Startseite
Icon Pfeil nach unten
Dillingen
Icon Pfeil nach unten

Landkreis Dillingen: Tradition Nussmärtel: In Wertingen ausgestorben, in Lauingen lebendig

Landkreis Dillingen

Tradition Nussmärtel: In Wertingen ausgestorben, in Lauingen lebendig

    • |
    • |
    Jedes Jahr wieder besucht Sankt Martin den Lauinger Marktplatz gemeinsam mit ein paar Nussmärteln.
    Jedes Jahr wieder besucht Sankt Martin den Lauinger Marktplatz gemeinsam mit ein paar Nussmärteln. Foto: Erwin Freudling

    Gekleidet in einem Pelzmantel, ausgestattet mit Ketten, Schellen, einer Rute und einem Sack. Das Gesicht oft schwarz bemalt, um nicht erkannt zu werden, zieht der finstere Geselle durch die Straßen, polternd und lärmend. So erinnert sich Alfred Sigg, der ehemalige Leiter des Heimatmuseums und des Stadtarchivs Wertingen, an den Brauch, der einst im Landkreis Dillingen weitverbreitet war. Während die Tradition in manchen Gegenden weiterlebt, ist sie andernorts ausgestorben. Doch was genau hat es mit dem Nussmärtel auf sich und wo gibt es ihn noch?

    „Früher war der Nussmärtel gängiger als der Nikolaus“, sagt Sigg, der sich mit Kultur und Brauchtum in seiner Heimat auskennt. Gleichzeitig Gabengeber und Kinderschreck, tritt die Figur rund um Sankt Martin auf, quasi als dunkler Begleiter des Heiligen. So gehörte der Nussmärtel – wegen seines Pelzmantels auch als Pelzmärtel bekannt – gerade in Martinspfarreien wie Wertingen, Zusamaltheim, Pfaffenhofen und Emersacker dazu. Zurück geht der Brauch auf germanische Mythen und Sagen, wie auf der Internetseite des bayerischen Landesvereins für Heimatpflege zu lesen ist.

    Der Nussmärtel ist im Landkreis Dillingen auch als Pelzmärtel bekannt

    Alfred Sigg, Jahrgang 1942, erinnert sich noch daran, wie er selbst als Bub Respekt vor dem Nussmärtel hatte. „Er hat den Kindern Gutes und Schlechtes vorgehalten“, so der Wertinger. Wer ungezogen war, bekam durchaus Schläge mit der Rute zu spüren. „Ein gewisses Maß an Gewalt war damals in der Erziehung noch drin“, sagt der ehemalige Stadtarchivar mit Blick darauf, dass sich die Zeiten stark verändert haben. Auf der anderen Seite brachte der Nussmärtel aber auch Gaben: Neben heimischen Haselnüssen erinnert Sigg sich an kostbare Walnüsse, die in Deutschland damals noch nicht so verbreitet gewesen seien. Auch Äpfel oder hin und wieder einen Lebkuchen hatte der Pelzmärtel in seinem Sack dabei und beschenkte damit die Kinder.

    Als Sigg älter wurde, spielte er selbst oft den Pelzmärtel. Als „junger Bursche, etwa mit 20“ war er in Wertingens Straßen unterwegs und sorgte am Abend des Martinstags, wenn es schon dunkel war, für „furchtbaren Lärm“. Er und seine Freunde hätten sich oft in einer Gruppe zusammengeschlossen und seien durch die Zusamstadt gezogen, rasselnd und schellend. Doch: „Wir haben nie etwas kaputt gemacht.“ Bekannte Familien hätten sie oft eingeladen, um die Kinder zu erschrecken, quasi als Erziehungsmaßnahme für die Ungezogenen. Sigg zieht außerdem einen Vergleich mit dem Klausentreiben, das etwa im Allgäu verbreitet ist. Eine Maske trage der Pelzmärtel jedoch nicht, höchstens bemale er sein Gesicht schwarz. Oft wird die Figur auch mit langem Bart dargestellt.

    Der Nussmärtel hat nicht nur in Lauingen, sondern in der ganzen Region Bedeutung – auch, wenn er droht, in Vergessenheit zu geraten.
    Der Nussmärtel hat nicht nur in Lauingen, sondern in der ganzen Region Bedeutung – auch, wenn er droht, in Vergessenheit zu geraten. Foto: Archivbild

    Etwa in den 1960er Jahren, so Sigg, habe sich die Tradition in Wertingen dann langsam „totgelaufen“. Der Geschichtskenner sagt: „Der Brauch war mal da, doch man ist aus der Übung.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg sei die Figur des Pelzmärtels nach und nach vom Nikolaus, der erst am 6. Dezember kommt, verdrängt worden. So bietet in Wertingen die Kolpingsfamilie alljährlich eine Nikolausaktion. Hans-Peter Steppe und Fabian Braun, die für die Anmeldungen zuständig sind, bestätigen, dass der Nussmärtel in Wertingen heute keine Rolle mehr spiele. Ob es Menschen gibt, die die Tradition privat noch hochhalten, können Steppe und Sigg nicht sagen – sie wissen von niemandem.

    Währenddessen steht es in Lauingen ganz anders um den Nussmärtel. Der Kulturmarkt hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Tradition, die drohte, in Vergessenheit zu geraten, wieder stärker ins Bewusstsein zu rufen. Der ehemalige Kreisheimatpfleger Alois Sailer hat dafür eigens das Lauinger Martinsspiel geschrieben. In Zusammenarbeit mit der katholischen Stadtpfarrei St. Martin wird dieses den Kindern auf dem Lauinger Marktplatz nähergebracht. Eigentlich, so Josef Hummel vom Kulturmarkt, komme der Nussmärtel am Vorabend des Martinstags, also am 10. November. Heuer findet das Martinsspiel jedoch ausnahmsweise erst am Montag, 11. November, um 18 Uhr statt. „Die zahlreichen Besucher in den letzten Jahren zeigen doch, dass für diesen Brauch immer noch eine tiefe Verwurzelung in der Bevölkerung vorhanden ist“, sagt Hummel. Auch im Seniorenheim der Hospitalstiftung Lauingen werde der Brauch immer noch gepflegt. Er erfreue die betagten Bewohnerinnen und Bewohner jedes Mal wieder mit Erinnerungen an Kindheitstage.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden