Startseite
Icon Pfeil nach unten
Dillingen
Icon Pfeil nach unten

Landkreis Dillingen: Nach Sichtung des Wolfs: Schäfer im Kreis Dillingen fürchten um ihre Tiere

Landkreis Dillingen

Nach Sichtung des Wolfs: Schäfer im Kreis Dillingen fürchten um ihre Tiere

    • |
    Hobbyschäfer Andreas Korn hält in Bissingen 45 Schafe auf der Weide. „Wenn der Wolf 300 Meter in die andere Richtung gelaufen wäre, wäre er direkt an meiner Koppel vorbei“, sagt Korn. Nach dem Auftauchen des Raubtiers in Bissingen machen sich Schäfer im Landkreis Dillingen jetzt Sorgen.
    Hobbyschäfer Andreas Korn hält in Bissingen 45 Schafe auf der Weide. „Wenn der Wolf 300 Meter in die andere Richtung gelaufen wäre, wäre er direkt an meiner Koppel vorbei“, sagt Korn. Nach dem Auftauchen des Raubtiers in Bissingen machen sich Schäfer im Landkreis Dillingen jetzt Sorgen. Foto: Horst von Weitershausen

    Als Benedikt Behnle am Montag vergangener Woche hört, dass in Bissingen ein Wolf mitten durch die Gemeinde spaziert, wird er nervös. Er bespricht sich kurz mit seinen Kollegen vom Bauhof, dann macht er sich auf den Weg zu seiner Koppel, nur wenige Kilometer vom Ort der Sichtung entfernt. Seine über 100 Schafe stehen zu dem Zeitpunkt erst seit knapp einer Woche draußen. Was, wenn der junge Wolf sich unter ihnen bedient hat?

    Er weiß, was passiert, wenn ein Wolf in eine Schafherde kommt. . .

    Behnle kennt die Bilder von anderen Tierhaltern. Er weiß, was passiert, wenn ein Wolf in eine Schafherde kommt und eines der Tiere reißt. „Diesmal hat er meine Schafe nicht geholt“, erzählt er erleichtert. Trotzdem mache er sich Sorgen. „Ich habe in der Nacht kein Auge zugemacht.“ Für den 28-jährigen Unterbissinger ist die Schäferei Hobby und Passion. Seit neun Jahren kümmert er sich um seine Tiere, nahezu täglich, erzählt er, steht er mit ihnen auf der Koppel. Nach der Arbeit kommt er kurz nach Hause, isst etwas und geht dann schon wieder los zu seinen Schafen. Behnle sagt: „Es geht dabei ja nicht ums Geld, sondern um die Leidenschaft.“

    Ein Wolf lief vorigen Montag über das Gelände der Firma Vitus Rieder in Bissingen.
    Ein Wolf lief vorigen Montag über das Gelände der Firma Vitus Rieder in Bissingen. Foto: Busak

    Doch vergangene Woche haben sich für diese Leidenschaft schlagartig die Vorzeichen geändert. Was für die Tierhalter bisher eine eher abstrakte Gefahr war, wurde plötzlich real. Diesmal, sagt Behnle, habe er Glück gehabt. Doch für ihn steht fest: „Wenn der Wolf einmal in meiner Herde war, dann wird aufgehört.“ Zwar gebe es Ausgleichszahlungen vom Staat, wenn ein Schaf von einem Wolf gerissen wird. „Aber man muss sich auch anschauen, welche Folgen das psychisch für die Schafe hat.“ Die Tiere würden sich von einem Angriff so schnell nicht erholen, würden schreckhaft und nervös. Und dann sind da die Folgeschäden: Was, wenn eines der Schafe ausreißt und vor ein Auto springt? Dafür gebe es keine staatliche Hilfe.

    Der Wolf galt in Deutschland ab Mitte des 19. Jahrhunderts als ausgerottet. Heute ist er eine nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützte Art. Bereits 1984 ratifizierte Deutschland die Berner Konvention, die dem Wolf ein Lebensrecht einräumt. „Dieses leitet sich aus dem Recht aller Lebewesen ab, mit dem Menschen als Teil natürlicher Ökosysteme zu koexistieren“, heißt es dort. Und der Wolf, das betonen Wissenschaftler und Naturschützer, erfüllt in diesen Ökosystemen eine wichtige Rolle: Er reguliert Wildtierbestände und hat damit auch passiven Einfluss auf Probleme wie Verbissschäden an Pflanzen. Behnle und viele seiner Schäfer-Kollegen sagen jedoch: „Der Wolf wurde nicht ohne Grund ausgerottet.“ Man könne mit dem Raubtier schon leben. Nur gebe es jetzt schon zu viele Rudel in Deutschland.

    Doch wie viele eigentlich? Das misst die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf, kurz DBBW. Demnach wurden im Zeitraum 2019/2020 128 Rudel nachgewiesen. Der Großteil davon im Norden. In Bayern und Baden-Württemberg lebten demnach nur zwei Rudel, zwei Paare und vier territoriale Einzeltiere. Und die Schäden? Mehr als 2800 Nutztiere wurden 2019 laut DBBW in Deutschland vom Wolf verletzt oder getötet. Mehr als 80 Prozent davon waren Schafe oder Ziegen.

    "Man weiß nie, wann der Wolf kommt"

    Doch zurück zu den Schäfern. Der Unterliezheimer Rudolf Schuster kümmerte sich bis zu seiner Rente hauptberuflich um seine Tiere. Heute hält er 20 Schafe, früher waren es bis zu 350. Er hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Thema Wolf befasst, sich über Schutzmaßnahmen, Beuteschema und rechtliche Hintergründe informiert. Schuster sagt: „Man weiß nie, wann der Wolf kommt. Das hat sich jetzt wieder bewahrheitet.“ Es sei nur eine Frage der Zeit, bis wieder ein Wolf durch die Gegend streife. Der 74-Jährige fordert gar, dass das Tier ins Jagdrecht aufgenommen wird. „Über kurz oder lang werden wir uns mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Die Auffälligen müssen raus“, sagt Schuster.

    Er befürchtet sogar, dass sich Wölfe im Landkreis Dillingen heimisch fühlen könnten. Schuster verweist auf die mehr als 1000 Hektar Wald zwischen Unterliezheim, Bissingen und Dischingen: „Das kann schon sein, dass da ein Wolf mal einer potenziellen Partnerin begegnet und die sich vermehren“, sagt der ehemalige Schäfermeister.

    Nun gibt es für Schaf- und Ziegenhalter Fördermittel für Schutzmaßnahmen. Unter den richtigen Voraussetzungen werden etwa Elektrozäune, mobile Ställe und Herdenschutzhunde zu 100 Prozent gefördert. Dadurch soll der Schaden durch Wölfe reduziert werden. Doch da gibt es einige Einschränkungen: Gefördert werden nur Maßnahmen innerhalb ausgewiesener Gebiete, im Beamtendeutsch Förderkulisse genannt. Im Landkreis Dillingen liegt aktuell keine dieser Förderkulissen. Schuster betont zudem: „Die Gefahr, dass der Wolf doch mal über so einen Zaun hüpft, ist da.“ Mit Herdenschutzhunden wiederum habe man bei uns wenig Erfahrung. Und man müsse die Kosten sehen: Die Anschaffung eines Hundes werde zwar gefördert, der Unterhalt und die Erziehung jedoch nicht. Und dann ist da der Faktor Zeit: „Die Schafe müssen sich an den Hund erst mal gewöhnen. Das dauert eineinhalb Jahre.“ Und selbst dann klappe es nicht immer. Mit seinen 60 Jahren Berufserfahrung fürchtet Schuster, dass die Nachwuchssuche im ohnehin überalterten Beruf des Schäfers noch schwieriger werde, wenn der Wolf sich weiter ausbreitet.

    Viel Glück hatte am Montag Andreas Korn. Der 39-Jährige hält seine 45 Schafe in Bissingen. „Wenn der Wolf 300 Meter in die andere Richtung gelaufen wäre, wäre er direkt an meiner Koppel vorbei“, sagt der Hobby-Schäfer. Er habe nach der Sichtung gleich das Landratsamt angerufen, dort aber nur wenig Informationen erhalten. Seine Schafe brachte er deshalb auf einige Feldstücke, die näher an seinem Hof sind – in der Hoffnung, dass der Wolf dort nicht hinkommt. Nachts kommen seine Tiere jetzt in den Stall.

    Korn ist stolz auf seine aktuelle Herde, vor allem, weil sie ihm so gut gehorche. „Aber wenn der Wolf kommt, ist das vorbei“, sagt er. Er hoffe jedoch, dass das Tier, das am Montag gesehen wurde, schon weitergezogen ist – und dass sich der Wolf in der Region nicht niederlässt. „Dafür sind wir auch zu dicht besiedelt“, sagt er. Vonseiten der Politik und der Behörden erwarte er sich jetzt Vorschläge, wie es weitergehen soll. Das Landratsamt hat zumindest schon eine Online-Schulung für Tierhalter angekündigt.

    Die Schafe sind jetzt nachts eingesperrt

    Doch nicht alle Hobby-Schäfer im Kreis sehen im Wolf eine Gefahr. Jonas Ziegler hält in Rieblingen vier Tiere. Er sagt: „Die größte Umstellung haben jetzt die Schafe.“ Denn auch sie seien jetzt nachts eingesperrt. Ziegler sagt, er habe die Nachricht der Wolfssichtung im ersten Moment positiv aufgenommen. „Ich sehe das entspannt, aber bei mir ist das auch nur ein Hobby. Bei Leuten, deren Existenzen dranhängen, ist das was anderes.“

    Lesen Sie auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden