Mit 15 Jahren Auto fahren? Was vor einiger Zeit noch undenkbar war, versprechen jetzt die Hersteller kleiner Fahrzeuge, die zwar wie ihre größeren Vorbilder Dach, vier Räder und Lenkrad vorweisen können, allerdings auf 45 Kilometer pro Stunde gedrosselt sind. Voraussetzung ist ein AM-Führerschein, der eigentlich für 50-Kubik-Roller existiert. Aber handelt es sich wirklich um vollwertige Autos, die nur ein bisschen langsamer sind?
Isabel Ritter aus Untermedlingen ist seit kurzem stolze Besitzerin eines solchen Gefährts. Nach dem Abschluss der Mittleren Reife möchte sie das Abitur an einem Gymnasium in Heidenheim nachholen. „Mit Zug und Bus ist das bei uns ein bisschen komplizierter“, sagt die 15-Jährige. Ihre Mutter könne sie nicht jeden Tag fahren. „Deshalb haben wir dann gesagt, ich mache den Führerschein.“ Sie sei nach ihrer Prüfung auf dem Roller „schnell reingekommen“, sagt die Schülerin, jetzt macht es sogar Spaß“.
Lauinger Fahrschullehrer sieht Vor- und Nachteile
Andreas Renner von der gleichnamigen Fahrschule in Lauingen und Gundelfingen kann verstehen, dass 45-km/h-Autos für bestimmte Zielgruppen interessant sein können. „Wenn Jugendliche trotz Regen trocken ankommen wollen, dann ist das super“, sagt er. Gleichzeitig sieht er eine Gefahr in deren Geschwindigkeit: „Das sind Verkehrshindernisse.“ Auch laut dem Bezirksverband Schwaben des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) berge die begrenzte Geschwindigkeit der Leichtmobile ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko, so Sprecher Karl Aumiller. Da diese Fahrzeuge optisch „normalen Kleinautos“ ähnelten, falle es anderen Autofahrern laut BKV außerorts und besonders in der Dunkelheit schwer, das Tempo richtig einzuschätzen.
Isabel Ritter sei vor allem aufgefallen, dass sich manchmal mehrere Autos auf der Landstraße hinter ihr einreihten. „Am Anfang hab ich immer gedacht, ich müsse schneller fahren. Aber das geht ja nicht.“ Sie habe sich jedoch mittlerweile daran gewöhnt. Und: „Gehupt hat bisher noch niemand“, sagt die junge Fahrerin. Alles in allem sagt die 15-Jährige: „Einfach allein, ohne Eltern, wo hinzufahren, das ist schon ein Gefühl von Freiheit.“ Trotzdem möchte sie schnellstmöglich den Führerschein für ein „richtiges“ Auto machen.
Mopedautos hinken beim Thema Sicherheit hinter regulären Autos her
Im Gegensatz zu regulären Autos unterliegen die Leichtkraftfahrzeuge keinen gesetzlichen Sicherheitsanforderungen beim Thema Crashsicherheit. Der ADAC schreibt ebenfalls von Nachteilen in der Sicherheit, etwa wegen fehlender Sicherheitsmechanismen wie ABS, ESP und auch Airbags, obwohl sogar die günstigsten Modelle der Mini-Autos neu erst ab etwa 8000 Euro zu haben sind. Der Vergleich wird vom Automobilclub allerdings nicht mit dem motorisierten Zweirad, sondern einem vollwertigen Auto gezogen.
Isabels Mutter Tina Ritter gibt deshalb zu bedenken: „Auf dem Roller wäre sie auch nicht sicherer.“ Am Anfang seien sie noch mit Isabel mitgefahren, hätten ihr alles erklärt, vom Verkehr hin zum Tanken. Denn Isabels 45-km/h-Auto fährt mit Diesel. „Wir haben zwar überlegt, die E-Variante zu kaufen, aber der Akku reicht einfach nicht sicher für die Fahrt nach Heidenheim, besonders im Winter“, erläutert Ritter. Denn in der kalten Jahreszeit bricht die Reichweite der Akkus stark ein. Die Anschaffungskosten des Diesels sind zwar höher, als die der Stromervariante, allerdings bleibe der Preis in diesem Fahrzeugsegment stabil, auch bei Gebrauchten. Deshalb seien die Kosten, nachdem man es wieder verkaufe, weit geringer, als es zu Beginn wirke.
Die meisten Jugendlichen, die sich bei der Fahrschule Renner für die dafür benötigte Führerscheinklasse AM anmelden, wollten im Gegensatz zu Isabel Ritter einen Roller fahren, sagt Inhaber Andreas Renner. Eine noch größere Gefahr als in den 45-km/h-Fahrzeugen sehe er im sogenannten „Ellenator“. Dabei handelt es sich um einen umgebauten Kleinwagen, im Regelfall einen Fiat 500. Die Hinterachse wird von dem gleichnamigen Allgäuer Unternehmen so verändert, dass sich beide Räder in der Mitte der Karosserie befinden. Abgesehen davon und einer Leistungsdrosselung handle es sich aber um einen vollwertigen Kleinwagen, inklusive Handschaltung, so Fahrlehrer Renner. Damit dürfen Jugendliche ab 16 Jahren mit dem A1-Führerschein fahren. Der gilt eigentlich für kleine Motorräder und Roller bis 15 PS, sogenannte „Leichtkrafträder“. Etwas fundamental anderes als ein Auto, sagt Renner. Zusätzliche Fahrstunden seien also angebracht, aber „die machen nur die, die vernünftig sind“. Andere setzten sich einfach hinters Steuer.
Dillinger Fahrschullehrer erachtet zusätzliche Fahrstunden als wichtig
30 bis 35 Jugendliche pro Jahr absolvieren bei der Fahrschule Tischmacher in Dillingen den AM-Führerschein, um damit ein 45-km/h-Auto zu fahren, sagt Inhaber Peter Hitzler. „Das ist nicht okay“, sagt auch er. Denn die praktischen Fahrstunden fänden auch dort rein auf 50-Kubik-Rollern statt. Auch ein 45-km/h-Auto sei etwas vollkommen anderes in der Bedienung, wenn es sich auch im Regelfall um Automatikfahrzeuge handle. „Fahrstunden oder zumindest eine Einweisung wären sehr sinnvoll“, betont er, im Idealfall halte er eine eigene Prüfung für angebracht. „Das hat es früher gegeben, die Führerscheinklasse S“, erklärt er, die für Quads vorgesehen war.
Das erhöhte Sicherheitsrisiko spiegelt sich auch in den Versicherungskosten wider. „Eine Haftpflichtversicherung kostet für Minderjährige zwischen 300 und 500 Euro im Jahr“, erläutert Karl Aumiller, Sprecher des BVK-Bezirksverbandes Schwaben. „Wenn man noch eine Kaskoversicherung für die Mopedautos dazu abschließen möchte, muss man schon den doppelten Prämienbeitrag zahlen.“ Je nach Fahrzeugmodell werden demnach ähnliche Summen wie bei normalen Autos fällig.
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