Sie waren die tollkühnen Männer auf ihren rasenden Kisten. In waghalsiger Schräglage fegten Motorrad-Rennfahrer wie Toni Mang, Reinhold Roth, Helmut Bradl, Dirk Raudies und Ralf Waldmann durch die Kurven. Schulter an Schulter, Rad an Rad. Ihre Popularität reichte hierzulande an die der „vierrädrigen“ Kollegen Walter Röhrl oder Hans-Joachim „Striezel“ Stuck heran. Einer, der die Hoch-Zeit des deutschen Motorrad-Rennsports in der 80er-Jahren jenseits der 200er-Marke als Fahrer hautnah miterlebt hat, ist Hubert Abold. Auch der Dillinger feierte große Erfolge: 1984 etwa raste er auf seiner Zündapp zum Vizeweltmeister-Titel in der 80-Kubikzentimeter-Klasse. Und wurde folgerichtig im gleichen Jahr zum ersten „Landkreis-Sportler“ gewählt.
Die Thema-Frage dieses Beitrags, „Was macht eigentlich …?“, beantwortet Hubert Abold mit einem Lachen: „Sportlich nicht mehr viel. Da bin ich ein richtig fauler Hund geworden!“ 62 Jahre ist der Dillinger inzwischen alt. Und hat mit der Bikerei nur noch wenig „am Helm“. Cruisen auf seiner alten Harley Shovelhead? „Ganz selten. 2020, glaube ich, war ich gar nicht unterwegs. Früher bin ich aber auch nicht groß mit dem Serien-Motorrad gefahren“, erklärt Abold seine Zweirad-Abstinenz: „Nur so rumrollen? Nein! Mir hat es immer Spaß gemacht, ein Motorrad am Limit zu bewegen. Das geht aber abseits der Rennstrecke nicht. Mit 180 über eine Autobahn? Das ist nicht mein Ding.“
Von 1984 bis 1989 fuhr Hubert Abold Grand-Prix-Rennen der Klassen 80 und 125 Kubikzentimeter. Mit Talent und Erfolg. Er feierte Siege und Titel, wurde deutscher Meister, Europameister und eben auch Vize-Weltmeister. Letzteres hinter seinem damaligen Zündapp-Teamkollegen Stefan Dörflinger.
An seine Initialzündung, Motorradrennen zu fahren, erinnert sich der Dillinger heute gar nicht mehr genau, weiß aber: „Meine Eltern hatten nie etwas dagegen.“ Dabei sei der Wunsch schon ungewöhnlich gewesen, räumt er ein: „Ich habe die großen Namen wie den Briten Barry Sheene und den US-Amerikaner Kenny Roberts im TV gesehen.“ Irgendwie reifte da wohl der Gedanke, ihnen nachzueifern. So stieg der damals 16-Jährige vom Mofa auf etwas flottere Zweiräder um. Er schloss sich dem ACD Lauingen an und lernte dort Gleichgesinnte kennen.
Via Gelände auf die Straße
Zunächst ist Hubert Abold mit einer Geländemaschine bei entsprechenden Veranstaltungen unterwegs, 1976 lenkt er dann erstmals eine Kreidler über Straßenrennkurse. Sechs Jahre später wird Abold deutscher Meister – auf einem Eigenbau des Reutlinger Tuners Gerd Bender. Als Zündapp-Werksfahrer gibt es 1983 den 80-ccm-Europatitel und parallel vordere Plätze in der 125er-Serie. 1984 folgt Abolds Karriere-Höhepunkt: der Vizeweltmeister-Titel. „Das war echt knapp. Zündapp ist damals Konkurs gegangen. Im letzten Rennen hatten wir deswegen Angst, dass sie uns das Material wegnehmen.“
Es folgten Jahre als Privatfahrer auf einer Krauser mit guten Platzierungen. Ab 1993 war Hubert Abold dann Mechaniker im Team von Dirk Raudies und wurde „Weltmeister als Techniker“: Der Biberacher Raudies gewann nämlich auf Honda den WM-Titel in der 125-ccm-Klasse. Von 1995 bis 2003 agierte Abold noch als Manager in verschiedenen Teams. So auch bei seinem Sohn Steve, der – mit den Rennsport-Genen seines Vaters ausgestattet – auf vier Auto-Rädern schnelle Runden drehte. Und 2005 ebenfalls Landkreis-Sportler des Jahres wurde.
Zum 60. Geburtstag am Sachsenring
Im Lauinger Geschäft seines Sohnemanns hilft Hubert Abold aktuell immer noch etwas mit, sportlich ist er aber kaum noch aktiv: „Golf habe ich ausprobiert. Aber ich treffe den Ball nicht oft genug richtig. Da ärgere ich mich zu sehr.“ Vom Moto-GP ist er jedoch immer noch fasziniert: „Zu meinem 60. Geburtstag war ich nach etlichen Jahren mal wieder live dabei. Am Sachsenring. Viele Bekannte aus früheren Tagen habe ich da aber leider nicht mehr getroffen.“
An die gute, alte Rennsportzeit erinnert sich Hubert Abold derweil gerne: „Es war toll, auf dem Siegerpodest zu stehen. Titel zu holen, das war ein Highlight.“ Der Grand-Prix-Zirkus sei damals gemeinsam von Rennen zu Rennen gezogen: „Wir waren wie eine Familie und sind auch mal zusammen am Lagerfeuer gesessen und haben ein Bier getrunken.“ Fahrer, Mechaniker, Offizielle aller Rennställe und Nationen. Die eingangs erwähnten deutschen Motorrad-Größen – alle irgendwie Kumpel und Freunde.
Heute alles unpersönlicher
Heutzutage, so glaubt Hubert Abold, laufe vieles wesentlich professioneller, aber auch unpersönlicher ab. Allein schon die Fitness der Fahrer sei deutlich besser ausgeprägt: „Ich habe zwar auch Diät gehalten, aber nur, weil es in den kleinen Klassen stark auf das Gewicht der Fahrer ankam.“ Neben dem fahrerischen Talent seien zudem das Geld und die Sponsoren inzwischen die wesentlichen Stufen einer Karriere-Leiter: „Wir sind Rennen gefahren und haben uns sportlich hochgearbeitet“, schildert Abold seine aktive Zeit und stellt fest: „Heute hätte ich wahrscheinlich gar keine Chance mehr, da reinzukommen. Jetzt werden nur noch Plätze auf Werksmaschinen verteilt. Das ist eine ganz ausgewählte Gruppe. Für Privatfahrer wie früher ist da kein Raum mehr, die gibt es nicht mehr.“ Damals habe der Rennsportverband entschieden, wer fährt. Heute sei es eine kommerziell ausgerichtete Teamvereinigung.
Die goldenen Jahre des deutschen Rennsports, egal ob auf zwei oder vier Rädern, sind wohl vorbei. Das glaubt auch Hubert Abold: „Von der Rallye hört man gar nichts mehr. Und der Formel-1-Boom ist auch abgeebbt.“ Die wenigen deutschen Topbiker – Sandro Cortese, Stefan Bradl und Marcel Schrötter – fahren hinterher. Abold: „Dabei gibt es auch bei uns Talente, aber die bekommen keine Plätze in den Werksteams.“
Die Südeuropäer machen es vor
In anderen Ländern, Spanien oder Italien, sei die Unterstützung wesentlich größer: „In Deutschland müsste der Vater fast schon Millionär sein. Und mit seinem zwölfjährigen Sohn nach Spanien umziehen, um dort dessen Karriere aufzubauen.“ Hierzulande seinen die Auflagen zu hoch, das Renommee und die Reputation inzwischen zu gering. „Es fehlen die Grundlagen“, meint der Dillinger und erinnert sich in diesem Zusammenhang an frühere regionale Rennen in Augsburg oder Schnaitheim.
Positiv wertet Hubert Abold dagegen die Entwicklung im Bereich der Fahrsicherheit. Die Rennstrecken sind besser geworden. Und auch die Ausrüstung – Stichworte Protektoren und Airbags. Wo ehemals Leitplanken drohten, gibt es jetzt große Auslaufzonen mit Kiesbeeten oder Grasflächen. Hubert Abold: „Heute stürzen die Fahrer im Verlauf einer Saison viel öfter vom Bike, vielleicht 20 Mal, aber es passiert ihnen weniger.“
Und rückblickend stellt er für sich zum Thema Stürze und Verletzungen fest: „Ich bin vielleicht vier, fünf Mal pro Jahr hingefallen. Ein paar Brüche oder Abschürfungen halt. Aber groß ins Krankenhaus musste ich nie. Da bin ich ganz gut davongekommen.“
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