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Landkreis Dillingen: Was ist die Pflege eines Kindes wert?

Landkreis Dillingen

Was ist die Pflege eines Kindes wert?

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    Was ist die Pflege eines Kindes wert? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer Diskussion, die gerade im Landkreis Dillingen in einem Fall geführt wird. Einer Familie, die vier Kinder großzieht, werden Teile der Zuschüsse durch das Jugendamt gestrichen. Die Betreuung steht damit auf der Kippe.
    Was ist die Pflege eines Kindes wert? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer Diskussion, die gerade im Landkreis Dillingen in einem Fall geführt wird. Einer Familie, die vier Kinder großzieht, werden Teile der Zuschüsse durch das Jugendamt gestrichen. Die Betreuung steht damit auf der Kippe. Foto: Alexander Kaya (Symbol)

    Sechs eigene Kinder hat ein Paar groß gezogen. Als die ältesten Fünf aus dem Haus waren, entschieden sich die Eltern, die im Aschberg leben, Pflegekinder zu betreuen. Seit elf Jahren wuchs die Familie dann wieder. Inzwischen leben vier Mädchen mit dem Paar unter einem Dach. Alle vier nenen die Eltern „Mama“ und „Papa“. Doch jetzt könnte alles vorbei sein, denn die Eltern sagen: „So machen wir nicht weiter.“

    Die vier Teenager stammen aus dem Raum Nürnberg und aus dem Kreis Donau-Ries. Für die Betreuung der Kinder erhalten die Pflegeeltern einen Erziehungsbeitrag, erklärt der Vater, der in Frührente ist. Der normale Satz beläuft sich auf 350 Euro. Für zwei Geschwister bekam die Familie jeweils den erhöhten Satz von 700 Euro und für eine weitere Jugendliche 1050 Euro im Monat. Dieses Mädchen war im Alter von sechs Jahren bereits bei zwölf verschiedenen Stellen oder Pflegeeltern, zuletzt 4 Monate in der Psychiatrie in Erlangen, untergebracht gewesen. Keiner habe es damals behalten wollen. Bis vor elf Jahren der Umzug in den Landkreis Dillingen erfolgte.

    Landkreis Dillingen ist für die Jugendlichen zuständig

    Zuerst kam das Pflegegeld aus den Heimatlandkreisen. Inzwischen ist der Landkreis Dillingen zwar für alle vier Jugendlichen zuständig. Die Ausgaben werden der hiesigen Behörde aber von den anderen beiden Jugendämtern in Nürnberg und Donauwörth erstattet. Im Mai und Juni dieses Jahres hatte das sogenannte Hilfeplangespräch für zwei der drei Kinder, im Juli für das dritte Kind, für die die Eltern einen erhöhten Satz bekommen, stattgefunden. Danach entschied das Jugendamt, die Sätze zum 1. Juli und 1. September zu kürzen. Das sind insgesamt 1400 Euro pro Monat. „Wir finden es unfair, wie mit uns umgegangen wird“, klagt der Vater. Und will das auf keinen Fall hinnehmen.

    Regierungsdirektor Peter Alefeld vom Dillinger Landratsamt erklärte dazu, dass sich die Behörde nach einer Entschädigungssatzung richtet. „Manchmal fruchtet eine Erziehung und der Pflegekinderfachdienst findet, ein erhöhter Bedarf sei nicht mehr da. Dann gibt es nur noch den einfachen Satz.“ Die Pflegeeltern sagen, ja, es gibt Verbesserungen bei den Mädchen. Aber dazu auch immer wieder neue Hürden. Sei es die Pubertät. Sei es, ein Treffen mit den leiblichen Eltern, die ihre Tochter zurückwollen, was diese völlig aus der Bahn wirft. Und immer wieder würden ihre frühkindliche Erfahrungen den Jugendlichen schwer zu schaffen machen. Dennoch, so betont der Pflegevater, haben er und seine Frau die Entscheidung, fremde Kinder zu sich zu nehmen, nie bereut. Sie hatten sich ganz bewusst dafür entschieden, nachdem die eigenen fünf aus dem Haus waren und der Jüngste, der ein Handicap hat, ohnehin weiter die Betreuung der Eltern brauchte. „Wir hatten hier immer viele Kinder und sind darauf eingerichtet.“ Man habe vielleicht mit Ende 50 vielleicht nicht mehr so starke Nerven wie früher; dafür aber mehr Erfahrung.

    Versuch, eine gütliche Einigung zu finden

    Um die Entscheidung des Jugendamtes rückgängig zu machen, reichten die beiden Gutachten ein und wurden immer wieder bei der Behörde vorstellig. Als letztes Druckmittel kündigten sie im Spätsommer an, die Pflegekinder nicht weiter zu betreuen, wenn die Entscheidung nicht bis 31. Oktober zurückgenommen wird. An diesem Montag nun sollte eine neue Entscheidung über den sogenannten erzieherischen Sonderbedarf fallen. Doch auch dabei wurde keine Lösung gefunden. Regierungsdirektor Alefeld teilte danach mit, es seien die unterschiedlichen Positionen zum erzieherischen Bedarf und dem daraus resultierenden Entgelt diskutiert worden. „Die einschlägigen Unterlagen zum erzieherischen Bedarf, auf die die Familie im heutigen Gespräch Bezug genommen hat, werden vom Jugendamt bei der Familie angefordert und gesichtet. Nach Auswertung dieser Unterlagen wird in einem neuerlichen Gespräch versucht, eine gütliche Einigung zu erzielen. Bis zur weiteren Klärung verbleiben die Pflegekinder bei der Familie.“

    Ein massiver Systemfehler

    Unklar ist, ob das Jugendamt überhaupt anders entscheiden könnte. Auch dem Dillinger Kinderschutzbund wäre es wichtig, dass die Mädchen bei ihren Pflegeeltern bleiben. Die Kürzung des Geldes sieht man dort ebenfalls kritisch. „Das würde bedeuten, dass die Eltern, die sich so sehr engagiert haben, vom Staat dafür bestraft werden – obwohl doch mit der Pubertät die Anforderungen alles andere als einfach werden“, sagt eine Mitarbeiterin, die den Fall kennt. Müssten die Mädchen wieder weg, würde das einen „furchtbaren Bruch in ihrer Biografie bedeuten, von dem sie sich vielleicht nicht mehr erholen“. Den Dillinger Behörden sei aber kein Vorwurf zu machen. Die Arbeit von Pflegeeltern sei seitens des Staates nicht viel wert. Das sei ein massiver Systemfehler, der jetzt deutlich werde. Dabei müssten immer mehr Kinder von anderen Menschen betreut werden. „Aber ich weiß gar nicht, ob das Jugendamt überhaupt einen größeren Spielraum hat.“

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