In unserer Serie „Mutige Frauen prägen das Bildungswesen“ geht es heute um eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die mit ihrer Tatkraft und Hingabe das Schulwesen in Dillingen maßgeblich beeinflusste: Schwester Angelina Egger gehört zu den Frauen, die in einer Zeit, in der Bildung für Mädchen kaum eine Rolle spielte, Pionierarbeit leisteten. Sie formte nicht nur das Schulwesen in Dillingen, sondern prägte auch die Geschichte der Dillinger Franziskanerinnen und der Mädchenbildung in Bayerisch-Schwaben.
Als Victoria Egger wurde sie 1715 in einfachen Verhältnissen als Tochter von Mathias und Maria Egger, Wirtsleute in Graben bei Augsburg, geboren. Mit 20 Jahren entschied sie sich für ein Leben im Glauben und trat 1735 als „Sr. M. Angelina“ in das Kloster der Dillinger Franziskanerinnen ein. Im August 1736 legte sie ihre Profess ab und übernahm bald darauf immer mehr Verantwortung innerhalb des Ordens. Ihre Entschlossenheit, gepaart mit organisatorischem Geschick, führte dazu, dass sie 1768 zur Meisterin des Klosters gewählt wurde. Damit war sie nicht nur geistliche Leiterin, sondern auch verantwortlich für die weltlichen Belange der Gemeinschaft. Als Vorsteherin einer 20 Schwestern umfassenden Gemeinschaft lenkte Schwester Angelina Egger das Kloster in einer Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen.
1774 erhielten die Franziskanerinnen den Auftrag, eine Normalschule für Mädchen zu gründen
1774 trat Fürstbischof Clemens Wenzeslaus von Augsburg und Trier an die Dillinger Franziskanerinnen heran mit dem Auftrag, eine Normalschule für Mädchen zu gründen. Das war kein leichtes Unterfangen. Es fehlte an Ressourcen, und auch die Schwestern selbst waren anfangs nicht begeistert von der neuen Aufgabe. Doch Sr. Angelina Egger erkannte schnell die Bedeutung dieser Chance und nahm, zusammen mit ihren Schwestern, die Herausforderung an. Mit ihrer tatkräftigen Art organisierte sie den Aufbau der Schule und kümmerte sich persönlich um die Ausbildung der Mädchen. In ihren Aufzeichnungen hielt sie anlässlich der Eröffnung der Schule fest: „Die neue Schule haben wir zur Ehre Gottes erbaut dem Schutz Mariä anvertraut. Sie wird daher, wenigsten von uns, ‚Unsere liebe Frauen Schule‘ genannt.“
Mit ihrer pragmatischen Herangehensweise wusste sie genau, wie wichtig es war, geeignete Lehrerinnen für die neue Schule zu gewinnen. Vier Chorfrauen – Sr. Xaveria Eberle, Sr. Clementia Molitor, Sr. Bernhardina Ruck und Sr. Aloysia Eglinger – stellten sich bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Gemeinsam mit ihnen legte Sr. Angelina Egger den Grundstein für eine solide Mädchenbildung in Dillingen. Sie erkannte früh, dass Bildung mehr sein musste als reine Wissensvermittlung. Neben dem klassischen Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen legte sie großen Wert auf die Vermittlung praktischer Fähigkeiten, die den Mädchen im Alltag helfen sollten, wie Haushaltsführung und religiöse Erziehung.
Neben der spirituellen und pädagogischen Arbeit widmete sich Egger auch den praktischen Herausforderungen des Schulbetriebs. 1782 entschied sie, ein kleines Gästehaus des Klosters in zusätzliche Klassenzimmer umzubauen – ohne expliziten Auftrag, allein aus dem Bedürfnis heraus, den Schülerinnen bessere Bedingungen zu bieten. Das Kloster finanzierte den Umbau aus eigenen Mitteln. Damit bewies sie nicht nur Mut, sondern auch ein tiefes Verantwortungsbewusstsein für die Bildung und das Wohl der Mädchen. Unter ihrer Leitung wurden nicht nur die Kinder der Dillinger Bildungsbürger unterrichtet, sondern auch mittellose Waisenkinder und Kinder aus ärmeren Verhältnissen. Ihr Einsatz blieb nicht unbemerkt. Im Januar 1786 würdigte der Dillinger Stadtmagistrat das Engagement der Franziskanerinnen und stellte fest: „daß allenthalben in allen Staaten der allgemeine Satz angenommen ist, daß die Klöster überhaubts, wie ein jeder anderer in dem Staat sich durch ihre Verwendungen demselben nützlich machen.“
Nach den fortschrittlichen Methoden des Schulreformers Joseph Anton Schneller
Sr. Angelina Egger selbst legte großen Wert darauf, dass die Ausbildung der Lehrerinnen nach den fortschrittlichen Methoden des Schulreformers Joseph Anton Schneller erfolgte. Schnellers Schulordnung legte nicht nur Wert auf die Vermittlung von Wissen, sondern auch auf die Entwicklung praktischer Fähigkeiten und moralischer Werte. Diese ganzheitliche Herangehensweise an die Bildung war für die Zeit revolutionär und spiegelte ihren fortschrittlichen Geist wider. Als Sr. Angelina Egger im Mai 1784 starb, hatte sie etwas Außergewöhnliches hinterlassen: eine geregelte und anerkannte Mädchenbildung in Dillingen. Ihre Schule war ein Vorbild für andere Einrichtungen im Hochstift Augsburg geworden. Unter ihrer Leitung hatten Mädchen aus allen sozialen Schichten eine solide Ausbildung erhalten. Ihre Nachfolgerin, Sr. Bernardina Ruck, führte das Werk von Sr. Angelina Egger fort, auch in den schwierigen Zeiten der Säkularisation, als viele Klöster aufgelöst wurden. Doch die von ihr gegründete Bildungseinrichtung überdauerte und blieb ein wichtiger Pfeiler in der Bildungslandschaft.
So hat Sr. Angelina Egger nicht nur die Bildungslandschaft ihrer Zeit geprägt, sondern den Weg für viele Generationen von Mädchen geebnet. Ihr unermüdlicher Einsatz, ihre Weitsicht und ihr Mut machen sie zu einer der bedeutendsten Figuren in der Geschichte der Dillinger Franziskanerinnen. Sie war eine Frau, die es verstand, die Zukunft zu gestalten – ein echtes Vorbild für alle, die sich der Bildung und dem Gemeinwohl verschrieben haben.
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