Ungewöhnlich trist kommt die „Arena“ dieser Tage daher. Das Besucherzentrum des Traktorenwerks von Same Deutz-Fahr in Lauingen hat in Zeiten der Pandemie das Nachsehen. Wo sonst 11.000 Besucher im Jahr die ausgestellten Traktoren bestaunen, herrscht zur Zeit Stille. Trotz der Desinfektionsmittelspender am Eingang und der Maskenpflicht können Groß und Klein während der Pandemie nicht wie üblich durch die Hallen wandern. Für das Interview mit Matthias Augenstein, dem CEO und Geschäftsführer für den kaufmännischen Bereich bei Same Deutz-Fahr Deutschland, Managing Director Andrea De Gaetano (zuständig für die Produktion) und Betriebsratsvorsitzendem Hubert Feistle macht der Konzern jedoch eine Ausnahme. Ein Gespräch über steigende Verkaufszahlen trotz der Krise, Millioneninvestitionen in Lauingen und die Zukunft der Landwirtschaft.
Die Pandemie traf den Traktorenhersteller mit voller Wucht: Fünf Wochen lang stand im Frühjahr 2020 die Produktion im vor vier Jahren eröffneten Deutz-Fahr-Land still. Als das Virus auch in Deutschland ankam, habe das Unternehmen schnell reagiert, wie Matthias Augenstein sagt: Neben Maskenpflicht, Temperaturmessungen, Homeoffice und Abstandsregeln wurden auch zahlreiche Berührungspunkte mit der Außenwelt, etwa bei Lieferungen, neu geregelt. SDF, so Augenstein, habe in der Hinsicht sogar früher reagiert als viele andere. „Wir waren für das Thema sehr sensibilisiert. Immerhin waren unsere Kollegen in Treviglio stark von Corona betroffen“, sagt Augenstein. Die norditalienische Stadt, wo der Konzern seinen Hauptsitz hat, liegt in der Region, wo Corona in der ersten Welle besonders verheerend gewütet hat.
Das Jahr 2020 war für Same Deutz-Fahr in Lauingen ein gutes - trotz Pandemie
Trotz der Krise und der Lieferengpässe musste am Standort in Lauingen, wo knapp 675 Menschen arbeiten, niemand entlassen werden. Auch Kurzarbeit ist seit Dezember vergangenen Jahres kein Thema mehr. Betriebsratsvorsitzender Hubert Feistle betont: „Wir konnten auch alle Leiharbeiter weiterbeschäftigen, unsere 15 Azubis übernehmen und neue einstellen. Das zeigt: Wir haben alles richtig gemacht.“
Wirtschaftlich betrachtet, sagt Augenstein, war das Jahr 2020 trotz allem ein gutes. „Wenn wir es schaffen, eine Nachfrage zu erreichen und unsere Kunden zu überzeugen, dann läuft es gut“, so der Geschäftsführer. SDF konnte seinen Marktanteil von 11,3 auf 12,2 Prozent erhöhen. Damit kommt Same Deutz-Fahr auf dem deutschen Markt direkt hinter John Deere und Fendt. Insgesamt verkaufte SDF im vergangenen Jahr 20 Prozent mehr Traktoren als 2019. Der deutsche Markt sei um zehn Prozent auf mehr als 25000 verkaufte Schlepper gewachsen.
Das hat Augenstein und De Gaetano zufolge mehrere Gründe: Zum einen werden Traktoren heute längst nicht mehr nur in der Landwirtschaft eingesetzt. Städtische Bauhöfe, Baufirmen, die Holzindustrie und sogar Feuerwehren sowie das THW nutzen die Schlepper auf unterschiedlichste Weise – auch wenn die Landwirtschaft der wichtigste Abnehmer bleibt. Zum anderen, erklärt Augenstein, hatte Corona auf die Kunden weit weniger Einfluss, als auf andere Branchen. „Wetter- und Klimaeinflüsse sind da deutlich entscheidender.“ Die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung habe den Verkauf von Traktoren zudem beflügelt. Zur Einordnung: Der neueste Schlepper der Marke Deutz-Fahr aus der Serie 8, die im vergangenen Jahr eingeführt wurde, kostet neu rund 250000 Euro Liste bei einer Leistung von 287 PS.
Für den Konzern, so der CEO, bleibt der Standort Lauingen wichtig. In der Herzogstadt werden die Hochleistungstraktoren ab 130 PS hergestellt und von dort in die ganze Welt verkauft. Mehrere tausend laufen jedes Jahr vom Band des 2017 neu eröffneten Werks, das als eines der modernsten seiner Art gilt. In den alten Hallen, wo früher auch Mähdrescher zusammengeschraubt wurden, ist heute unter anderem das Ersatzteillager des gesamten Konzerns untergebracht. Wenn irgendwo auf der Welt ein Teil eines Traktors von SDF gebraucht wird, dann kommt es sehr wahrscheinlich aus Lauingen. Gerade in der Pandemie sei das unabdingbar. „Wenn ein neuer Traktor wegen unterbrochener Lieferketten zwei Wochen später ausgeliefert wird, dann kommt er halt zwei Wochen später. Aber wenn ein Ersatzteil nicht kommt und die Arbeit stillsteht, ist das für die Landwirte ein riesen Problem.“ Der Ersatzteilhandel mache einen signifikanten Teil des Umsatzes aus.
Wo die Zukunft SDF in Lauingen hinführt
Augenstein und Betriebsrat Feistle betonen, dass der italienische Konzern den Standort Lauingen auch nach der 90-Millionen-Euro-Investition für die neuen Produktionshallen noch ausbaut. Erst im Januar habe man in einer der ehemaligen Produktionshallen eine neue Roboterschweißanlage eingeweiht, in der die Kabinen für die Schlepper selbst zusammengebaut werden. Die Kosten beliefen sich auf rund eine Million Euro. Dem Betriebsrat ist das besonders wichtig: „So eine Anlage gibt es nicht in anderen Werken unserer Gruppe. Es wird in Lauingen investiert. Das freut uns besonders.“ Außerdem erleichtere sie Absprachen in der Produktion erheblich.
Die Zukunft, auch nach Corona, sieht Augenstein im Digitalen: Schon heute können sich die meisten Schlepper autonom auf den Feldern bewegen, Saatgutmenge und ausgegebene Düngemittel für jeden Quadratzentimeter Acker genau bestimmen und die Menge an geernteten Feldfrüchten messen. Wenn an einer Stelle weniger geerntet wird, weiß die Maschine, wo sie im nächsten Jahr mehr düngen muss. Augenstein sieht darin eine wichtige Erleichterung für Bauern, die in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen wird: „Wenn der Traktor allein auf dem Feld unterwegs ist, kann sich der Landwirt in der Zeit im Büro um seine Geschäftszahlen kümmern“, erklärt er.
Und welche Rolle spielt der Umweltschutz? Der CEO erklärt, dass Kraftstoffverbrauch und Abgaswerte in der Entwicklung neuer Maschinen immer eine Rolle spielten. Die neuesten Traktoren von SDF entsprächen der europäischen Abgasstufe V. Bei der Serie 8 habe man den Kraftstoffverbrauch abermals reduziert. „Allgemein kommt man am Diesel aus meiner Sicht aber nicht vorbei“, so der CEO. Alternative Antriebsformen, wie Batterien, seien auf den tonnenschweren Traktoren aktuell nicht effizient genug – auch wenn es schon erste Vorstöße aus der Branche in diese Richtung gibt. De Gaetano nennt etwa einen E-Traktor, der acht Stunden ohne Ladung auskommt. „Das ist für die meisten Landwirte zu wenig.“ Den Auswirkungen auf die Umwelt wolle man aber dennoch begegnen, etwa durch Effizienzsteigerung.
Lesen Sie dazu den Kommentar: Mit dem Same-Konzern blüht der Landtechnik-Standort Lauingen auf
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