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Landkreis Dillingen: Prozess in Dillingen: Drei Ziegen, zwei Metzger, ein Unbekannter

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Prozess in Dillingen: Drei Ziegen, zwei Metzger, ein Unbekannter

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    Am Amtsgericht Dillingen ging es um die Frage, ob betäubungsloses Schlachten für drei Ziegen mit Schmerzen verbunden war.
    Am Amtsgericht Dillingen ging es um die Frage, ob betäubungsloses Schlachten für drei Ziegen mit Schmerzen verbunden war. Foto: Ralf Lienert

    Wer glaubt, das sei der Einstieg in einen Witz, der muss wohl länger auf die Pointe warten. Denn um drei Ziegen, einen Unbekannten und zwei Metzger ging es am vergangenen Mittwoch im Dillinger Amtsgericht, und vor Gericht geht es bekanntlich nicht sonderlich heiter zu.

    Im Sommer 2018 sind gerade zwei Lebensmittelkontrolleure des Landratsamts unterwegs im Landkreis und inspizieren dort einen Betrieb. Doch als sie aus dem Nachbarbetrieb laute Tiergeräusche hören, sehen sie nach, woher der Lärm kommt. Was sie vorfinden, endet mit einer Anklage gegen den Inhaber der Metzgerei. Nun, knapp drei Jahre später, wird in der Sache verhandelt. Denn was die Kontrolleure im Betrieb des Metzgers vorfanden und mit Fotos dokumentierten, ist in der Überzeugung der Staatsanwaltschaft ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Ein Mitarbeiter in der Metzgerei, der zunächst selbst in der Sache angeklagt war, gegen den das Verfahren jedoch eingestellt wurde, sitzt im Zeugenstand und erzählt seine Version der Geschichte.

    Sein Chef sei nicht in der Nähe gewesen, als es passierte, ein anderer sei beteiligt gewesen: „Der Chinese war auf einmal da und dann wieder weg.“ Gemeint ist ein unbekannter Mann, der drei Ziegen in der Metzgerei zum Schlachten vorbeigebracht haben soll. Dieser Mann habe auch den Tieren die Kehle durchgeschnitten, während der Mitarbeiter der Metzgerei den Ziegen den Kopf gehalten habe, so hatte es der Zeuge zumindest in einer früheren Einlassung erläutert, die Richter David Wagner verlas. Warum ein Mann mit drei Ziegen in eine Metzgerei spaziert, um diese zu schlachten, wurde nicht thematisiert. Vielmehr ging es zunächst um die Frage, ob der Chef der Metzgerei, der Angeklagte, zum Tatzeitpunkt anwesend und beteiligt gewesen ist.

    Schlachten ohne Betäubung ist verboten

    Denn laut Tierschutzgesetz ist das Schlachten ohne Betäubung, wie in diesem Fall, grundsätzlich verboten, außer man besitzt für das sogenannte Schächten eine Ausnahmegenehmigung. Etwa, weil man aus religiösen Gründen nur Fleisch von geschächteten Tieren verzehren möchte. In allen anderen Fällen gilt das Schlachten ohne Betäubung als Ordnungswidrigkeit und wird mit einer Geldstrafe geahndet.

    Bis zu drei Jahre Haft drohen jedoch in dem Fall, in dem einem Tier laut Tierschutzgesetz „lang anhaltend erhebliche Schmerzen“ zugefügt werden. Und genau um diese juristische Feinheit geht es auch in diesem Fall. Denn ob ein Tier beim betäubungslosen Schlachten nun Schmerzen leidet oder nicht, oder wie lang es dauert, bis eine Ziege nach einem Schnitt durch die Kehle das Bewusstsein und damit das Schmerzempfinden verliert, fasste der Zeuge lapidar zusammen mit den Worten: „Ich weiß nicht, ich war noch nie ein Tier.“ Dennoch seien die Ziegen ruhig gewesen, erinnert er sich.

    Leiden Tiere, wenn sie ausbluten?

    Eine differenziertere Einschätzung zu dieser Frage lieferte an diesem Tag eine Veterinärmedizinerin aus München. Sie hatte in dem Fall ein Gutachten verfasst, war nach der Schlachtung der Ziegen jedoch selbst nicht vor Ort, wie die Verteidigung des angeklagten Metzgers anmerkte. „Der Gesetzgeber hat aus gutem Grund betäubungsloses Schlachten verboten, weil das Tier erheblich leidet“, sagte die Gutachterin. „Wie lange dauert es, bis ein Tier dann tot ist?“, wollte Richter Wagner wissen. Laut der Sachverständigen hänge dies von der Art des Ausblutens ab. Höchstens dauere es wohl eine Minute. Manche Tiere verfielen jedoch gleich in einen Schockzustand, man könne also nicht bei jedem Tier feststellen, ob es Schmerzen habe. Geräusche mache jedoch kein Tier, wenn man die Kehle durchschneide, das sei rein physiologisch nicht möglich, so die Tierärztin.

    Genau auf diese unsichere Datenlage beriefen sich die beiden Verteidiger Markus Kraus und Peter Herzog. Wenn man nicht feststellen könne, dass die Tiere gelitten hätten, sei der Vorwurf an den Metzger nicht begründet. Auch allein deshalb nicht, weil nicht bewiesen werden könne, dass er an der Tat beteiligt oder überhaupt zugegen gewesen sei.

    Sogar Staatsanwältin fordert Freispruch

    Zwei weitere Zeugen, die beiden Lebensmittelkontrolleure, die den Vorfall gemeldet hatten, wurden vom Gericht hinzugezogen. Sie berichteten, dass sie, als sie die Räumlichkeiten der Metzgerei betraten, den Angeklagten antrafen, der sie mit dem Wort „Scheiße“ begrüßt habe. Einen eindeutigen Beweis für die Täterschaft des Angeklagten sahen darin weder die Staatsanwaltschaft noch der Richter. In ihrer Anklage hatte die Staatsanwältin ein mögliches Berufsverbot in den Raum gestellt, plädierte dann jedoch auf Freispruch.

    Richter Wagner folgte dieser Interpretation. „Jedem ist völlig klar, dass es verboten ist, Tiere ohne Betäubung zu schlachten, und dass das eine Schweinerei ist.“ Dennoch könne man dem Angeklagten nicht nachweisen, dass die Tiere lang anhaltend Schmerzen erlitten hätten. Er sei zwar sicher, dass dies so gewesen sei, doch aus juristischer Sicht reiche die alleinige Möglichkeit eben nicht aus. Der Metzger müsse daher freigesprochen werden.

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