Eines vermeidet Holzheims Pfarrer Mathias Breimair – ein politisches Urteil über die Demonstrationen in seiner Kommune. Auf dem Edeka-Parkplatz demonstrieren in diesen Tagen Menschen gegen die Pläne des Landkreises Dillingen, auf dem Grundstück nebenan im Notfall eine Flüchtlingshalle für einen Zeitraum von sechs Monaten aufzustellen. In der Sache kenne er sich zu wenig aus, deshalb halte er sich mit einem Urteil zurück, sagt Breimair. "Als Seelsorger sehe ich, dass Menschen Angst haben", fügt der Leiter der Pfarreiengemeinschaft Aschberg hinzu. Er könne in dieser Situation "nur das Beste anbieten", dass sich Menschen im Glauben erneuern und von dieser Basis aus auf die Probleme der Welt schauen. "Wer aus der Schatzkiste unseres Glaubens heraus lebt, hat nicht so schnell Angst vor dem, was kommt", sagt Pfarrer Breimair.
Aber könnten nicht die Kirchen in der Region selbst mehr Räume für Geflüchtete zur Verfügung stellen? Dekan Johannes Schaufler sagt, er verstehe die Nöte des Landrats Markus Müller, der in der Pflicht sei, Unterkünfte für die zugewiesenen Menschen bereitzustellen. In der Pfarreiengemeinschaft Gundelfingen sei auch schon das Kloster Obermedlingen im Gespräch gewesen. Das Gebäude sei aber für die Aufnahme von Geflüchteten ungeeignet, denn dort gebe es lauter Einzelzimmer, erläutert der Gundelfinger Stadtpfarrer. Es fehlten Heizung und Brandschutz. "Wir wären bereit gewesen, aber die Investitionskosten wären riesig", erklärt Schaufler. Als Christ gelte für ihn der Standpunkt: "Wer in Not ist, dem muss ich helfen." Nach dem Zweiten Weltkrieg seien Millionen Geflüchtete in Deutschland aufgenommen worden, heute seien die Erwartungen an die Lebensqualität jedoch eine andere. Der Dekan stellt fest, dass oft anonym über Geflüchtete diskutiert werde, dann hätten die Menschen jedoch kein Gesicht. "Wenn aber Frau Soundso mit ihrem Kind da ist, dann klopft das ans Herz", stellt der Dekan fest.
"Wir als Kirche müssen für Menschen in Not da sein"
Martina Schmidt ist Leiterin der deutschen Provinz der Dillinger Franziskanerinnen. Sie informiert auf Anfrage, dass die Franziskanerinnen im Kloster Maria Medingen und in weiteren Standorten in Dillingen inzwischen 43 Geflüchtete aufgenommen haben. Etwa 46.000 Euro hat der Orden dafür investiert, erläutert Schwester Martina. Im Franziskushaus im Kloster Maria Medingen hätten noch sieben weitere Flüchtlinge aufgenommen werden können. Dies scheiterte aber an den Brandschutz-Anforderungen. Die Provinzleiterin sagt grundsätzlich: "Wir als Kirche müssen für Menschen in Not da sein." Natürlich könne Deutschland nicht alle Probleme dieser Welt lösen. "Wir müssen aber etwas dafür tun, dass sich die Lebensbedingungen in diesen Ländern ändern, aus denen Menschen fliehen", fordert die Franziskanerin. In Zeiten des Kolonialismus seien diese Länder "gnadenlos ausgebeutet" worden.
An Weihnachten scharten sich Christen um einen Menschen, der eine Herberge gesucht hat, sagt Schwester Martina. Die ganze Bibel sei voller Fluchtgeschichten. Die Ängste vor Flüchtlingen könnten durch persönliche Begegnungen aufgebrochen werden. "Wenn man in ein Kindergesicht sieht, ändert sich das Urteil." In Bamberg hätten Franziskanerinnen drei Unterkünfte für Geflüchtete hergerichtet. Anfangs habe es große Ängste gegeben, berichtet Schmidt. Dies habe sich alles gelegt. "Das Nebeneinander ist seit acht Jahren völlig problemlos", teilt die Provinzoberin mit.
Die Möglichkeiten für die Aufnahme von Geflüchteten seien "bereits weitestgehend erschöpft"
Die Stabsstelle Immobilieninfrastruktur der katholischen Diözese Augsburg informiert, dass Pfarreien im Landkreis Dillingen fünf Objekte für die Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen zur Verfügung gestellt haben. Eine Gesamtzahl der Häuser, die von Pfarreien in den vergangenen Jahren Geflüchteten überlassen wurden, liege der Stabsstelle nicht vor. In der Vergangenheit sei an die Pfarreien im Bistum appelliert worden, weitere Objekte bereitzustellen. "Aufgrund von bestehender Belegung, schlechtem Gebäudezustand, Ungeeignetheit oder auch bauordnungsrechtlich komplexen Vorgaben sehen wir unsere Möglichkeiten beziehungsweise die Möglichkeiten der Pfarreien jedoch bereits weitestgehend erschöpft", teilt die Stabsstelle mit.
Der Flüchtlingsbeauftragte der Diözese, Ralf Eger, sagt, dass Christus selbst im Evangelium dazu aufrufe, Fremde und Obdachlose aufzunehmen. "Und wenn wir es nicht tun, dann weisen wir ihn von uns weg", stellt Diakon Eger fest. Papst Franziskus habe immer wieder zu einer Willkommenskultur aufgerufen. So betonte der Heilige Vater Egers Worten zufolge im Jahr 2017 in der Christmette, dass gerade an Weihnachten die Zeit dafür sei, um „die Kraft der Angst in eine Kraft der Liebe zu verwandeln“. Der Papst habe seinen Appell immer wieder erneuert, etwa mit den Worten: "Ich appelliere an alle Pfarreien, religiösen Gemeinschaften, Klöster, Wallfahrtsorte in ganz Europa, eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen."
Die Demos in Holzheim machen die Wertinger Stadtpfarrerin traurig
Wertingens evangelische Pfarrerin Ingrid Rehner erläutert, dass die Bethlehemgemeinde ein Geflüchtetencafé betreibe. Gemeindemitglied Wolfgang Plarre organisiert den Wertinger Asylhelferkreis. Schon im Alten Testament heiße es, dass Fremde wie die eigenen Leute behandelt werden sollen. Die meisten Flüchtlinge seien wegen Krieg und Verfolgung hierhergekommen, sagt Pfarrerin Rehner. Und wenn von Wirtschaftsflüchtlingen gesprochen werde, dann habe diese Menschen ebenfalls eine Not hierher getrieben.
Wenn sie über die Demos gegen die Flüchtlingshalle in Holzheim nachdenke, dann mache sie das "wütend und traurig", sagt Rehner. Sie habe den Eindruck, dass sich da einige von pauschalen Urteilen und Parolen leiten lassen. Als Pfarrerin, so Rehner, würde sie sich wünschen, dass sich Menschen "auf christliche Werte wie Nächstenliebe, Gemeinschaft, Teilen und die Liebe Gottes, die von Angst befreit, besinnen". Das sei etwas anderes als Egoismus und Besitzstandswahrung.