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Nachgefragt: „Leichtsinnig dürfen wir aus meiner Sicht nicht werden“

Nachgefragt

„Leichtsinnig dürfen wir aus meiner Sicht nicht werden“

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    Dr. Manuela Michl vom Gesundheitsamt Dillingen.
    Dr. Manuela Michl vom Gesundheitsamt Dillingen. Foto: Landratsamt

    Ist das Tragen einer Maske sinnvoll? Was bringen die kostenlosen Tests? Diese und weitere Fragen haben wir Dr. Manuela Michl vom Gesundheitsamt Dillingen gestellt.

    Denken Sie, dass man in den vergangenen Wochen die Schulen wieder hätte öffnen können?

    Aus meiner Sicht ist es sehr schwierig, hier eine Lösung zu finden, mit der alle gleich glücklich sind. Rein medizinisch gesehen ist es uns hier in Deutschland gelungen, durch effektive Nachverfolgung der Infektionsketten und gewisse Regeln, Vorgaben und Gesetze die Zahlen der Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 so zu senken, dass wir keine Überlastung unserer Gesundheitsversorgung haben. Erst danach war es möglich, schrittweise Lockerungen zuzulassen. Welche Rolle Kinder bei der Übertragung spielen, ist nicht endgültig geklärt; zu diesem Thema werden aktuell einige Studien durchgeführt. Es gibt mehrere Studien, die zu teilweise unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Symptome scheinen die Kinder seltener zu haben, vermutlich sind sie aber genauso ansteckend wie Erwachsene. Hier muss also sorgfältig zwischen einem möglichen Infektionsrisiko und sozialen Faktoren (Präsenzunterricht versus „Homeschooling“, soziale Kontakte, Sicherung der Betreuung der Kinder bei berufstätigen Eltern und viele mehr) abgewogen werden. Der Unterricht in geteilten Klassen und ein dementsprechendes Hygienekonzept war eine Möglichkeit, diesen Balanceakt zu realisieren. Langfristig wird es umsetzbare Konzepte geben (müssen), wie je nach Infektionsgeschehen der Unterricht gestaltet wird.

    Besteht das Risiko einer zweiter Welle beziehungsweise eines zweiten Lockdowns?

    Das Risiko für eine zweite Welle besteht, das Virus ist ja weiterhin vorhanden. Aktuell haben wir aber weitgehend niedrige Infektionszahlen in Deutschland, ausreichend Testkapazitäten und somit gute Möglichkeiten der Unterbrechung von Infektionsketten. Leichtsinnig dürfen wir aus meiner Sicht trotzdem nicht werden. Ob es einen zweiten kompletten Lockdown geben wird, kann ich nicht einschätzen. Ich persönlich könnte mir gut vorstellen, dass man mit regional eingesetzten Maßnahmen das Infektionsgeschehen so weit im Zaum halten kann, dass ein kompletter Lockdown nicht nötig sein wird.

    Ist die Maske (Mund-Nasen-Schutz) wichtig, um die Verbreitung von Covid-19 in Schach zu halten?

    Das Robert-Koch- Institut (RKI) empfiehlt das generelle Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass das Gegenüber dadurch vor feinen Tröpfchen und Partikeln mit Virusmaterial, die man ausstößt, geschützt ist. Vorausgesetzt natürlich man achtet auf einen hygienisch einwandfreien Umgang mit den Masken.

    Welche Zahlen sind Ihrer Meinung nach nötig, um die Lage hinsichtlich der Epidemie richtig einschätzen zu können?

    Aktuell ist es aus meiner Sicht für uns im Gesundheitsamt sinnvoll, die regionalen Zahlen im Blick zu haben: Wir registrieren und melden unter anderem die Zahl der Neuinfektionen und die 7-Tage-Inzidenz. Zusätzlich müssen wir bei Anstieg der Infektionszahlen auch einen Blick auf eine lokale Häufung im Landkreis haben. Ebenso sind eventuelle Infektionszahlen in Einrichtungen mit besonders gefährdeten Personen oder Kliniken wichtig, sodass hier eine Infektionskette gar nicht erst entstehen kann. Die Einschätzung der Infektionszahlen und Lage hinsichtlich der Epidemie in Deutschland im Gesamten wird unter anderem von Fachleuten und Experten im RKI vorgenommen.

    Jetzt gibt es in Bayern die kostenlosen Tests. Wird bei mehr Tests nicht automatisch die Zahl der Infizierten nach oben getrieben?

    Aktuell hat theoretisch jeder Bürger in Bayern die Möglichkeit, sich kostenlos testen zu lassen. Viele ärztliche Kollegen haben in letzter Zeit zurückgemeldet und damit auch unseren Eindruck bestätigt, dass die meisten Menschen vor einem Test gerne eine Beratung in Anspruch nehmen und wenig „ins Blaue“ getestet wird. Viele Tests werden anlassbezogen durchgeführt (zum Beispiel bei coronatypischen Symptomen oder wenn Personen einen mehr oder weniger engen Kontakt zu positiv-getesteten Menschen hatten). Durch fachlich sinnvolles Einsetzen der Tests, können hier schnell asymptomatische, aber trotzdem ansteckende Personen entdeckt werden. Je mehr Tests, desto wahrscheinlicher sind auch mehr positive Ergebnisse. Tatsächlich musste die Testkapazität aber ausgebaut werden, um eben schnell und zielführend Infektionsketten zu erkennen und zu unterbrechen.

    Warum sind Ihrer Meinung nach in Italien die Zahlen der Corona-Todesfälle um so viel höher als in Deutschland?

    Hier scheinen mehrere Faktoren eine Rolle zu spielen. Einer davon könnte die Anzahl der Tests sein: in Deutschland wurde wohl zu Beginn deutlich mehr als in Italien getestet, sodass Infizierte schneller erkannt wurden.

    Warum ging man in Wertingen an der Mittelschule von einem bestätigten Fall aus, obwohl das Testergebnis negativ war?

    Um eine Erkrankung als Fall einzuordnen, gibt es nach der Definition des Robert-Koch-Instituts verschiedene Kriterien: Das kann zum Beispiel ein positiver Test bei einer Person sein, die Symptome hat oder aber auch asymptomatisch ist. Ebenso wird als Fall behandelt, wenn eine Person das klinische Bild von Covid-19 zeigt und es einen sogenannten epidemiologischen Zusammenhang gibt (also Kontakt zu einem bestätigten Fall). Dies war bei der Person an der Mittelschule der Fall: Es gab Covid-19-typische Symptome und der epidemiologische Zusammenhang war vorhanden (enger Familienkontakt). Daher sind die Mitschüler als Kontaktpersonen der Kategorie I eingestuft und getestet worden – nach Vorgaben des Staatsministeriums. Die Fragen stellte Elli Höchstätter.

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