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Landkreis Dillingen: Landrat Müller zum Hochwasser: "Es gibt keine einfachen Antworten"

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Landrat Müller zum Hochwasser: "Es gibt keine einfachen Antworten"

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    In Kicklingen wurde eine Schutzmauer gegen den Riedstrom errichtet.
    In Kicklingen wurde eine Schutzmauer gegen den Riedstrom errichtet. Foto: Jan Koenen

    Wenn das Wasser weg ist, beginnt in der Regel die Aufarbeitung. Doch werden aus den Forderungen, Klagen und Bitten auch Konsequenzen gezogen? Landrat Markus Müller jedenfalls forderte in einer Pressemitteilung kürzlich eine "kritische Analyse der massiven Auswirkungen" des Hochwassers. Dabei sei eine „Effekthascherei in der Bewertung“ nicht zielführend. Aus seiner Sicht gebe es keine einfachen Antworten. Im Kreis Dillingen jedenfalls, so sieht es das Wasserwirtschaftsamt (WWA), war man vielerorts gut vorbereitet. Wie bewertet das Amt die Polderfrage?

    Das Hochwasser des Jahres 2024 war extrem, da sind sich Experten einig. Auch Landrat Markus Müller betont, dass eine Vielzahl von Faktoren zusammengetroffen sei, sodass nicht nur Donau, sondern auch kleinere Flüsse wie die Glött und die Zusam betroffen waren. Müller spricht von der "Überraschung zu Mengen, Dimensionen, Wechselwirkungen und Auswirkungen". Nach einer Analyse der Gesamtsituation müssten im ersten Schritt für den Grundschutz entlang der Donau und bei den Nebenflüssen zeitnah die richtigen Schlüsse gezogen werden, so der Landkreischef. Nötig sei dazu auch eine entsprechende fachliche Expertise sowie die finanzielle Unterstützung durch den Freistaat. Um für künftige Hochwasserereignisse noch besser gewappnet zu sein, braucht es nämlich nach Ansicht von Landrat Müller jetzt eine abgestimmte Vorgehensweise in Bayern. Für den Kreis Dillingen stellt sich Müller dabei zunächst eine tiefgreifende Analyse des Ereignisses der letzten Tage vor. Inklusive der Frage nach dem Schutz der kritischen Infrastruktur: Kläranlagen, Trafostationen, Wasserwerke.

    Dillinger Landrat Müller: "An einzelnen Flüssen war kein HQ extrem prognostiziert"

    Um im Katastrophenfall die Einsatzleitungen unterstützen zu können, braucht es nach Ansicht Müllers eine möglichst verlässliche Prognose der Abflussmengen. Müller mahnt neben den Einzelbetrachtungen der Flüsse auch eine Gesamtschau an. "So war zum Beispiel an einzelnen Flüssen die tatsächliche Entwicklung hin zu einem HQ extrem zunächst nicht prognostiziert."

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    Land unter im Landkreis Dillingen: Das Hochwasser betrifft die ganze Region. In Aislingen wurde der zweite Abend der Vollmondparty abgesagt.

    Als Kritik am Wasserwirtschaftsamt, das sich mit Prognose und Modellierung von Hochwasserereignissen befasst, will Müller das aber nicht verstanden wissen. "Im Nachhinein weiß man oft mehr. Es ist daher nicht zielführend, gleich jede Forderung als Kritik zu werten", sagt Müller auf Nachfrage der Redaktion. Es müsse nun aber darum gehen, "aus dem Erlebten die richtigen Schlüsse zu ziehen". Daher gelte es, bisher unbekannte Entwicklungen, die nicht mit Prognosen übereinstimmten, zu prüfen. Müller gibt ein Beispiel: Für die Zusam hätte am Sonntag, 2. Juni, die Scheitelwelle im Ausmaß eines HQ100 spätestens gegen Mittag erreicht sein müssen. Tatsächlich habe es jedoch noch am Nachmittag einen Abfluss von bis zu 113 m³/s gegeben. Die Ursache dafür soll jetzt aus Sicht des Landrats gemeinsam mit dem WWA analysiert werden. 

    WWA: Im Landkreis Dillingen war man vielerorts gut auf Hochwasser vorbereitet

    Gudrun Seidel, Leiterin des Wasserwirtschaftsamtes, stimmt im Gespräch mit unserer Redaktion zu. Nun werde man zunächst die nötigen Daten sammeln. Aus Sicht des Wasserwirtschaftsamtes war der Landkreis Dillingen jedoch im Großen und Ganzen gut vorbereitet auf das Hochwasser. Die Feuerwehren hätten bestens zusammengearbeitet und dort direkt die Schutzmaßnahmen vorbereitet, wo nach den Hochwasserkarten des Amtes hohe Wasserstände zu erwarten waren. Patrizia Ernst vom WWA war Teil des Führungsstabs Katastrophenschutz. Sie sagt: "Die Wehren, beispielsweise in Kicklingen und Fristingen, haben sich ganz früh am Freitag darum gekümmert, dass das Material da ist, und dann haben sie den Schutz aufgebaut und gewartet, bis das Wasser bei ihnen ankam." So habe man Schaden abwenden können. Diese Gefahrenkarten seien für jede Gemeinde und jede Privatperson im Internet abrufbar und in der Notlage stark genutzt worden. Das zeigten die Serverdaten. 

    Auch aus Sicht von Markus Müller verdient die Arbeit der über 4400 Einsatzkräfte der Feuerwehren, des Roten Kreuzes, der DLRG, des THW, der Polizei und der Bundeswehr, "höchsten Respekt". Der Zusammenhalt sei ein "ermutigendes Zeichen in schwierigen Zeiten".

    Ein Polder für den Landkreis Dillingen? Festlegen will sich niemand

    Trotz allen Zusammenhalts – um ein Thema, das nun wieder aufkeimt, gibt es viel Streit: die Flutpolder. Landrat Müller sagte bereits während der Hochwasserkatastrophe, dass man erst über den Grundschutz sprechen müsse, ehe man über Polder nachdenke. Sonst würde man das Pferd von hinten aufzäumen. Müller ist als Landrat auch Vorsitzender des Bündnisses "Hochwasserschutz für unsere Heimat". Zuvor war es sein Vorgänger Leo Schrell (FW). Das Bündnis schreibt sich auf die Fahnen, im Nachgang des Hochwassers von 2013 vieles erreicht zu haben. Darunter auch ein Gesamtkonzept für den Hochwasserschutz in der Region, insbesondere mit Verbesserungen beim Grundschutz und die Verhinderung von Poldern nördlich der Donau. 

    Darauf angesprochen sagt Müller, er wolle nach der Sommerpause eine Sitzung des Bündnisses einberufen. Das Ziel sei, dass das WWA bis dahin das vorhandene Datenmaterial zum Hochwasser entsprechend analysiert habe. Zudem solle dann auch der Zustand der Dämme der Donau und der Zuflüsse untersucht werden. "So müsste nach meinem Verständnis in einem ersten Schritt mit Unterstützung des Freistaates Bayern ein ausreichender Grundschutz, mindestens für ein HQ100, durchgängig an der Donau und den Zuflüssen der Donau hergestellt werden", sagt Müller und fügt hinzu: "Dies stellt unstrittig eine Mammutaufgabe dar." 

    Hochwasser Wertingen
Großes Aufräumen in Wertingen beginnt
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    Das Hochwasser trocknet und die Schäden werden sichtbar. Unsere Bilder zeigen das Ausmaß in Wertingen. Die Menschen halten auch beim Aufräumen zusammen.

    Man könne nicht über Überlastschutz, also Polder, diskutieren, wenn es Mängel am Grundschutz gebe. Die diesjährigen Ereignisse hätten gezeigt, dass sich ein Hochwasser eindeutig von unten aufbaue und auch die Summe der Wassermengen der Zuflüsse eine Rolle spiele. 

    Hätte aus Sicht des WWA ein solches Rückhalte-Bauwerk größere Überschwemmungen verhindert? Auch dazu möchte man dort erst einmal Berechnungen anstellen. "Wir werden sicherlich auch analysieren müssen, weil wir gerade im Bereich Gundelfingen und Faimingen sehr hohe Abflüsse hatten, was passiert wäre, wenn da ein Polder zum Einsatz gekommen wäre", sagt Leiterin Seidel. Fest steht aber bislang: Die Planung an den schwäbischen Poldern geht wohl – auch wegen der extrem hohen Kosten von insgesamt mehr als 300 Millionen Euro – frühestens in drei bis vier Jahren weiter. 

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