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Landkreis Dillingen: Wie der Missbrauchsskandal die Katholiken im Kreis Dillingen belastet

Landkreis Dillingen

Wie der Missbrauchsskandal die Katholiken im Kreis Dillingen belastet

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    Der Glaube an Gott ist für viele Menschen ein wichtiger Teil ihres Lebens. Das neue Missbrauchsgutachten zieht nun eine „Bilanz des Schreckens“. Katholiken im Kreis Dillingen sind schockiert. Im Bild die Dillinger Basilika. (Symbolbild)
    Der Glaube an Gott ist für viele Menschen ein wichtiger Teil ihres Lebens. Das neue Missbrauchsgutachten zieht nun eine „Bilanz des Schreckens“. Katholiken im Kreis Dillingen sind schockiert. Im Bild die Dillinger Basilika. (Symbolbild) Foto: Karl Aumiller

    Das Münchner Missbrauchsgutachten erschüttert die Kirche. Zahlreiche Katholiken kehren ihr den Rücken, alleine beim Standesamt München wurden rund 650 Termine für Kirchenaustritte gebucht. Auch im Landkreis Dillingen gab es einige Austritte. Was bedeutet der erneute Skandal für Katholiken im

    Katholik nach Missbrauchsfällen: „Ich versuche, Glaube und Kirche zu trennen."

    An diesem Sonntag sind vereinzelt Menschen auf der gepflasterten Straße auf dem Weg zum Gottesdienst in der Basilika Sankt Peter in der Dillinger Innenstadt. Einer davon ist Robert, der lieber nur seinen Vornamen in der Zeitung lesen möchte. Ihm ist sein Glaube sehr wichtig: „Es gibt genügend Streit, Hass und Krieg auf der Welt. Die Lehre Jesus’ ist die Nächstenliebe.“

    Die Ergebnisse und die Reaktionen der Kirche auf das Missbrauchsgutachten haben den Dillinger enttäuscht. Mit anderen Gläubigen aus der Gemeinde und Bekannten hat er schon über das Thema gesprochen. Für sich selbst hat er entschieden: „Ich versuche, Glaube und Kirche zu trennen.“ Sein Bekenntnis zu Gott und die Institution Kirche sind für ihn unterschiedliche Dinge. Der Katholik fordert: „Es muss eine Veränderung stattfinden, aber das kann in der Kirche nur von oben nach unten funktionieren.“

    Frau aus Dillingen nach Missbrauchsskandal in der Kirche schockiert

    Kurz vor Gottesdienstbeginn ist auch eine Familie aus Dillingen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, auf dem Weg in die Basilika. Der Sohn wird heute als Firmling der Gemeinde vorgestellt. Der Jugendliche selbst ist etwas zu scheu, um über seine Motivation für seine Firmung zu erzählen, als ihn seine Mutter fragt. Sie wurde von ihrer Familie im katholischen Glauben erzogen. Ihr Vater sprach immer von „Gottes Bodenpersonal“. Die Frau sagt: „Mir gibt der Glaube eine Sicherheit. Er ist für mich eine große Stütze in meinem Leben.“

    Während des Gesprächs winkt sie freudig anderen Gemeindemitgliedern zu, die zum Eingang der Basilika spazieren. Mit anderen Katholiken hat sie bisher noch nicht über das Missbrauchsgutachten gesprochen. Aber die Dillingerin sagt: „Ich war sehr schockiert.“ Den Umgang der katholischen Kirche mit dem Missbrauchsskandal bezeichnet sie als „kein gutes Vorbild“, bevor sie mit ihrer Familie zum Eingang der Basilika weitergeht.

    „Warum sollten die Täter straffrei davonkommen?"

    Dort steht bereits Margit Krüger mit ihrer Tochter Viktoria, die heute ebenfalls als Firmling vorgestellt wird. Viele ihrer Freunde und Freundinnen stehen vor der Firmung. Ihre Mutter antwortet auf die Frage, was ihr der Glaube bedeute, zuerst zögernd: „Das ist heikel.“ Sie führt aus: „Ich glaube an Gott, aber ich finde nicht alles gut, was die katholische Kirche macht.“

    Die Ergebnisse des Missbrauchsgutachtens bezeichnet sie als „ganz schlimm“ und den Umgang damit seitens der Kirche als „nicht akzeptabel“. Einerseits wird Nächstenliebe gepredigt, andererseits werde so mit den Vorfällen umgegangen. Sie fragt: „Warum sollten die Täter straffrei davonkommen? Nur, weil sie in der katholischen Kirche sind?“

    Missbrauch in der katholischen Kirche: "Das ist ein Skandal."

    Ihre Tochter Viktoria kritisiert, dass den Opfern von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche Ausgleichszahlungen ermöglicht werden, aber es gleichzeitig keine strafrechtlichen Folgen für die Täter selbst gibt. Die Mutter und ihre Tochter sind sich einig, dass es „so eine Doppelmoral nicht geben sollte“.

    Den Gottesdienst in der Basilika Sankt Peter besucht an diesem Sonntag auch das Ehepaar Maier aus Kicklingen. Die Rentnerin, die lieber nicht ihren Vornamen in der Zeitung lesen möchte, geht mit ihrem Mann sonntags immer wieder in unterschiedliche Gottesdienste im Landkreis. Nach der Messe machen sie anschließend noch einen Spaziergang. Der Glaube ist für die Kirchgängerin seit ihrer Kindheit ein wichtiger Teil ihres Lebens. Über die Missbrauchsvorfälle findet sie wenige, aber deutliche Worte: „Das ist ein Skandal.“

    Sexueller Missbrauch in katholischer Kirche: fast 500 Fälle

    Untersucht wurden im Auftrag des Bistums München und Freising die Fälle sexuellen Missbrauchs von 1945 bis 2019. Das Ergebnis ist eine „Bilanz des Schreckens“, wie es die Gutachter selbst beschreiben. Sie gehen von fast 500 Opfern aus, meist Kinder und Jugendliche, meist männlich. Aktuell ist von mehr als 200 tatsächlichen oder mutmaßlichen Missbrauchstätern die Rede. Zudem wird geschätzt, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt.

    Weitere Gläubige im Landkreis Dillingen kritisieren ebenfalls die Missbrauchsvorfälle in der katholischen Kirche und fordern teilweise, dass nun gehandelt werden muss.

    Christ aus Buttenwiesen fordert Reformation der katholischen Kirche

    „Ich als gläubiger Christ bin zutiefst entsetzt und schockiert über die Machenschaften und Vertuschungsversuche der führenden Kirchenvertreter“, sagt Harald Kaaserer aus Hinterried, einem Ortsteil von Buttenwiesen. Es sei an der Zeit, die katholische Kirche grundlegend zu reformieren.

    Die Katholikin Silvia Lutz aus Binswangen war als Mädchen im Internat auf der Klosterschule Maria Stern in Augsburg. Dort habe sie keine Gewalt erfahren. Zu den Missbrauchsgutachten sagt sie: „Was diesen Kindern, aber auch Erwachsenen widerfahren ist, ist mehr als schrecklich.“ Sie fordert, dass alle Fälle des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche aufgedeckt und bestraft werden müssen. Allerdings sollten diejenigen, die heute in unseren Pfarreien vor Ort sind, nicht darunter leiden müssen.

    Mann aus Hirschbach fordert Aufklärung: "Das ist man den Opfern schuldig."

    Michael Humbauer aus Hirschbach ist ebenfalls entsetzt: „Den aktuellen Skandal in der katholischen Kirche und die damit verbundene Aufklärungspolitik empfinde ich persönlich den Opfern gegenüber als unsäglich und respektlos.“ Manche Stellungnahmen hoher kirchlicher Würdenträger könnten den Anschein vermitteln, es möchte nur so viel, wie unbedingt nötig, zugegeben werden.

    Er kann nachvollziehen, dass viele Menschen an der Glaubwürdigkeit der Stellungnahmen der katholischen Kirche und somit auch an den Verfassern zweifeln. Humbauer findet: „Das Ziel er katholischen Kirche sollte eine vollständige und lückenlose Aufklärung sein. Das ist man den Opfern schuldig.“

    Ob die Kirche den Forderungen der Gläubigen im Landkreis Dillingen und der Menschen in Bayern nachkommen wird, wird sich zeigen. Die zahlreichen Kirchenaustritte sind ein Zeichen, dass für immer mehr Mitglieder das Handeln der Institution nicht mehr mit ihren Werten und ihrem Glauben vereinbar ist.

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