiten in Württemberg, wohnen im beschaulichen bayerischen Bachtal – ein Wohlfühlfaktor?

    Definitiv. Und das ist auch gut so. Als Trainer ist man ein Kind der Öffentlichkeit. Ein gewisser Abstand im Privaten tut da schon gut.

    Was hat Sie an Bachhagel gereizt?

    Ich bin 2003 in meinem letzten aktive Profijahr von Aachen nach Waldhof Mannheim gewechselt. Dann war die Frage, wie geht es weiter? Mein Schwiegervater wohnt im Bachtal, uns hat es dort gut gefallen. Ich fühle mich richtig wohl in kleinen Orten wie Bachhagel. Jetzt lebe ich dort schon über 13 Jahre. Frau und Kinder fühlen sich dort auch wohl, es fehlt uns an nichts.

    Sind Sie bei dem Wechsel über die Landesgrenze ein bisschen ein Bayer geworden? Kann „Bayern“ auch sportlich mal eine Option sein?

    Ein Bayer? Nein, wir sind hier doch alle Schwaben! Und noch mal ein Nein: Mein Vertrag läuft bis 2020. Solange Ziele da sind und alle an einem Strang ziehen, ist Heidenheim der richtige Platz für mich. Ich fahre jeden Tag gerne hierher. Als Trainer sehe ich mich als Spielgelbild der Mannschaft – und bin mit dem Kopf ganz hier. Es gibt so viel Positives beim FCH, wir haben jedes Jahr sportlich einen Schritt nach vorne gemacht. Es ist hypothetisch drüber nachzudenken, wenn der FCA oder Bayern rufen würde. Ich bin keiner, der beim nächstmöglichen Angebot davonrennt. Insgesamt bin ich aber noch ein junger Trainer – und die ferne Zukunft ist nicht absehbar.

    Mit was für einer Vision sind Sie 2007 als Trainer in Heidenheim angetreten?

    Mein erster Spruch war: Wenn, dann mache ich das richtig und will der „Volker Finke“ von Heidenheim werden. Mit zwei Zielen: Zum einen erfolgreich arbeiten und Spiele gewinnen. Von der Zweiten Liga konnte damals aber keiner etwas erahnen. Und zum anderen wollte ich beim FCH für Identifikation mit der Stadt und der Region sorgen. Heidenheim ist eine Industriestadt, die Leute arbeiten hart. Und so soll auch unser Fußball sein: Die Basis ist, alles rauszuhauen, alles zu geben. So wollen wir die Menschen ins Stadion bekommen. Und es scheint zu funktionieren. In der Verbandsliga haben wir noch vor 250 Zuschauern gekickt, jetzt sind es im Schnitt rund 13 000.

    Ihr Höhepunkt als Trainer?

    Einen gibt es nicht, es folgten immer wieder neue. Der Durchmarsch von der Oberliga durch die Regionalliga! Wir waren, egal in welcher Liga, nie in akuter Abstiegsgefahr. Der Pokalsieg gegen Bremen 2011 war ein Höhepunkt. Dann sicherlich der Aufstieg in die 2. Liga. Der war nicht selbstverständlich. Ein Jahr zuvor waren wir noch knapp an der Relegation gescheitert, ein Jahr später waren wir Meister!

    2014 war ein starker Zeitliga-Jahrgang: Mitaufsteiger Darmstadt spielt schon Bundesliga, Vizemeister Leipzig ist auf dem besten Weg dorthin. Wann ist Heidenheim erstklassig?

    Unsere Herangehensweise hat immer etwas mit Mut zu tun: Ziel heuer ist der komfortable Klassenerhalt. Aber warum sollten wird nicht mal nah rankommen an den Erstliga-Aufstieg oder ihn sogar schaffen. Es gibt dafür Beispiele kleinerer Vereine. Wir verwalten hier nicht, wir wollen immer etwas erreichen. Und ausloten, was in unserem Umfeld unter professionellen Bedingungen möglich ist.

    Wenn Sie sich einen Spieler aus dem Kader des FC Bayern wünschen dürften … ?

    Ich mag ehrliche Spieler, die viel investieren und nicht nur ihr Geld abholen. Mutige Spieler, die, wenn sie etwas probieren, auch Fehler machen dürfen. Also ganz klar: Thomas Müller, für mich aktuell ein ganz besonderer Fußballer. Er vereint Qualität und Bescheidenheit in einer Person. Das gibt es heute nicht mehr oft: innere Werte, seine charakterlichen Eigenschaften.

    Von außen betrachtet ruht der FCH-Erfolg auf drei Säulen: Holger Sanwald im Management, Frank Schmidt als Trainer und in der Mannschaft Kapitän Marc Schnatterer?

    Was Sanwald betrifft ja, das stimmt. Er hat die Vision gehabt und die richtigen Menschen mit ins Boot geholt. Wir anderen aber wären alle nichts ohne unsere Mitspieler. Und keine Rädchen, die nicht zu ersetzen wären.

    Sie wurden schon beschrieben als „origineller Pragmatiker“ und Gegenentwurf zum „Konzepttrainer“...

    Ein Konzept haben wir hier auch, für mich steht aber immer an erster Stelle der Mensch im Mittelpunkt. Nicht irgendeine Taktik. Ich bin schon ein Trainer, der sehr pragmatisch arbeitet. Originell? Na ja, ich bin geradeheraus und offen. Das ist meine Stärke. Natürlich habe ich auch mein Handwerkszeug als Fußballlehrer.

    Edler Zwirn oder Trainingsanzug?

    Heidenheim ist eine Arbeiterstadt. Wenn ich hier im feinen Anzug antanze, fragen sie mich bestimmt, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Trainingsanzug also!

    Wie denken Sie über SR-Fehlleistungen?

    Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen. Wir Trainer und auch die Spieler machen selbst genügend Fehler, um das Ergebnis auf den Schiedsrichter reduzieren zu dürfen. Wir sollten Respekt haben vor dessen Wahrnehmung. Im normalen Berufsleben kann ich auch nicht rumschreien und ständig andere Schuldige suchen.

    … die Torlinientechnik?

    Die ist in Ordnung. Aber mit dem Videobeweis habe ich etwas meine Probleme. Die wenigen strittigen Szenen machen das Spiel doch auch aus.

    … „Wuttrainern“?

    Als emotionaler Trainer fahre ich ab und zu auch aus der Haut. Da muss man sich aber wieder schnell in den Griff bekommen und sich nach einem schlechten Spiel mit sich beschäftigen.

    … tätowierte Kicker mit Piercing und Irokesen-Frisur?

    Ich bekomme ein Problem damit, wenn ein Spieler während der Partie mehr mit seinem Haarband beschäftigt ist als mit dem Gegenspieler. Glatze oder Mittelstreifen ist mir egal: Wichtig ist, dass einer sein Potenzial abruft. Ich setze stark auf Eigenverantwortung. Wer faul und hinten rum ist, hat es bei mir nicht gut. Professionelles Verhalten ist mir wichtig.

    Nächstes Jahr feiern Sie Ihr „Zehnjähriges“ als FCH-Trainer?

    Nicht ganz, ich gehe in die zehnte Saison. Das Zehnjährige ist dann am 17. September 2017. Der FCH wird, nach der Abspaltung der Fußballabteilung vom Heidenheimer Sportbund, 2017 übrigens auch zehn Jahre alt.

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