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Schwester Theresia Haselmayr war eine Pionierin der Mädchenbildung in Dillingen

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Schwester Theresia Haselmayr war eine Pionierin der Mädchenbildung in Dillingen

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    Schwester Theresia Haselmayr, wie sie von Künstlerin Nicole Oblinger gemalt wurde. Im Original ist die Franziskanerin zusammen mit Johann Evangelist Wagner abgebildet.
    Schwester Theresia Haselmayr, wie sie von Künstlerin Nicole Oblinger gemalt wurde. Im Original ist die Franziskanerin zusammen mit Johann Evangelist Wagner abgebildet. Foto: Berthold Veh (Archivbild)

    In unserer Artikelserie geht es heute um Schwester Theresia Haselmayr, die das Bildungs- und Fürsorgewesen in Bayern nachhaltig geprägt hat. Geboren 1808 als Clara Barbara Haselmayr, Tochter des Pflästerermeisters Xaver und Katharina Haselmayr, wuchs das Mädchen in bescheidenen Verhältnissen auf. 1829 trat Haselmayr in den Franziskanerinnenorden ein und nahm den Namen Theresia an – als Zeichen ihrer Dankbarkeit gegenüber Königin Therese von Bayern, die maßgeblich zur Wiedereröffnung des Dillinger Klosters beitrug. Sr. Theresia erwies sich als mutige Vordenkerin in einer Zeit, in der Mädchenbildung kaum Priorität hatte. Nach ihrer Lehrerausbildung bei den Englischen Fräulein in Günzburg legte sie den Grundstein für eine zukunftsweisende Bildungsarbeit.

    Die Handschrift von Schwester Theresia Haselmayr.
    Die Handschrift von Schwester Theresia Haselmayr. Foto: Archiv Franziskanerinnen

    Bereits 1836 wurde Schwester Theresia zur Meisterin des Klosters gewählt. Sie stand vor der Herausforderung, die Gemeinschaft, die infolge der Säkularisation auf nur noch sieben Schwestern geschrumpft war, wieder neu aufzubauen. Die Zukunft der Dillinger Franziskanerinnen schien ungewiss, doch Sr. Theresia trat der Situation entschlossen entgegen. Ihre staatliche Lehrerlaubnis ermöglichte den Beginn und Aufbau eines weitreichenden Bildungsnetzwerks. Sie setzte sich vehement für die Ausbildung von Mädchen und angehenden Lehrerinnen ein.

    Die Dillingerin erkannte, dass Bildung der Schlüssel zur Selbstbestimmung war

    Sr. Theresia war eine Pionierin der Mädchenbildung. Sie erkannte, dass Bildung der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben war. Ihre Schulen boten je nach Schulart nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen an, sondern vermittelten auch Wissen in Erdkunde, Französisch und Musik oder praktische Fähigkeiten in der Handarbeit oder pädagogischen Arbeit. Dabei gelang es ihr, religiöse Erziehung mit weltlicher Bildung zu verbinden. Sie verstand, dass ihre Schwestern nicht nur geistlich, sondern auch pädagogisch geschult sein mussten, um als Lehrerinnen wirken zu können. Das Lehrerinnenseminar in Dillingen war ein zentraler Baustein ihrer Bildungsarbeit, in dem die Schwestern auf ihre Aufgaben als Lehrkräfte vorbereitet wurden.

    Ein Ort der Ruhe und des Gebets ist die Gruft im Mutterhaus der Dillinger Franziskanerinnen. Dort wurde unter anderem auch Schwester Theresia Haselmayr beigesetzt.
    Ein Ort der Ruhe und des Gebets ist die Gruft im Mutterhaus der Dillinger Franziskanerinnen. Dort wurde unter anderem auch Schwester Theresia Haselmayr beigesetzt. Foto: Berthold Veh (Archivbild)

    Der gute Ruf der Schwestern als Lehrerinnen und Erzieherinnen verbreitete sich über Dillingen hinaus. Schon bald erreichten sie Anfragen aus verschiedenen Orten, um neue Konvente zu gründen und Schulunterricht anzubieten. Unter der Leitung von Sr. Theresia Haselmayr wuchs nicht nur die Zahl der Schwestern, sondern auch die Schulen, an denen sie tätig waren. Diese Expansion war eng mit Haselmayrs Fähigkeit verbunden, geschickt zwischen den Anforderungen von Kirche und Staat zu vermitteln. Sie erkannte früh, dass Bildung der Schlüssel zu einer besseren Zukunft war – für Einzelne wie für ganze Gemeinschaften.

    Ein bedeutender Meilenstein im Wirken von Sr. Theresia Haselmayr war die Gründung der seinerzeit genannten „Taubstummenanstalt“ in Dillingen. 1843 erhielten die Dillinger Franziskanerinnen die Anfrage, ob der Orden bereit seien, gehörlose Mädchen zu unterrichten. Der Konvent unter Leitung von Sr. Theresia erklärte sich „mit Vergnügen bereit“ und gründete eine der ersten Schulen für gehörlose Kinder in Bayern. Diese Einrichtung spiegelte ihr tiefes Mitgefühl für benachteiligte Kinder wider. Für Sr. Theresia bedeutete Bildung nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch die Förderung und Integration von Kindern, die am Rand der Gesellschaft standen.

    Sie verband Frömmigkeit mit einem klaren Realitätssinn

    Sr. Theresia Haselmayr war eine Frau, die Frömmigkeit mit einem klaren Realitätssinn verband. Sie war auch eine entschlossene Verwalterin, die jede Entscheidung im Dialog mit ihren Schwestern besprach. Sie plante weitsichtig und sorgte sich sowohl um das geistliche Wohl als auch um die praktischen Belange der ihr anvertrauten Schwestern. Damit schwamm sie oft gegen den Strom der Zeit. Dies machte sie zu einer anerkannten Führungspersönlichkeit sowohl innerhalb der Kirche als auch in weltlichen Kreisen. Sie verhandelte erfolgreich mit König Ludwig I. und den bayerischen Behörden, um den Fortbestand des Dillinger Klosters und die Bildungsarbeit der Franziskanerinnen zu sichern. Dabei bewies sie nicht nur diplomatisches Geschick, sondern auch eine beeindruckende Fähigkeit, Menschen zu motivieren und für ihre Sache zu gewinnen.

    Als Sr. Theresia 1878 im Amt verstarb, hinterließ sie ein beeindruckendes Erbe. In den 42 Jahren ihrer Leitung gründete sie 19 Ordensniederlassungen, in denen 324 Schwestern im Dienst der Bildung standen. Noch heute existieren Schulen in Städten, etwa in Volkach, die auf ihr Engagement zurückgehen. Besonders in Dillingen prägten die Schwestern unter ihrer Führung die Bildungslandschaft nachhaltig: Sie leiteten einen Kindergarten, eine Grundschule für Mädchen, eine weiterführende „Töchterschule“, eine Schule für gehörlose Mädchen, eine Berufsschule für junge Frauen sowie eine Lehrerinnenbildungsanstalt. Dies stärkte nicht nur den Dillinger Franziskanerinnenorden, sondern öffnete vor allem Mädchen und jungen Frauen Bildungswege, die ihnen bis dahin oft verschlossen geblieben waren. Das franziskanische Leitbild der Dillinger Schwestern prägt die noch heute existierenden St. Bonaventura-Schulen bis heute.

    Sr. Theresias vorausschauende Führung half dem Dillinger Konvent, sich nach den schweren Einschnitten der Säkularisation neu zu positionieren. Gleichzeitig setzte sie Maßstäbe für die Bildung ganzer Generationen von Mädchen, denen sie durch ihre Arbeit den Weg zu einem selbstbestimmten Leben ebnete. Mit ihrem Mut, gegen den Strom zu schwimmen, und ihrem Engagement bewirkte sie tiefgreifende Veränderungen – nicht nur für den Orden, sondern auch für die Entwicklung der Bildung und Fürsorge in der Region.

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