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Dillingen: „Ich will meinen Gegner zappeln sehen“

Dillingen

„Ich will meinen Gegner zappeln sehen“

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    Spielt lieber mit Figuren aus Holz als am Computer: Manfred Forscht.
    Spielt lieber mit Figuren aus Holz als am Computer: Manfred Forscht. Foto: Karl Aumiller

    Coronavirus hin oder her – der Schachsport-Weltverband wollte als eines des letzten aktuellen Live-Sport-Events das WM-Kandidatenturnier im russischen Jekaterinburg durchziehen. Und bracht die Veranstaltung dann aber doch ab. Der öffentlich Druck und die gesundheitlichen Bedenken waren zu übermächtig geworden. Doch „matt gesetzt“ wird auch in den kommenden Wochen weiterhin. Nicht Auge in Auge am hölzernen Spielbrett, sondern online am PC oder Laptop. Kaum ein anderer Sport scheint so gut online-tauglich wie Schach.

    Schach-Weltmeister Magnus Carlsen dreht dabei das große Rad und hat im Zuge der Coronavirus-Pandemie den Start eines hochklassig besetzten Online-Turniers für den 18. April angekündigt. Der 29-jährige Norweger will sich mit sieben seiner größten Rivalen messen. Dabei soll es um ein Preisgeld von 250000 Dollar gehen.

    Einige Nummern kleiner, aber nicht minder mit Herzblut, überbrücken auch zahlreiche Schachsportler des SC Dillingen die erzwungene Wettkampfpause am Computer – wo ihr Sport auf eine lange Tradition und Erfahrung bauen kann. Erste Schachcomputer sollten schon vor Jahrzehnten die Frage klären, wer das königliche Spiel besser beherrscht – Mensch oder Maschine. Mit dem Internet gewann dann auch das Online-Duell Mensch gegen Mensch zunehmend an Bedeutung.

    Bereits Erfahrungen gesammelt

    Die daraus und damit gewonnene Erfahrung macht sich jetzt bezahlt. Bis es wieder Corona-freie Zeiten gibt, steht Online-Schach vor einem neuem Boom. Während im Fußball, Handball, Tischtennis oder Judo auf unbestimmte Zeit der Spielbetrieb und das Vereinsleben ausgesetzt wird, verlagern Schachvereine ihr Training und Wettkämpfe einfach ins Internet. Auf Onlineschach-Plattformen wie chess24, schach.de oder Lichess wird heftig gezogen und geschlagen. Zehntausende Schachspieler und immer mehr Clubs beteiligen sich dort an Turnieren. Selten war es so einfach, eine Partie gegen einen Großmeister zu spielen. Außerdem läuft gerade die deutsche Internetmeisterschaft auf schach.de, bei der jedes Vereinsmitglied sich mit den deutschen Nationalspielern wie GM Matthias Blübaum oder WGM Filiz Osmandoja messen kann. So ist zumindest in einer Pressemitteilung des Bayerischen Schachbundes zu lesen.

    Viele Wettkämpfe werden live übertragen und Kommentatoren nehmen die Zuschauern in die Gedankenwelt der Großmeister mit. Regelmäßig erzielen diese auf Twich im Zuschauerranking Topplatzierungen und stehen der Gamerszene oder dem E-Sports in nichts nach.

    Langjähriger SCD-Vorsitzender

    Kein großer Freund der elektronischen Schachvarianten ist allerdings Dillingens langjähriger Vereinsvorsitzender Manfred Forscht: „Ich spiele nicht online und habe auch nur ganz wenige Partien gegen einen Computer bestritten.“ Und mit einem Augenzwinkern fährt setzt er hinzu: „Falls mir mal ein guter Zug gelingt, was inzwischen sehr selten vorkommt, möchte ich meinem Gegner zappeln sehen. Das kann ich mit dem Computer bzw. beim Onlinespielen nicht.“ Übertriebener sportlicher Ehrgeiz treibt Forscht ohnehin nicht mehr voran: „Meine Spielstärke ist nicht mehr sehr hoch. Sie reicht halt noch für die Kreisliga, ich trainiere ganz selten.“

    Für seine jüngeren Vereinsmitglieder gibt es freilich eine ganze Vielfalt an Möglichkeiten zum Online-Schachspielen bzw. -Training. Grundschullehrer Walter Rädler aus Vaterstetten, Vorsitzender der Deutschen Schulschachstiftung und Vizepräsident für Verbandsentwicklung im Deutschen Schachbund, gibt alle paar Tage Anregungen. So finden etwa die erste deutsche Schach-Internetmeisterschaft und der bayrische Internet-Grand-Prix statt. Es kann jeder daran teilnehmen. Weibliche Spielerinnen, egal welche Spielstärke sie besitzen, können für Deutschland in einem Online-Turnier gegen Österreich und die Schweiz antreten.

    „Online-Turniere gibt es allerdings schon seit vielen Jahren und sie werden auch von unseren Mitgliedern bevorzugt genutzt“, so SCD-Chef Manfred Forscht: „Man findet jederzeit einen gleichstarken Spieler für Blitzpartien oder man kann an Turnieren teilnehmen. Da unsere Spieler der ersten Mannschaft – inzwischen haben fünf von ihnen den Doktortitel – durch ihr Studium, den Beruf, ihre Familien oder den Hausbau kaum mehr zu den Trainingsabenden kommen können, bevorzugen sie Online-Schach, denn das kann man auch am späten Abend machen. Das habe sie schon immer vor den Punktspielen praktiziert.“

    Forscht erklärt weiter: „So bereiten sie sich auf ihre Gegner vor, spielen deren Partien nach, die im Internet zu finden sind, und wissen dann, ob es ein ruhiger oder aggressiver Spieler ist und welche Eröffnung er bevorzugt spielt.“ Nur so könne man in hohen Ligen bestehen. „Unsere Jugend wird derzeit online von unserem Jugendleiter Uli Kapfer betreut. Er stellt dort wöchentlich Aufgaben aus den Lehrbüchern und korrigiert die Lösungen seiner Schützlinge.“ Auf der Homepage des Schachclubs www.scdillingen.de sind täglich drei Schachaufgaben zu lösen: leicht, mittel und schwierig.

    Derweil wagt Manfred Forscht einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft: „Wir sind zuversichtlich, dass nach der Krise der Trainingsbetrieb am Freitag wie gewohnt im Cafe Holzbock weitergeht.“

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