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Landkreis Dillingen : „Trauernde haben eine andere Sprache“

Landkreis Dillingen

„Trauernde haben eine andere Sprache“

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    Der Dillinger Caritasverband bietet unter anderem Trauerspaziergänge an.
    Der Dillinger Caritasverband bietet unter anderem Trauerspaziergänge an. Foto: Ralf Lienert (Symbolfoto)

    Die Tage werden wieder dunkler. Der dichte Nebel lässt kaum einen Sonnenstrahl durch. Es ist nasskalt, das Wetter im Donautal löst derzeit keinen Freudensprung aus. Vielen Menschen schlägt das aufs Gemüt. Auch Ursula. Gerade ist alles zu viel, sagt sie. „Liegt bestimmt auch am Wetter“, erzählt sie und kämpft mit den Tränen. Die Trauer ist wieder präsent, es schmerzt. „Ich dachte vor wenigen Wochen wirklich, dass ich es alleine schaffe und nicht mehr kommen muss. Aber ich muss wieder kommen, ich merke es“, sagt die Frau, die aus dem Kreis Dillingen stammt, und blickt – ein wenig Hilfe suchend – zu Gerlinde Schindler-Schneller, die ihr gegenübersitzt. Von ihr bekommt sie Hilfe.

    Seit fast zwei Jahren verarbeitet Ursula, ihr Name wurde von der Redaktion verändert, den Tod ihres Mannes mit der Ehrenamtlichen der Dillinger Caritas. Und das im Grunde ganz nebenbei. Ursula nimmt an den monatlichen Trauerspaziergängen teil. „Ich war immer schon gerne an der frischen Luft und habe mich bewegt. Es tut mir gut“, erzählt die Witwe. Der ungezwungene Austausch mit Menschen, die den Schmerz der Trauer kennen, tue ihr gut. Und das Verständnis, das Zeit eben nicht immer alle Wunden heilt.

    Gelernte Altenpflegerin und gelernte Krankenschwester

    Eine, die genau weiß, was Ursula fühlt, ist eben Gerlinde Schindler-Schneller. Seit 30 Jahren ist sie im Hospizdienst aktiv, seit rund zwei Jahren in der Trauerarbeit. Für sie ist das Ehrenamt beim Dillinger Caritasverband eine Herzensangelegenheit. „Ich habe in sehr jungen Jahren meinen Mann verloren. Wenn ich damals so ein Angebot, wie etwa den Trauerspaziergang, gehabt hätte, wäre mir sehr geholfen gewesen. Ich fühlte mich sehr oft in meiner Trauer unverstanden“, erzählt die gelernte Altenpflegerin und ergänzt: „Was ich damals gebraucht hätte, gebe ich nun anderen. Das gehört zu meinem Leben und gibt mir Kraft.“ Und sie gibt Menschen wie Ursula Kraft.

    Das Team der Trauerbegleitung beim Dillinger Caritasverband (von links): Koordinatorin Sonja Unger und die beiden Ehrenamtlichen Gerlinde Schindler-Schneller und Liebgard Scholz.
    Das Team der Trauerbegleitung beim Dillinger Caritasverband (von links): Koordinatorin Sonja Unger und die beiden Ehrenamtlichen Gerlinde Schindler-Schneller und Liebgard Scholz. Foto: Simone Fritzmeier

    Es ist jetzt genau drei Jahre her, es war im Oktober 2021, als die Familie erfahren hat, dass der geliebte Ehemann und Papa an Blasenkrebs erkrankt ist. Sofort habe man alle Hebel in Bewegung gesetzt und den Kampf gegen die Krankheit aufgenommen. Im Februar 2022 hieß es sogar, dass er komplett frei von Metastasen ist. „Dann ging alles so schnell. Es ging ihm von Tag zu Tag zu schlechter, er musste gepflegt werden“, erzählt sie. Die Mittsechzigerin kümmerte sich rund um die Uhr um ihren Mann, aber es war schwer. „Dann kam ein Engel“, sagt sie und ein kleines Lächeln huscht über ihr Gesicht. Es war eine Ehrenamtliche des Hospizvereins der Dillinger Caritas. Sie hat die Stellung gehalten, wenn Ursula etwa mal einkaufen musste. Oder einfach mal Ruhe brauchte. Am 20. März ist ihr Mann gestorben. Ein Tag, der sich tief in ihre Seele gebrannt hat, sie vermisst ihren Mann sehr, das spürt man in jedem Wort. „Wir waren glücklich und ich bin einfach immer noch traurig.“

    Dieses „immer noch“ ist etwas, was sowohl Gerlinde Schindler-Schneller als auch Liebgard Scholz, die ebenfalls an diesem Tag am großen Tisch im Konferenzraum in den neuen Räumlichkeiten der Caritas Am Reitweg sitzt, nicht hören wollen. „Trauer hat keine Zeit, es ist ein Prozess. Jeder fühlt, wie er fühlt, und das ist genauso richtig“, sagt Scholz. Die gelernte Krankenschwester wollte sich ihr ganzes (Arbeits-)Leben bereits mit dem Thema Hospiz beschäftigen, mit Beginn ihrer Pension hat sie sich zur Trauerbegleiterin ausbilden lassen. Schon in Zusmarshausen hat sie ein Trauercafé aufgebaut, bei der Dillinger Caritas ist sie seit 2021. Beim Trauerspaziergang reden die Betroffenen beim Gehen in der Natur über ihre Gefühle, die von Schmerz bis Wut reichen. Das ist auch beim Lebenscafé so, nur eben an einem festen Ort zum Wohlfühlen. Es ist ein Austausch bei Kaffee und Kuchen unter Gleichgesinnten. Liebgard Scholz erklärt: „Man muss auch nicht immer reden. Man kann nur zuhören. Trauernde haben eine andere Sprache. Aber sie verstehen sich.“ Auch Witwe Ursula war nach dem Tod ihres Mannes zuerst im Lebenscafé. „Es ist eine schöne Atmosphäre, und ich habe dort erstmals erzählt. Aber ich habe dann festgestellt, dass mir der Trauerspaziergang mehr zusagt“, sagt sie.

    Alle Angebote der Dillinger Caritas sind kostenlos

    Genau deshalb, so erklärt es auch Sonja Unger, die das Treffen mit Ursula und den beiden Ehrenamtlichen organisiert hat, bietet die Caritas viele Möglichkeiten der Trauerarbeit an. Die Koordinatorin sagt: „Mit Feststellung der Diagnose geht im Grunde die Trauer schon los. Wenn der Tod eintritt, ist es plötzlich etwas Endgültiges. Wir wollen Begleiter in allen Situationen sein – von Mensch zu Mensch.“ So gibt es auch die Möglichkeit der Einzelgespräche. Etabliert und seit vielen Jahren werden aber das Lebenscafé und die Trauerspaziergänge von Betroffenen gerne angenommen. Immer wieder stoßen neue Menschen dazu, manche kommen nur einmal, andere immer wieder für eine unbestimmte Zeit. Auch da, so Sonja Unger, gibt es keinen Zeitdruck. Im Gegenteil. „Solange es guttut, ist jeder willkommen“, sagt sie. Und das alles kostenlos. Es gebe keine Regeln, es dürfe gelacht, geweint, geschrien, aber auch geschwiegen werden. „Es ist in beiden Gruppen eine geschützte Atmosphäre“, so Unger. Sowohl beim Café als auch beim Spaziergang werden jedes Mal neue Impulse für einen Gesprächsanfang gesetzt – aber alles kein Muss, sondern nur Angebote. „Es sind alle Altersgruppen vertreten und wir freuen uns, wenn noch mehr Menschen den Mut zu uns finden. Und damit auch ein Stück weit wieder zu sich“, sagt die Koordinatorin.

    Ursula hat wieder zu sich gefunden, auch wenn es schlechte Tage gibt. Die gehören dazu, das hat sie akzeptiert. Auch dank der Unterstützung von Menschen wie Gerlinde Schindler-Schneller und Liebgard Scholz. „Ich habe mich erst dort richtig in meiner Trauer verstanden gefühlt. Dafür bin ich dankbar“, sagt sie.

    Info: Das Lebenscafé findet jeden zweiten Mittwoch im Monat von 15.30 bis 17.30 im Caritas-Zentrum Am Reitweg 2 in Dillingen statt. Jeden vierten Samstag im Monat treffen sich die Ehrenamtlichen mit Betroffenen zum Trauerspaziergang. Start ist jeweils um 14 Uhr, die Strecken sind immer unterschiedlich. Wer Interesse an einem der Angebote hat – auch an Einzelgesprächen –, kann sich unverbindlich informieren. Vor einem erstmaligen Besuch wird um eine Anmeldung unter Telefon 09071/7057914 gebeten. Weitere Informationen gibt es unter www.caritas-dillingen.de oder Instagram: hospizdienstdillingen zu erfahren.

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