Bis aus Mellrichstadt in Unterfranken sind Lilly Heurig und ihre Teamkolleginnen angereist, um sich in Lauingen mit Rettungsschwimmern aus ganz Bayern zu messen. Ein Teil der Damenmannschaft aus dem Ort nahe der thüringischen Grenze sitzt mittags in der Aula der Donau-Realschule und atmet durch. Der Theorieteil ist vorbei, nachmittags geht es an die Praxis. Das heißt: ins Wasser. Maya Fürsch, Lilly und Mia Heurig sowie Hanna Beck sind bereit. Auch wenn von den Veranstaltern betont wird, dass es hier nicht ums Gewinnen geht: Ein bisschen Ehrgeiz, sagen die Rettungsschwimmerinnen, ist schon dabei. "Wir haben von den Männern schon gehört, dass sie nicht schlecht sind", sagt Lilly und lacht. Das wecke den Ehrgeiz.
Rund 170 Wasserwachtler sind am Wochenende zum Landeswettbewerb gekommen, der heuer in Lauingen stattfindet. Dazu kommen 80 Helferinnen und Helfer. Der Parkplatz bei der Realschule ist voll mit Fahrzeugen von Wasserrettern aus ganz Bayern, im Hallenbad reihen sich die Schwimmer aneinander, auf dem Vorplatz stehen sie und messen sich im Wurfsackwerfen. Auch die Realschule selbst nehmen sie in Beschlag. In der Aula ist der Aufenthaltsbereich, in einzelnen Klassenzimmern wird Theoriewissen geprüft, die Turnhalle dient als Schlafplatz. Für Schulleiter Peter Hüttl ist es selbstverständlich, dass die Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, sagt er.
Mit Playmobil-Figuren prüfen sie das Wissen für den Ernstfall
Die Ehrenamtlichen messen sich in Theorie und Praxis. Schon erstere hat es in sich: Das Wasserwacht-Wissen muss bei jedem sitzen, sie müssen Patienten versorgen können, die Herzdruckmassage beherrschen und mit dem Defibrillator umgehen können. Den Ernstfall simulieren sie zwar hier nur an einer Puppe. Wenn die Teilnehmerin im Klassenraum kniend aber "Hände weg vom Patienten" schreit, als der Übungs-Defi anspringt, klingt es doch nach Ernstfall.
Einen Raum weiter ist auf einem Tisch eine Landschaft aufgebaut. Ein See in der Mitte, Playmobil-Figuren (der Spielzeughersteller bietet ja Sets aus der Welt der Wasserwacht an) stehen drumherum. Bei dieser Prüfung geht es ums richtige Vorgehen: Die Teilnehmer bekommen Aufgaben gestellt und sollen anhand der Figuren vorführen, wie sie im Ernstfall handeln. Im Beispiel bricht ein Mensch im gefrorenen See ein, der Prüfling schickt die Spielzeugfiguren zu einer Leiter, die in der Nähe liegt, lässt Knoten machen und legt die Leiter aufs Eis. So – zusammengefasst – rettet er dem Plastikmenschen das Leben. In einem anderen Beispiel ist Sommer und ein Kind droht zu ertrinken. Hier rückt das Boot an, oder wahlweise ein Surfboard. So würde das am Auwaldsee in Lauingen ablaufen, wie Markus Stuhler erklärt. Er macht dort seit 30 Jahren Wachdienst. Ernste Rettungseinsätze wie im Beispiel kämen glücklicherweise nur alle fünf bis zehn Jahre vor. Hitzeschläge, Kreislaufprobleme, Bienenstiche stehen eher an der Tagesordnung. Trotzdem gilt: "Man braucht ein eingespieltes Team", so der Vorsitzende der Lauinger Ortsgruppe. Für den Ernstfall müsse man vorbereitet sein.
Nebenan im Schwimmbad geht's deutlich lauter zu. Dort geht es um den sportlichen Aspekt des Ehrenamts. Entsprechend lautstark feuern sich alle an. In sechs Disziplinen messen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – es sind übrigens mehr Frauen- als Männerstaffeln angemeldet. Die Retterinnen und Retter müssen tauchen und Gewichte hochholen, mit Rettungsmitteln wie Bojen und Gurten umgehen oder eine Bahn schwimmen, eine Person retten und sich dann an einer Rettungsleine zurückziehen lassen. Und das auf Zeit, während Schiedsrichter alles genau beobachten. Hier wird deutlich, was Birgit Geier vom Landesverband der Wasserwacht immer wieder betont: "Es gibt keine Einzelsieger. Alles hier ist eine Teamleistung. Man muss als Team zusammen funktionieren." Entsprechend gehe es auch nicht um den Sieg, sondern ums gemeinsame Erlebnis, ums Zusammenkommen und sich austauschen.
Die Wasserwacht in Lauingen wird in diesem Jahr 50
Was es bedeutet, ein Team zu sein, zeigt sich beim Kleiderschwimmen: Die Teilnehmer schlüpfen in Baumwollkleidung, müssen in dieser zwei Bahnen schwimmen und die Klamotten dann im Wasser ausziehen und an Land werfen. Es soll Mannschaften geben, die Monate lang nur das Ausziehen im Wasser üben. So schwer ist das. Als eine Teilnehmerin immer wieder unter Wasser tauchen muss, weil sie die Klamotten einfach nicht vom Körper bekommt, feuert ihr Team sie noch mehr an. Erschöpft und sichtlich enttäuscht steigt sie schließlich aus dem Wasser, ohne die Baumwollsachen. Dann stehen alle bereit und spenden Trost. Stuhler sagt beim Rundgang, an dem unter anderem Bürgermeisterin Katja Müller und Bundestagsabgeordneter Ulrich Lange teilnehmen: "Ich empfehle jedem, das mal zu machen. Nach 50 Metern in den Klamotten weiß man, was man getan hat."
Der Landeswettbewerb in Lauingen ist der Erste in Bayern seit fünf Jahren. Eigentlich hätte er schon 2020 in der Herzogstadt stattfinden sollen, doch dann kam Corona. Für die Ortsgruppe Lauingen passt es in diesem Jahr aber auch gut, denn sie feiert 50-jähriges Jubiläum. Laut Stuhler ist dieses Wochenende der Höhepunkt des Jubiläumsjahrs.
Maya, Lilly, Mia und Hanna von der Damenmannschaft aus Mellrichstadt finden es spannend, von anderen Ortsgruppen zu lernen, die beispielsweise an Badeseen tätig sind. Denn in Mellrichstadt gebe es keinen See mit Wachdienst. Sie seien vor allem im Schwimmbad im Einsatz. Und das theoretische Wissen aufzufrischen schade auch nicht, erzählen sie.
Sie freuen sich zur Wettkampfhalbzeit schon auf den Abend, wenn alle 250 Gäste und Helfer zusammenkommen und sie sich noch mehr mit anderen Wasserwachten austauschen und feiern können. Nach einem Tag voller Wettkämpfe am Land und im Wasser könnte man meinen, abends sei die Luft raus. Markus Stuhler aber entgegnet nur: "Wasserwachtler sind zäh."