111 Jahre: Das darf ruhig mit etwas Pathos unterstrichen werden. Die Gäste unterhalten sich angeregt, als „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss ertönt und Peter Hoffmann, Leiter der Staatlichen Berufsschule Lauingen, beginnt. Er führt zwar nicht durch eine Odyssee im Weltraum, dafür aber durch die Geschichte der Lauinger Schule, welche mit 2153 Schülerinnen und Schülern die größte des Landkreises ist.
Die 111 Jahre sind natürlich nur schöngerechnet. Der heutige Standort in der Friedrich-Ebert-Straße in Lauingen existiert seit 60 Jahren, seit 1974 ist sie eine staatliche Berufsschule, macht 110. Also wurde ein Jahr für „365 Tage ständige Entwicklung und Anpassung“ hinzugedichtet, und schon stand die Schnapszahl. „Genau richtig gemacht in der Faschingshochburg Lauingen“, lobt Landrat Markus Müller. Und auch Ministerialrätin Christine Götz-Hannemann vom bayerischen Kultusministerium freut sich über den Witz: „Ich hatte eigentlich gehofft, um 15.15 Uhr dranzukommen“, sagt sie und lacht.
Die Zahl der Sozialversicherungspflichtigen im Landkreis Dillingen hat sich in den vergangenen Jahren um 20 Prozent erhöht
Berufsbildende Schulen haben eine noch längere Tradition in Lauingen als die von Hoffmann veranschlagten 111 Jahre. 1874 wurde in Lauingen eine Abendfortbildungsschule eingeweiht, 1875 eine Tagesfortbildungsschule. Damaliger Standort ist der Salzstadel, heute ist dort ein italienisches Restaurant. Zwischen den Stationen seiner Reise durch die Vergangenheit läuft Musik, immer den gerade abgehandelten Jahrzehnten angepasst. Hoffmann und einige im Publikum wippen im Takt, als man Elvis Presley gespielt wird – der übrigens Strauss „Also Sprach Zarathustra“ jahrelang als Einlaufmusik seiner Konzerte nutzte. Doch es soll an diesem Tag nicht nur um die Vergangenheit gehen, sondern auch viel um das Jetzt.
„Man kann heute bei uns als junger Mensch nahezu alles machen und lernen“, sagt Landrat Markus Müller. Daran habe die Berufsschule Lauingen einen erheblichen Anteil. „Wir sind Zukunftsregion, weil wir solche Einrichtungen und Betriebe haben.“ So habe sich – entgegen aller Prognosen – die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Menschen im Landkreis Dillingen um etwa 20 Prozent erhöht, laut Müller auch aufgrund der dualen Ausbildung. Er warnt aber auch vor dem Demografiewandel, wenn in den kommenden Jahren viele Fachkräfte in Rente gehen. Laut Statistischem Bundesamt trifft das bis 2037 auf knapp 13 Millionen in Deutschland zu.
Elektrotechnik, Fachinformatik und umwelttechnische Berufe werden an der Staatlichen Berufsschule Lauingen immer beliebter
Götz-Hannemann vom bayerischen Kultusministerium wählt keinen klassischen Einstieg in ihre Rede. Anstatt die Schule und ihre Arbeit zu loben, fragt sie in die Runde: „Glauben sie, ich stehe wirklich hier? Bin ich real?“ Verdutzte Blicke im Publikum; die Frage wird sie erst am Ende auflösen, denn zunächst wird auch sie über den Fachkräftemangel sprechen. „Berufsschulen wie hier in Lauingen sind die Kaderschmiede für den Mittelstand.“ In Lauingen würden immer mehr Schülerinnen und Schüler zu Elektrotechnikern oder Fachinformatikern ausbilden lassen oder einen umwelttechnischen Beruf ergreifen. Bei letzteren ist die Schülerzahl in Lauingen in den vergangenen Jahren um etwa 50 Prozent gestiegen.
Zudem geht Götz-Hannemann darauf ein, dass Bayern die geringsten Jugendarbeitslosenzahl in Europa habe. „Berufsschulen spielen dabei eine wichtige Rolle.“ Und dann geht sie wieder auf ihre ursprüngliche Frage ein, denn Hoffmann hatte sie gebeten, darauf einzugehen, wie sie sich die Zukunft vorstelle. „Vielleicht sind wir mit einem Avatar hier im Raum oder lassen ChatGPT alles erledigen?“ Eine Antwort hat sie nicht, aber sie verspricht, weiter daran zu arbeiten, dass man weiter zukunftssicher durch den Schulalltag gehen könne.
Schulleiter Peter Hoffmann spricht mit ehemaligen Schülern über ihren Werdegang
Dann bittet Schulleiter Hoffmann einige (ehemalige) Schülerinnen und Schüler auf die Bühne. Sie alle haben verschiedene Wege gewählt und erzählen von ihrem Werdegang. Janika Martin berichtet von ihrer mehrwöchigen Reise mit Erasmus Plus – ein Austauschprogramm der Europäischen Union für Studierende und Azubis – nach Polen, Matu Lampe holte über das Programm Berufsschule Plus während seiner Ausbildung zum Bauzeichner sein Abitur nach. „Viele Kurse waren abends, ab und zu musste ich am Samstag eine Schulaufgabe schreiben“, erzählt er. Aber mit Feiertagen und Schulferien sei das machbar gewesen. Mittlerweile hat Lampe einen Masterabschluss und arbeitet bei einem Bauunternehmen in München.
Christian Wild, der vor 30 Jahren bei BSH eine Ausbildung zum Industriemechaniker begann, ist mittlerweile Produktionsleiter im Dillinger Werk. „Ich lerne heute mehr als damals, ich war eher einer der fauleren Sorte“, erzählt er und lacht. Seine Tochter hat in diesem Jahr eine Ausbildung zur Mechatronikerin begonnen. Natürlich besucht auch sie nun die Staatliche Berufsschule Lauingen, 30 Jahre nach ihrem Vater.
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