Waltraud Oltersdorf ist stets zur Stelle, wenn eines ihrer Kinder etwas braucht. Gerade erst hat sie die Tasse der kleinen Franziska mit Kaba nachgefüllt, da wandert die 69-Jährige weiter, um Valentina beim Brot streichen zu helfen. Die beiden Schülerinnen sind heute zum Kinderfrühstück in der Carolina-Frieß-Grundschule in Lauingen gekommen – und sie haben Hunger mitgebracht. Wurstaufschnitt, Apfelschnitze, Kirschen, Bananen, Toastbrot, Nutella, Leberwurst. Die Kinder – neben Valentina und Franziska ist heute auch Lorenz dabei – hauen ordentlich rein. Oltersdorf wie auch den beiden anderen Helferinnen zaubert das jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht. "Wir machen das halt für unsere Kinder", schwärmt sie.
Das Frühstück in "Carolina's Café" folgt einem festen Ritual: Die Kinder kommen vor Schulbeginn in den kleinen Raum in der ehemaligen Hausmeisterwohnung. Erst bezahlen sie 50 Cent, einen symbolischen Obolus. Denn: "Was nichts kostet, ist nichts wert", findet Oltersdorf. Dann darf jeder am Baum an der Wand sein persönliches Blatt stempeln. Bei zehn Stempeln gibt es ein Frühstück kostenlos. Erst danach setzen sich die Kleinen an den selbstverständlich schon gedeckten Tisch und frühstücken. Es dauert ein wenig, dann fangen die Kinder an zu ratschen, erzählen von Zuhause, von ihren Geschwistern und ihren Plänen für den Nachmittag. Es ist ein familiärer Kreis, der sich hier zusammenfindet.
Ob sie streng sind? "Nur beim Nutella"
Zweimal in der Woche bereiten Oltersorf, Rita Dill und Klara Bewig Frühstück für die Schülerinnen und Schüler der Lauinger Grundschule vor. Zwischen acht und zwölf Kinder sind meistens da. Die drei Frauen bringen Obst von Zuhause mit, kaufen Toastbrot ein, bekommen Eier gespendet. Natürlich dürfen sich die Kinder auch mal etwas wünschen, wie ein Waffel-Frühstück. Und beim Einkaufen achten die Frauen nicht nur auf den Preis, sondern auch auf den Geschmack der Kinder. Zum Beispiel kommt Käse in Stangenform besser an als in Scheiben. Ob sie auch mal streng sein müssen? "Nur beim Nutella", sagt Oltersorf. Und Rita Dill erklärt auch gleich, wieso: "Sonst würden die nur das essen." So bekommt jeder und jede nur ein Brot mit Nutella. Die Kinder haben sich daran längst gewöhnt. Nach einem zweiten Nutellabrot fragt an diesem Morgen niemand.
Vom Einkauf bis zum Abwasch: Die drei Frauen machen alles ehrenamtlich. Die Gründe dafür sind verschieden. Rita Dill etwa hat nach dem Tod ihres Mannes vor elf Jahren angefangen zu helfen. Sie sei damals angesprochen worden, dass sie jetzt ja Zeit habe. "Und das war ja auch so. Ich hatte ja Zeit", erzählt die 82-jährige Lauingerin. Oltersdorf wiederum kommt jedes Mal aus Medlingen nach Lauingen. Sie ist jetzt 13 Jahre dabei, wurde auf das Kinderfrühstück damals durch einen Zeitungsartikel aufmerksam und dachte sich: "Das ist wichtig für die Kinder, da mach' ich mit", erzählt sie.
Die Schulleiterin ist froh um das Kinderfrühstück
Die Kinder selbst sind es, die die drei Frauen motivieren. Klara Bewig gerät direkt ins Schwärmen: "Die freuen sich so, wenn es hier etwas gibt." Manchmal brächten die Grundschüler sogar kleine Geschenke als Dankeschön. Blumen aus dem Garten oder Kekse. Das sind die Momente, in denen den drei Frauen das Herz aufgeht. Die größte Aktion ist aber das Waffelbacken zweimal im Jahr. Dann verkaufen sie und andere in der Pause selbst gemachte Waffeln. "Da werden wir fast zerquetscht", scherzt Bewig. Die Einnahmen fließen wiederum in die Kasse für das Frühstück.
Um das Frühstück vorzubereiten, treffen sich die Frauen (meistens sind sie zu zweit) schon morgens um 6.30 Uhr in der Schule und bereiten alles vor. Vor allem die älteren Kinder nehmen das Angebot gern an. So wie Lorenz. Als der Bub den Raum betritt und sein Essen bezahlt, klopft ihm Oltersdorf auf die Schulter und sagt: "Das ist unser Großer." Er wechselt bald, wie viele andere auch, an eine weiterführende Schule. Dann machen die Frauen und die Schulleitung wieder Werbung, damit Kinder nachkommen.
Schulleiterin Irmgard Daub ist froh um ihre Helferinnen. Denn viele Kinder frühstückten zu Hause nichts. Und durch das Essen in "Carolina's Café" finden sich die Kinder schon vor Schulbeginn ein, kommen an, tauschen sich aus, bevor es dann in die Klassen geht. "Wir versuchen, die Kinder dazu zu erziehen, sich gesund zu ernähren", sagt Daub. Das Frühstück soll dabei helfen, ebenso wie ein Programm des Kultusministeriums, bei dem jeden Dienstag Obst geliefert wird, oder die vierteljährlich stattfindende "Gesunde Pause".
Die Frauen suchen dringend Unterstützung
Doch die Zukunft des Kinderfrühstücks an der Lauinger Grundschule ist ungewiss. Nach elf Jahren denkt Rita Dill darüber nach, aufzuhören. Das Alter mache sich bemerkbar, witzelt die 82-Jährige. Sie wolle zwar erst gehen, wenn es eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger gibt, ewig warten will sie aber auch nicht. Und nur zu zweit, sagen Oltersdorf und Bewig, werde es schwierig. In "Carolina's Café" ist man für jede Unterstützung dankbar. Deshalb suchen sie aktiv Verstärkung.
Die Kinder bekommen von alledem nur wenig mit. Sie sind vertieft in ihre Gespräche und ihr Essen auf dem Teller. Als sie kurz vor 8 Uhr fertig sind, stehen sie auf. Jeder und jede trägt brav sein Teller zur Spüle, dann flitzen sie zum Unterricht.
Wer Interesse hat, sich für das Kinderfrühstück zu engagieren, meldet sich bei der Grundschule unter Telefon 09072/953830.