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Laufsport: Der Höchstädterin Christine Sextl ist selbst ein Marathon zu kurz

Laufsport

Der Höchstädterin Christine Sextl ist selbst ein Marathon zu kurz

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    Christine Sextl bei ihrem Laufband-Weltrekord auf der „WIR“ 2004 in Dillingen.
    Christine Sextl bei ihrem Laufband-Weltrekord auf der „WIR“ 2004 in Dillingen. Foto: Weizenegger

    Der Mensch ist, wissenschaftlich gesehen, von seiner genetischen Ausstattung und seinem Körperbau her ein Läufer. Pardon, Frau Christine Sextl, eine Läuferin! Wohl kaum eine andere in der Region verkörpert den Typus Laufsportlerin besser als die Hessin aus dem Jahrgang 1953. Diesem Anspruch gerecht zu werden, beließ es die Wahlschwäbin in ihrer 1984 eingeleiteten Sport-Karriere nicht mit dem Antreten zu einem Zehn-Kilometer-Rennen. Auch nicht mit einem halben oder ganzen Marathon. Selbst die klassische Distanz über 42195 Meter reichten der ausgebildeten Krankenschwester mit den flinken Beinen kaum. Ihre Ziele lagen vielmehr in Entfernungen, bei denen ein Normalbürger eher zwischen Auto oder Bahn entscheidet. Solches erledigte die humorvolle, witzige Dame aus dem Äppelwoi-Land kurzerhand per pedes. Ultraläufe nennt man solche Strecken, die über mehr als 50 und 100 Kilometer oder darüber hinaus gehen sowie während sechs, zwölf, 24 und 48 Stunden am Stück zurückgelegt werden – sogenannte Zeitläufe.

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    „Das ist unberechenbar und spannend“, beschreibt die heute 68 Jahre alte Ausnahmeathletin mit Wohnsitz Höchstädt etwa ihre „Lieblingsstrecke“, den 24-Stunden-Lauf. Zwischen 1999 und 2008 räumte sie dort bei den deutschen Meisterschaften mit Spitzen-Platzierungen ab. Zum Mitschreiben: Dabei wurden nahezu 200 Kilometer zurückgelegt. Beim Rundenlauf in Bobingen wurde die passionierte Fußgängerin gleich dreimal Gesamtsiegerin in der Damen-Wertung. Apropos: Das vermeintlich schwache Geschlecht beweist auf den Ultrastrecken genau das Gegenteil, zumal „man“ herausgefunden hat, dass die Dauerleistungsgrenzen bei Männern und Frauen gleich sind, maximale Sauerstoffaufnahme und Stoffwechsel geschlechtsspezifisch nur geringe Unterschiede aufweisen.

    Je länger der Laufweg wird, umso mehr scheinen sich die Leistungen anzugleichen. Dennoch kennt die höchst erfahrene Ausdauer-Frau zu viele „Geschichten“ über Mannsbilder, die bei dieser Frage anders darüber denken „Wenn ich dann mal zum Überholen von so einem ansetzte, erntete ich böse Blicke“, gibt Sextl dann lachend eine Anekdote nach der anderen von sich: „Manche sind mit ihrem blöden Ehrgeiz viel zu schnell losgehirscht und brachen dann bald ein.“

    Durchhalten, Kraft einteilen

    Dennoch heißt es beim 24-Stunden-Trip – was einer Zeit von mehr als zwei Arbeitstagen entspricht – jederzeit: „Durchhalten. Kraft einteilen. Auf die Körpersignale hören und gut darauf reagieren“, verrät die Kilometer-Millionärin dem potenziellen Nachwuchs in der Ultra-Szene. Den Pulsmesser daheim zu lassen und sich ganz auf sein Körpergefühl zu verlassen, diesen Tipp nahm schon mancher junger Heißsporn dankend mit auf die Reise. Dort herrscht viel Bewegung, liegen die Ultraläufe doch voll im Trend. Während die Teilnehmerzahlen bei Marathonveranstaltungen in Deutschland rückläufig sind, boomen Rennen, die länger als die klassischen 42195 Meter sind. Letztere sollen einem antiken Botenlauf mit tödlichem Ausgang entstammen, eine Legende, die sich bis heute nicht totgelaufen hat. Dafür hält laut Deutscher Ultramarathon-Vereinigung das „Kilometerfressen“, wie das emsige km-Sammeln früher einmal bezeichnet wurde, kräftig an. Während im Jahr 2000 knapp 3000 Ultra-Sportler antraten, waren es 2019 schon über 11000.

    Christine Sextl ist gerne sportlich unterwegs, etwa beim Bergwandern.
    Christine Sextl ist gerne sportlich unterwegs, etwa beim Bergwandern. Foto: chs

    Und „irgendwann musst du nach Biel“, wie der Ausspruch des bekannten „Ultras“ Werner Sonntag lautet, der auf den schweizerischen 100-Kilometer-Lauf mit Kultstatus abzielt. Den ersten kontinentalen Spurt über diese Strecke gab es 1959 mit 22 Teilnehmern, als Massensportart war er damals unvorstellbar. Doch gestartet wird heute mit vielen Tausenden Sportlern um 22 Uhr – man läuft also in die Nacht hinein, was psychologisch erst mal als Bremse wirken kann.

    Mit der aufgehenden Sonne, wenn der Läufer von der erzielten Distanz her seinen toten Punkt erreicht hat, scheint es wieder aufwärtszugehen. Christine Sextl, viermalige „Bielerin“, vermag darin eine gewisse Metapher zu erkennen: „Von der Dunkelheit ins Licht, dem Licht am Ende des Tunnels – Frau braucht nur durchzuhalten, wie im richtigen Leben.“ Und: „In Biel und anderen Landschaftsläufen spielt die Konkurrenz keine Rolle. Da kann man die Natur genießen, Vogelgesang – einfach schön.“

    Sextl engagiert sich auch beim BLSV

    Dabei fand die höchst erfolgreiche Höchstädterin zum Träumen kaum Zeit, zumal sie sich auch als Sportabzeichen-Referentin seit 2007 mächtig ins Zeug legte und dem BLSV-Kreisvorstand angehört. Die lebenslustige Diplom-Lauftherapeutin wurde zudem für ihr gesundheitssportliches Engagement in Vereinen und Organisationen mit Auszeichnungen bis vom Deutschen Olympischen Sportbund geehrt. Einerseits sammelte die frühere Offenbacherin als Aktive Siegerpokale und Ehrungen wie andere Briefmarken. Zum anderen ließ sie viele Mitmenschen an ihrem Laufspaß teilhaben, etwa durch die Gründung eines Lauftreffs an der Donau: „Ich bin auch gern in der Gruppe unterwegs.“

    Auch Nordic Walking betreibt Christine Sextl gerne.
    Auch Nordic Walking betreibt Christine Sextl gerne. Foto: Aumiller

    Völlig allein musste die heutige Hobbyjoggerin und Gartenexpertin allerdings im Jahr 2004 einen Weltrekord aufstellen – auf dem Laufband in Dillingen und über 24 Stunden am Stück hinweg. Nach einem ganzen Tag und einer Kilometerausbeute von 181,3 stieg sie erschöpft und „weiß wie ein Leintuch“, aber zufrieden vom Band, das im Zusammenhang mit einer Spendenveranstaltung des Leserhilfswerks „Kartei der Not“ unserer Zeitung auf der Gewerbeausstellung „WIR“ für sie aufgestellt worden war.

    „Da läuft es sich ganz anders als auf der Straße, denn man bekommt in gewisser Weise den Boden unter den Füßen weggezogen“, erklärte die geübte Wettkämpferin damals nach ihrer erfolgreichen Aktion. Schon seinerzeit machte die laufhungrige Frau klar: „Ein Leben ohne Laufen kann ich mir nicht vorstellen.“ Ein schwerer Schicksalsschlag brachte die vierfache Omi jedoch vor zwei Jahren aus dem Tritt: Der Hundebiss eines Tierheimhundes führte zu zwei Operationen und schließlich einer schweren Lungenembolie. Aufgeben will Christine Sextl trotzdem keineswegs. Ein „Ultra“ tut so etwas nicht.

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