Ein teures Pflaster, das vermutet man in Bayern vor allem im Münchner Dunstkreis mit seinen Ausläufern Richtung Starnberger See. Doch betrachtet man den Strommarkt, dann muss man feststellen, dass es gerade im Kreis Dillingen sehr teuer ist. Zumindest laut dem „Strompreis-Atlas“ des Vergleichsportals Stromauskunft.de. Woran liegt das?
Der „Strompreis-Atlas“ färbt den Landkreis tiefrot ein. Dort findet sich eine Übersicht, wie hoch die Stromkosten in den bayerischen Landkreisen beim Grundversorger und beim günstigsten Anbieter derzeit sind. 2743 Euro pro Jahr wären demnach für einen Haushalt mit einem Verbrauch von 3500 kWh beim Grundversorger fällig.
230 Euro pro Monat für Strom im Kreis Dillingen?
Das wären knapp 230 Euro im Monat. Als Grundversorger nennt das Portal im Kreis Dillingen die Donau-Stadtwerke Dillingen-Lauingen (DSDL). Grundversorger wie die DSDL müssen jeden beliefern, der keinen anderen Stromliefervertrag besitzt. Etwa, weil er neu in eine Wohnung gezogen ist oder, wie es nun gehäuft vorkam, der ursprüngliche Versorger ausfällt.
In der Süddeutschen Zeitung mussten die Stadtwerke in Dillingen bereits als Strompreis-Negativbeispiel herhalten. Demnach müsse hier eine Familie aktuell 5000 Euro im Jahr zahlen. Denn auch im Landkreis gibt es Kundinnen und Kunden, die vorher bei einem Billiganbieter unter Vertrag waren. Mit der Insolvenz und dem Lieferstopp dieser Anbieter fielen die Kundinnen und Kunden in die Grundversorgung. Und bei manchen dieser Versorger gibt es seit Dezember 2021 unterschiedliche Preise für Bestandskunden und Neukunden.
Preis schwankt zwischen 96 und 30 Cent pro kWh
Gegen Weihnachten vergangenen Jahres stieg der Preis für die Megawattstunde an den Börsen extrem. Die Folge waren die Insolvenzen der Billiganbieter. Die Grundversorger mussten für die unfreiwillig neu gewonnenen Kunden irgendwie Strom einkaufen – für teures Geld. Soweit die Ausgangslage.
Ein Blick ins Preisblatt der DSDL verrät, dass ab dem 22. Dezember Neukunden in der Grundversorgung 96,96 Cent brutto pro kWh bezahlen mussten. Für Bestandskunden wurden jedoch nur um die 30 Cent fällig. Macht man also – unabhängig von den Zahlen des „Strompreis-Atlas“ – eine eigene Rechnung auf, so würde eine vierköpfige Familie mit etwa 4300 kWh Stromverbrauch pro Jahr beim Dillinger Grundversorger etwa 4170 Euro bezahlen.
Für Bestandskunden wären es dabei nur etwa 1300 Euro. Doch nicht für alle Haushalte im Kreis Dillingen würden die DSDL als Grundversorger einspringen. Teile des östlichen Landkreises werden von der LEW versorgt, im Westen ist die Netze ODR, eine Tochter der EnBW, zuständig. In welche Grundversorgung man fällt, hängt davon ab, in welcher Gemeinde man wohnt.
Warum haben nicht alle Grundversorger den gleichen Preis?
Bei den anderen beiden Energiefirmen gibt es keine anderen Preise für Neu- und Bestandskunden. Der „Strompreis-Atlas“ zeigt, blickt man auf den gesamten Landkreis, also nur die halbe Wahrheit. Doch warum bieten die LEW und die Netze ODR den Strom günstiger an?
„Natürlich sind auch wir davon betroffen, wenn unvorhergesehen viele Kunden neu in die Ersatzversorgung übernommen werden müssen, weil Discount-Anbieter ihre Kunden nicht mehr versorgen“, sagt LEW-Sprecher Ingo Butters. „Zu einem Teil können wir dies durch unsere langfristig orientierte Strombeschaffung abfedern.“ Wie sich die Verwerfungen auf den Energiemärkten langfristig auf die Preise der Stromprodukte und der Grund- und Ersatzversorgung auswirken, könne man aber noch nicht sicher sagen. Hier komme es auch auf die weitere Entwicklung auf den Märkten an.
Hinter Netze ODR steht ein großer Konzern
Ähnliches ist von der ODR zu erfahren. Dort gibt es ebenfalls keine zwei Tarife für Neu- und Bestandskunden. Sprecherin Nicole Fritz sagt, dass etwa 2000 ehemalige Kundinnen und Kunden von Stromio bei der Netze ODR gelandet sind. Das sind aber nicht nur Haushalte aus dem Kreis Dillingen, sondern auch aus Baden-Württemberg. „Wir beobachten den Markt genau und kaufen langfristig ein“, sagt Fritz von der Netze ODR.
Die Neukunden seien als Einkaufsrisiko einkalkuliert worden. Daher gebe es auch keine zwei Preise. „Bei uns steht aber auch die EnBW als großer Konzern dahinter. Kleinere Stadtwerke dürfte das stärker belasten.“ Liegt es also daran? Belasten die Neukunden die DSDL so sehr, dass sie knapp einen Euro für die Kilowattstunde verlangen muss?
Das sagen die DSDL zu den hohen Preisen für Neukunden
Nachfrage bei den Stadtwerken: „Das ist immer eine Frage der Kalkulation“, sagt Werkleiter Wolfgang Behringer. Manche Versorger würden durch Mischkalkulationen die aktuell hohen Preise auf dem Strommarkt kompensieren und sie so auf alle ihre Kunden umlegen.
Andere wiederum hätten größere Mengen eingekauft, als sie benötigen, und Strom „übrig“. Behringer begründet den Preisunterschied damit, dass für Neukunden kein Strom im Vorfeld eingekauft wurde. Das bedeute, dass man diesen zu teuren Preisen dann an der Strombörse beschaffen musste.
Er hält die Kritik mancher Verbraucherschützer für ungerechtfertigt. Diese hatten das Vorgehen mancher Grundversorger als „Schikane“ oder „unfair“ bezeichnet. „Das sind die gleichen, die den Verbrauchern geraten haben, zu den Billiganbietern zu wechseln“, sagt Behringer. „Im Laufe des Jahres 2021 haben sich die Einkaufspreise für Strom verdrei- und vervierfacht, zum Jahresende hin wurden sogar Preise gehandelt, die fast zehn Mal höher waren als zu Beginn des Jahres 2021“, sagt der Werkleiter. Gründe dafür seien der gestiegene Bedarf, dadurch entstandene Lieferengpässe sowie Spekulationen an der Strombörse.
Inzwischen sind es 55 statt 96 Cent bei den DSDL
Mittlerweile sei das Hoch zum Jahreswechsel überwunden, allerdings seien die Einkaufspreise immer noch doppelt so hoch wie im November 2021. „Für die Bestandskunden haben die DSDL die benötigten Strommengen über das Jahr hinweg eingekauft, die Preise mussten für das Jahr 2022 nur sehr moderat angepasst werden.“ Einen Tag nach unserer Anfrage haben die DSDL auf ihrer Homepage ein neues Preisblatt für Neukunden hochgeladen.
Statt der 96 Cent pro Kilowattstunde sind nun nur noch 55,31 Cent fällig. Behringer sagt dazu, dass man nach dem Preisanstieg auf 96 Cent die Kilowattstunde den Preis nun wieder senken konnte. Laut dem Werkleiter hätten 70 Prozent der (unfreiwilligen) Neukunden bereits zu einem neuen Anbieter gewechselt. Damit verblieben etwa 50 Kunden, die nun zum Preis von 55,31 Cent ihren Strom beziehen. Bestandskunden zahlen derzeit 30,5 Cent. Doch Behringer stellt ab kommender Woche auch für Neukunden einen Ausweg aus dem teuren Strom in Aussicht. Dann könnten wieder Wahltarife gebucht werden.
Wie geht es jetzt weiter?
War das also nur ein kurzes Lehrstück in Sachen Weltmärkte, das für manche einfach eine mehr als ärgerliche Lücke im Geldbeutel hinterlassen hat? „Bei dem Thema sind auch Politik und Regulierung gefragt“, findet Ingo Butters von der LEW. „Es kann nicht angehen, dass Discount-Anbieter in Zeiten niedriger Börsenpreise Lockangebote machen und dann bei steigenden Energiekosten ihre Kunden nicht mehr versorgen. Solch unseriösen Geschäftsmodellen sollte Einhalt geboten werden. Strom gehört zur Daseinsvorsorge."