Inmitten von Beton und Asphalt ragt im Hof der Lauinger Grundschule ein Baum in die Höhe. Der steht dort seit Jahrzehnten, spendet Schatten im Sommer, kühlt die Umgebung. Die Kinder, erzählt Sebastian Miller, lieben diese Linde, spielen oft unter ihr. „Das ist ein richtig schöner Baum“, findet der Familienvater. Eigentlich sollte er gefällt werden, um Platz für Container zu schaffen, in denen Kinder unterrichtet werden. Zwischenzeitlich hatte sich die Sache zu einem waschechten Politikum hochgekocht: Es gab Briefe von Eltern, eine Plakataktion von Schülern, Gespräche im Stadtrat. Jetzt, man könnte sagen in letzter Minute, gibt es eine Rolle rückwärts.
Die Geschichte um das Schicksal dieses Baums fängt viel früher an. Seit Jahren platzt die Carolina-Frieß-Grundschule aus allen Nähten. Vor fünf Jahren wurde sie von 340 Schülerinnen und Schülern besucht, ab September sind es laut Rektorin Irmgard Daub 450. Die 18 Klassenzimmer sind belegt, eine weitere Klasse kommt im Keller unter, ein Computerraum wurde aufgelöst, um mehr Platz zu schaffen. Ab nächstem Schuljahr kommt noch eine Klasse drauf. Daub sagt: „Wir brauchen einfach Platz im Schulhaus.“ Deshalb sollten, bis zum geplanten Neubau, Container als Übergangslösung herhalten. Im Hof der Schule haben die Verantwortlichen den vermeintlich besten Platz dafür ausfindig gemacht. Der Baum hätte dafür weichen müssen, zum Ärger vieler Eltern.
Ohne den Baum sehe der Hof aus „wie ein Gefängnis“
Tage vor der Rolle rückwärts wendet sich Sebastian Miller an unsere Redaktion. Er spricht von einer „planlosen Herangehensweise“. Ohne den Baum sehe der Hof „rein optisch aus wie ein Gefängnis“. Max Manßhardt, Mitglied im Elternbeirat, spricht wiederum von einer „Betonwüste“. „Ich dachte, man hat inzwischen gelernt, dass man Bäume nicht einfach rausmacht“, sagt er. Auch von anderen Bürgern aus Lauingen hört man Klagen. Zu hören ist auch, dass einige Eltern die Fraktionen im Stadtrat wegen des Baums angeschrieben haben.
Zu diesem Zeitpunkt gilt die Fällung des Baums bei den Verantwortlichen noch als alternativlos. Schulleiterin Daub sagt in einem Gespräch am Dienstag: „Lieber das ganze Jahr ein Dach über dem Kopf als Schatten im Sommer.“ Ihr liege der Baum auch sehr am Herzen, die Entscheidung sei niemandem leichtgefallen. Doch es gebe keinen anderen Standort für die Container. Sie habe mit den Schülerinnen und Schülern auch schon eine Vereinbarung getroffen: Es sollte ein neuer Baum auf einer Grünfläche an der Stadthalle gepflanzt werden, ein großer Baum. Auch ein Sponsor war dafür schon gefunden. Laut Daub und Bürgermeisterin Katja Müller (CSU) wurden Hausmeisterräume in der Stadthalle, ein Haus an der Ludwigstraße, Räume am Albertus-Gymnasium, Flächen an der Mittelschule und auf dem Sportplatz geprüft. Doch nichts davon sei praktikabel, entweder weil der Umbauaufwand zu groß sei oder weil pädagogische Gründe dagegensprächen. Müller sagt auch: Im Zuge des Schulneubaus werde der Baum ohnehin in ein paar Jahren weichen müssen. Und es herrsche massiver Zeitdruck: Bis 10. September, Beginn des neuen Schuljahres, sollten die Container stehen. Daraus wird nun nichts.
Die neue Lösung bringt auch einige Probleme mit sich
Bereits am Mittwoch, am Tag nach der letzten Stadtratssitzung vor der Sommerpause, ist von offizieller Seite zu hören, der Baum könne doch gerettet werden. Die Lösung erklärt Müller dann am Freitagvormittag, als die letzten Entscheidungen getroffen sind: Grund- und Mittelschule hätten gemeinsam an einer Lösung mitgewirkt. Grundsätzlich gebe es in keiner der beiden Schulen ausreichend Platz. Die Schulleitung der Mittelschule stellt aber dennoch ein Klassenzimmer für die Kinder der Grundschule zur Verfügung, wird dafür im neuen Schuljahr in ihrer Schule einiges umorganisieren. Eigentlich, sagt Müller, bräuchte die Mittelschule den Raum aber selbst. Durch diese Lösung muss nur eine Klasse in den Schulhof ziehen, man braucht weniger Container, der Baum kann bleiben.
Doch diese Lösung bringt auch einige Probleme mit sich, wie Müller erklärt: Zum einen sei es ein „riesen Aufwand“, auch die Schülerinnen und Schüler müssten Abstriche in Kauf nehmen: Weil es weniger Container im Schulhof werden, gebe es keinen Mittelgang und dadurch keine Garderobe. Und die Stadt müsse einen neuen Bauantrag beim Landratsamt stellen. Bis der durch ist, werde es dauern. Bis zum 10. September werde das wahrscheinlich nichts.
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