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Landkreis Dillingen: Kommt so wieder Leben in die Ortskerne?

Landkreis Dillingen

Kommt so wieder Leben in die Ortskerne?

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    Martin Gaugler hat sich der alten Vogtei im Buttenwiesener Ortsteil Unterthürheim angenommen.
    Martin Gaugler hat sich der alten Vogtei im Buttenwiesener Ortsteil Unterthürheim angenommen. Foto: Christina Brummer

    Wenn man zu Martin Gauglers Lebensaufgabe fährt, ziehen sie an Ortsrändern und auf ehemaligen Wiesen vorbei: Neubaugebiete. Manche der Einfamilienhäuser stehen schon fertig da, andere sind noch nackt und warten auf ihre Putzhülle, den Rollrasen außenrum und das Trampolin für die Kleinen darauf. Wohnen im Eigenheim ist beliebt, doch während außerhalb der Orte immer mehr Satelliten-Siedlungen entstehen, verwittert und verwaist die Ortsmitte.

    In Unterthürheim, Flurnummer 1 steht sie, die Lebensaufgabe des 40-Jährigen aus Buttenwiesen. Sie stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert und ist das älteste Haus im Ort: die alte Vogtei. Nun wird sie nach fünf Jahren Leerstand zu neuem Leben erweckt. Insgesamt sollen hier auf 280 Quadratmetern Wohnungen entstehen. Wenn es nach Anton Hofreiter ginge, sollte es wohl mehr solcher Projekte wie das von Martin Gaugler geben. Der Grünen-Abgeordnete hatte im Februar die Debatte um das Einfamilienhaus entfacht. In einem Spiegel-Interview begrüßte Hofreiter die Entscheidung eines Hamburger Bezirksamtsleiters, keine Einfamilienhäuser mehr in seinem Gebiet genehmigen zu wollen. Was folgte, waren die üblichen medial wie virtuell vorgebrachten Aufschreie von der einen und Beifallklatschen von der anderen Seite.

    Landkreis Dillingen: trotz Zuzug veröden manche Ortskerne

    Schnell wurde klar: Das Thema Einfamilienhaus ist hochemotional. Es geht für viele Deutsche um nicht weniger als ihren lang gehegten Lebenstraum. Das zeigt auch eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft: Darin kam das Einfamilienhaus im Vergleich zu anderen Wohnformen unter den Befragten insgesamt am besten weg.

    Auch bei Menschen, die zur Zeit in einer Mietwohnung in der Stadt leben. Ein weiteres Kriterium beim idealen Wohnstandort: Die Nahversorgung sollte fußläufig erreichbar sein. Man möchte meinen, dass Kommunen auf dem Land die Debatte um den Platz für neue Häuser seltener führen müssen als Millionenstädte.

    Dieser Eindruck jedenfalls entsteht, wenn man in mache Gemeinderatssitzung im Landkreis heineinhorcht. Dort gehören Bauanträge für Einfamilienhäuser mit Doppelgarage zum Alltag. Abgelehnt werden solche Anträge selten, denn Zuzug bringt Leben in die Gemeinden. Dennoch ist der Weg bis zum neuen Baugebiet auch in ländlichen Regionen lang: Bis alle Anträge, Gutachten und Genehmigungen eingeholt sind kann viel Zeit vergehen. Ein weiteres Problem: Wie soll man den Ortskern wieder mit Läden und Leben füllen, wenn der Einzelhandel auch nur noch auf der grünen Wiese stattfindet?

    Entwicklungslotsen sollen gegen Leerstände kämpfen

    Um dieses Thema anzugehen, haben sich 16 Kommunen aus dem Landkreis Dillingen und Günzburg zusammengetan. Vor einem Jahr startete das Projekt „Leben und Wohnen auf dem Land - gemeinsam neu gedacht“ vom Verein Donautal Aktiv. Zusammen mit einem EU-Förderprogramm und der Schule für Dorf- und Landentwicklung Thierhaupten sollen Gemeinden dafür unter anderem ehrenamtliche Entwicklungslotsen ausbilden. „Das sind Berater vor Ort, die aktiv auf die Menschen zugehen sollen“, sagt Manuela Sing von Donautal Aktiv. Es gehe darum, Wohnraum im Ortszentrum zu erschließen.

    Hinzukommen soll eine Flächendatenbank, in der ungenutzte Grundstücke in Ortskernen aufgelistet werden. Ein weiteres Ziel des Projektes ist es, vier Modellvorhaben zu fördern, die als Aushängeschild für Nachahmer dienen. In Münsterhausen im Kreis Günzburg und in Syrgenstein entstehen gerade schon zwei dieser Modelle, die zeigen sollen, wie Bauen im Bestand Wohnraum für mehrere Generationen schaffen kann. Manuela Sing hofft nun, dass die EU-Förderung im Mai bewilligt wird, damit es so richtig losgehen kann mit der Schulung der Entwicklungslotsen.

    Die Sanierung der alten Vogtei hat Kopfschmerzen bereitet

    Wohnraum für verschiedene Bedürfnisse und das mitten im Ort: Das hat auch Martin Gaugler mit seinem Haus in Unterthürheim im Sinn. Die alte Vogtei mit dem markanten Giebel stammt aus einer Erbschaft, Gaugler hat sich mit der Erbengemeinschaft geeinigt und das Haus seines verstorbenen Großonkels gekauft. Nun will er dort Wohnungen unterbringen. Einen Stall auf dem Grundstück hat er schon abgerissen, dort entsteht ein Neubau, in dem ebenfalls Wohnungen Platz finden sollen.

    Die alte Vogtei wurde im frühen 18. Jahrhundert erbaut.
    Die alte Vogtei wurde im frühen 18. Jahrhundert erbaut. Foto: Christina Brummer

    „Ich sehe das als Lebensaufgabe und fand es schon immer schöner, im Ortskern zu wohnen als außerhalb.“ Seine Lebensaufgabe hatte bei der Renovierung schon einige Überraschungen parat: „Es gab defekte Deckenbalken, weil Wasser ins Gebäude eingedrungen ist und unter dem Putz fanden sich alte Tür- und, Fensteröffnungen.“ Auch eine Gefängniszelle beherbergt das alte Haus. Die Vogtei hatte früher eine ähnliche Funktion wie ein Rathaus, damals war auch der Strafvollzug eine davon.

    Was er mit dem kleinen Raum mit meterdicken Wänden und einem Guckloch nach draußen anstellen will, weiß Gaugler allerdings noch nicht. „Am Anfang hat mir das Haus schon Kopfschmerzen bereitet“, sagt der 40-Jährige. Er wünscht sich von der Politik mehr Anreize, die Dorfkerne zu beleben. Die Corona-Krise habe die Kommunikation mit Behörden wie dem Denkmalamt nocheinmal verkompliziert, sagt Gaugler. Dennoch geht es auf der Baustelle sichtlich voran. Sorge, dass er keine Mieter für seine Wohnungen findet, hat er nicht. „Ich hatte schon eine Besichtigung. Eine ältere Frau, die raus will aus dem Eigenheim und etwas Barrierefreies sucht.“

    Mit einem Architektengutschein Sanierungen anschieben

    Die Gemeinde Haunsheim ist Teil des Projekts von Donautal Aktiv. Warten will man hier auf Förderung von außen aber nicht: Seit März bietet die Gemeinde Haunsheim einen Architektenberatungsgutschein an. 500 Euro bekommen Bürger für eine Beratung, wenn sie ein altes Haus im Gemeindegebiet sanieren oder ein neues Haus im Ort bauen wollen. „Ich habe den Eindruck, dass es am Anschieben mangelt“, sagt Bürgermeister Christoph Mettel (CSU). Viele schreckten vor der Renovierung eines alten Hauses zurück, weil sie nicht wüssten, was auf sie zukommt. Dort soll der Architektengutschein ansetzen. Die Schaffung von Wohnraum ist in Haunsheim ein großes Thema. „Bauplätze sind immer ein knappes Gut“, sagt Mettel. „Im Moment ist kein Bauplatz mehr frei.“ Die Geografie mache es der Gemeinde zudem schwer, weiter in die Außenbereiche zu wachsen.

    „Wir hatten zwei Jahre keine Bauplätze im Angebot. Das hat dazu geführt, dass sich der ein oder andere dazu entschlossen hat, ein altes Haus zu sanieren“, sagt Mettel. Ein Effekt, der so nicht geplant gewesen sei, doch nun dafür sorge, dass Lücken im Ort geschlossen würden. Für den Bürgermeister ist es dabei wichtig, nicht nur auf das Eigenheim auf der grünen Wiese zu setzen. „Wir brauchen einen Mix aus kleinen Mietwohnungen und den Einfamilienhäusern, auch im Ortskern.“ Denn wo Mietwohnungen fehlten, wanderten die jungen Leute ab und das Leben in den Vereinen gleich mit.

    Mieten statt kaufen: Für junge Menschen eine gute Option

    Für junge Menschen, die erst im Beruf oder der Ausbildung durchstarten, reicht auch zunächst eine Mietwohnung. Tina und Max Gnedel haben die ideale Wohnung in Lauingen gefunden. Auch sie leben in einem sanierten Altbau und sind dort sehr zufrieden, wie Tina Gnedel erzählt. „Uns hat es hier wunderbar gefallen.“ Die Nähe zur Donau und die Innenstadtlage seien perfekt gewesen. Noch dazu liegt vor der Wohnung auch ein Garten, was in einer Stadt selten ist. „Ein eigenes Haus hätten wir uns schon auch vorstellen können. Aber der Markt ist im Moment schwierig.“

    Wenn die beiden das Thema Eigenheim irgendwann angreifen, könne man sich schon vorstellen, dass es ein Lauinger Stadthäuschen werden könnte. Vorausgesetzt es gibt wieder einen Garten. „Ich habe Geschichte studiert und finde das spannend“, sagt die 29-Jährige über ihre jetzige Wohnung mit Altbau-Charme. Das Paar hat sich beim Studium in Augsburg kennengelernt, dort zu wohnen, können sich die beiden momentan aber nicht vorstellen. Lauingen sei familiärer und alles, was man für den täglichen Bedarf brauche, sei gut erreichbar. Das Thema Eigenheim, für die beiden ist das fürs Erste vertagt.

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