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Lauingen/Minneapolis: Wie eine Lauingerin die Proteste in den USA erlebt

Lauingen/Minneapolis

Wie eine Lauingerin die Proteste in den USA erlebt

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    Jasmin Quiggle aus Lauingen lebt bei Minneapolis und bekommt die Proteste dort nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd mit.
    Jasmin Quiggle aus Lauingen lebt bei Minneapolis und bekommt die Proteste dort nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd mit. Foto: Brett Quiggle

    Supermärkte, Restaurants und einfache Geschäfte stehen in Flammen. Die Polizei antwortet mit Tränengas und Gummigeschossen. Seit knapp zwei Wochen gehen die Bilder der Proteste nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd durch einen Polizisten durch die Medien. Aus deutscher Sicht ist das alles sehr weit weg. Doch Jasmin Quiggle erlebt die Proteste aus nächster Nähe. Seit sieben Jahren lebt die Lauingerin nahe der Großstadt St. Paul, 30 Minuten von Minneapolis entfernt, wo die Ausschreitungen begannen.

    In Minneapolis demonstrieren seit dem Tod von George Floyd viele Menschen.
    In Minneapolis demonstrieren seit dem Tod von George Floyd viele Menschen. Foto: Brett Quiggle

    In den vergangenen Jahren seien in den USA immer wieder Afroamerikaner durch Polizeigewalt umgekommen, Proteste gab es auch. Doch so, wie jetzt, sei es noch nie gewesen. Quiggle selbst lebt etwas außerhalb, die Krawalle habe sie glücklicherweise nicht unmittelbar erlebt – dafür aber das, was danach passierte: In St. Paul, der Hauptstadt des Bundesstaats Minnesota, seien viele Geschäfte und Restaurants von den Besitzern verbarrikadiert worden, oft schrieben sie Sätze wie „Dieser Laden gehört einer Minderheit“ auf die Fassaden, damit sich die Wut der Demonstranten nicht auf sie richtet, erzählt Quiggle. Und auch das erlebte die 33-Jährige aus nächster Nähe: wie die Nationalgarde in die Stadt kam, Straßenzüge absperrte und sich vor dem Kapitol positionierte – bewaffnet und mit Militärfahrzeugen. „Das war erschreckend“, sagt die Lauingerin, die seit zwei Jahren die amerikanische Staatsbürgerschaft innehat.

    Jasmin Quiggle
    Jasmin Quiggle Foto: Brett Quiggle

    Doch die 33-Jährige, von Beruf Staatsanwältin, betont auch, dass die meisten Demonstrationen friedlich verlaufen würden. Die Lage an sich bleibe jedoch angespannt. Aus ihrer Sicht erleben die USA tatsächlich die oft attestierte Spaltung: „Hier ist alles politisch. Es gibt nur Konservative oder Liberale.“ Gerade jetzt bemerke sie das besonders: „Selbst wir vor Ort bekommen sehr unterschiedliche Informationen.“ Zu Beginn der Ausschreitungen, erzählt sie, hätten US-Medien etwa verbreitet, dass die Krawallmacher extra nach Minneapolis gekommen wären, um die Stimmung anzuheizen. „Es hat sich dann aber herausgestellt, dass das gar nicht stimmt.“

    Angst habe sie nicht, dafür lebt Quiggle mit ihrem Mann zu weit vom Ort des Geschehens entfernt. „Mich macht aber sauer, wie unser Bundesstaat reagiert. Hier wird Polizeigewalt mit mehr Polizeigewalt beantwortet“, sagt sie mit Blick auf die Videos von Polizisten, die mit Gummigeschossen auf Demonstranten schossen.

    "Die Menschen gehen schon lange auf die Straße"

    Allgemein gehe die Polizei in den USA rabiater vor als etwa in Deutschland. Und Afroamerikaner seien da oft benachteiligt, so ihr Eindruck. Das belegen auch Zahlen: Auf eine Million Einwohner gerechnet werden in den USA 30 Schwarze durch Polizisten getötet – und zwölf Weiße. Dabei machen Afroamerikaner rund 13 Prozent an der Gesamtbevölkerung aus.

    Auch Quiggle erzählt von Bekannten, die schon von Polizeigewalt betroffen waren. Sie selbst habe das aber noch nie erlebt. „Aber ich bin jung, eine Frau, 1,60 Meter groß und weiß.“ Dass die Lage irgendwann eskalieren würde, damit hat die Lauingerin schon länger gerechnet, sagt sie. Und teilweise verstehe sie sogar, wieso viele ihrem Zorn freien Lauf lassen: „Die Menschen gehen schon lange auf die Straße und demonstrieren friedlich gegen diese Ungleichheit. Aber es ist eben wenig passiert. Irgendwann ist die Wut zu groß und sie entlädt sich.“

    "Die Amerikaner sind einfach anders"

    Jasmin Quiggle
    Jasmin Quiggle

    Quiggle selbst findet das alles „einfach furchtbar“. Ihre Fassungslosigkeit ist ihr ein Stück weit anzusehen. „Als Deutsche kann man da oft nur den Kopf schütteln. Aber die Amerikaner sind einfach anders.“ Eigenschaften wie Mitleid und Nächstenliebe, die in Deutschland weitestgehend normal sind, würden in den USA anders gesehen. „Wir können uns das nicht vorstellen.“ Die Lauingerin und ihre Familie bleiben zur Zeit übrigens weitestgehend zuhause. Nicht nur wegen der Proteste. „Corona gibt es auch noch. Eigentlich herrschen Ausgangssperren.“

    Langsam nehmen ihrem Eindruck nach auch die Ausschreitungen wieder ab, die Lage beruhige sich.

    „Denen blieb aber auch nichts anderes übrig, nachdem das Feuer auf sie eröffnet wurde.“ Die große Mehrheit der aktuellen Demonstrationen verlaufe friedlich. Ob das aus ihrer Sicht etwas bringt? „Im Kleinen. Es wird schon reagiert. Aber der Rassismus bleibt ein kulturelles Problem.“ Sie hofft, dass die Lehren aus den Geschehnissen in Minneapolis nicht im Sande verlaufen.

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