Ihr Mandant habe es im Leben nicht leicht gehabt, sagt die Rechtsanwältin in ihrem Schlussplädoyer. "Er hatte eigentlich immer Probleme." Er hatte Probleme mit den Augen, war schlecht in der Schule, wog als Erwachsener zeitweise 230 Kilo. Er ist "intellektuell eingeschränkt", sagt die Verteidigerin, die den Mann auf der Anklagebank, mit dem sie verwandt ist, seit Kindheitstagen kennt. Ein Sachverständiger ging von einem IQ zwischen 80 und 90 aus. Er habe sich in den Alkohol geflüchtet. Fünf bis sechs Bier am Tag waren für ihn normal. Ohne die Unterstützung seiner Mutter, sagt sie, würde er sein Leben nicht geregelt bekommen. Dieser Mann soll jetzt, wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht, mehr als vier Jahre in Haft. Er soll versucht haben, einen anderen mit einem Hammer zu erschlagen.
Am Freitag brachten Anklage und Verteidigung in dem Prozess um versuchten Mord ihre Plädoyers vor. Nach Monaten der Verhandlung ist nur so viel sicher: Der Angeklagte wollte sich im Dezember 2021 nach einer Gartenparty mit zwei Frauen treffen. Doch die beiden sagten ihm ab, trafen sich stattdessen mit einem anderen. Der Angeklagte, der sich wohl mit einer der Frauen eine Beziehung erhoffte, war wütend und mit zwei Promille auch nicht mehr nüchtern. Er verließ die Party, packte einen Hammer ein und fuhr mit dem Taxi nach Dillingen zur Wohnung der Frau. Vor der Tür kam es zwischen ihm und dem anderen Mann zum Streit und schließlich zu einer Rangelei. Die zentrale Frage in der Hauptverhandlung war: Hatte der Angeklagte dabei den Hammer in der Hand? Und wollte er mit diesem den Kopf seines Kontrahenten einschlagen? Die Aussagen der Zeugen gehen auseinander: Die beiden Frauen wollen den Hammer nicht gesehen haben, der Geschädigte schon.
Der Angeklagte habe sich in Widersprüche verstrickt
Aus Sicht des Staatsanwalts ist klar: Die Version des Geschädigten stimmt. "Ich bin überzeugt, dass die anderen in entscheidenden Sachverhalten gelogen haben." Der Mann, der bei dem Angriff leicht verletzt wurde, habe sowohl bei der Polizei als auch vor Gericht das Gleiche erzählt, er habe eigenes Fehlverhalten eingeräumt, als er zugab, den Angeklagten ausgenutzt und "verarscht" zu haben. Denn er und seine damalige Partnerin, in die auch der Angeklagte verliebt war, hatten sich von diesem immer wieder Geld geliehen. Die Version des Geschädigten sei glaubwürdig, die des Angeklagten wiederum nicht.
Denn der hat sich nach Ansicht des Staatsanwalts in Widersprüche verstrickt: Erst hieß es, er habe den Hammer zum Schutz dabei gehabt, dann, er habe seinen Kontrahenten damit vertreiben wollen. Erst habe er behauptet, nur eine freundschaftliche Beziehung zu einer der Frauen gewollt zu haben. Dann, dass er an jenem Abend zu ihr fuhr, weil sie sich zwischen ihm und dem anderen entscheiden sollte. Im Lauf der Verhandlung, so der Staatsanwalt, habe der Angeklagte seine Aussage der Beweisaufnahme angepasst. Die beiden Zeuginnen, seien wenig glaubwürdig, widersprächen sich. Eine der beiden war überzeugt, keinen Hammer gesehen zu haben, obwohl sie die linke Körperhälfte des Angeklagten in dem Moment nicht sehen konnte. "Wenn man das glaubt, kann man auch an den Weihnachtsmann glauben", so der Staatsanwalt.
Hammer-Attacke in Dillingen: Wer ist glaubwürdig, wer nicht?
Der Angeklagte habe den anderen Mann töten wollen. In seinem Plädoyer weicht er dennoch von der ursprünglichen Anklage ab. Es liege keine Heimtücke vor. Auch könne man nicht beweisen, dass der Mann schon im Schrebergarten, als er den Hammer mitnahm, den Plan fasste, den anderen zu ermorden. Deswegen plädiert er nicht auf versuchten Mord, sondern auf versuchten Totschlag - und fordert vier Jahre und drei Monate Haft.
Rechtsanwalt Alexander Grob widerspricht. Sein Mandant habe nur ein Gespräch mit der Frau führen wollen, die ihm verheimlichte, eine Beziehung zu führen. Als dann der Geschädigte auftauchte und ihm seinen Impfpass vor die Füße warf, sei das eine erneute Demütigung gewesen. Die beiden Zeuginnen seien glaubhaft, immerhin seien sie zum Tatzeitpunkt "im Lager" des Geschädigten gewesen, nicht des Angeklagten. Die vermeintliche Attacke habe mindestens mehrere Sekunden gedauert, sie hätten den Hammer also sehen müssen, wenn der Angreifer ihn in der Hand gehalten hätte.
Der Geschädigte wiederum sei als emotionaler Mensch beschrieben worden, der zu Übertreibungen neige. Seine Aussage vor Gericht "war an Übertreibung nicht zu überbieten", so Grob. Er habe den Hammer erst später am Boden liegen sehen und den Rest dann reininterpretiert. Tatsächlich sei der Hammer nie zum Einsatz gekommen und bei der Rangelei lediglich aus der Tasche des Angeklagten gefallen. Grob plädiert schließlich auf vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und fordert 60 Tagessätze zu je 50 Euro, also eine Gesamtstrafe von 3000 Euro. Die zweite Verteidigerin, deren Namen hier zum Schutz des Angeklagten nicht genannt wird, schließt sich dem an. Sie sagt zum Schluss, vielleicht im Namen aller Angehöriger: "Ich bitte das Gericht um ein mildes Urteil." Eine Entscheidung soll kommenden Donnerstag fallen.