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Landkreis Dillingen: Weniger Straßenlampen, weniger Insektensterben? Der Kreis Dillingen ist nachts zu hell

Landkreis Dillingen

Weniger Straßenlampen, weniger Insektensterben? Der Kreis Dillingen ist nachts zu hell

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    Ende September entstand dieses Foto beim Versuch, die Milchstraße über dem Donauried zu fotografieren. Links unten Lichter von Binswangen, die einen wirklich dunklen Himmel verhindern. Das Thema Lichtverschmutzung wird auch im Landkreis Dillingen immer wichtiger.
    Ende September entstand dieses Foto beim Versuch, die Milchstraße über dem Donauried zu fotografieren. Links unten Lichter von Binswangen, die einen wirklich dunklen Himmel verhindern. Das Thema Lichtverschmutzung wird auch im Landkreis Dillingen immer wichtiger. Foto: Klaus Ammich

    Wenn Zöschingens Bürgermeister Tobias Steinwinter nachts an den Himmel blickt, dann kommt Freude auf. Oben am dunklen Firmament rotiert der Große Wagen um den Polarstern und daneben breitet sich das funkelnde Band der Milchstraße aus.

    Das 740-Einwohner-Dorf am Rande der Schwäbischen Alb scheint sich für eine Diskussion über die vielerorts beklagte Lichtverschmutzung weniger zu eignen. Davon sprechen Wissenschaftler, wenn eine übermäßige künstliche Beleuchtung Mensch, Tiere und Pflanze schädigen kann. Warum der erste Mann der kleinsten Gemeinde mit der größten Gelände-Erhebung im Landkreis dennoch das Wort erhebt, hat mit einem weiteren Amt zu tun: der Funktion des Kreisvorsitzenden beim Bayerischen

    Der Wald und der Klimawandel

    Dem Wald wird im Kampf gegen den Klimawandel eine bedeutende Rolle eingeräumt. Wie die gesamte Vegetation sind Bäume nämlich in der Lage, CO2 aus der Luft in ihren Stämmen zu speichern. Man sagt, dass in einem Kubikmeter Holz etwa eine Tonne CO2 gebunden ist.

    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen, dass es mit der Speicherung allein nicht getan ist. Es geht auch darum, wie das Holz genutzt wird, wenn es einmal geerntet ist. Wird es zum Beispiel verheizt, wird das CO2 sofort wieder freigesetzt. Wird es dagegen als Bauholz genutzt, dann bleibt es länger gespeichert.

    Ebenfalls betont wird, dass der Wald im Kampf gegen den Klimawandel lediglich ein Baustein sein kann. 2019 betrug der gesamtdeutsche CO2-Ausstoß knapp 900 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Im gleichen Jahr speicherten die deutschen Wälder nur rund 30 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich. (mahei)

    Straßenbeleuchtung ist in Bayern ein Gesetz

    „Die Bürger wollen und brauchen das Licht“, beteuert der Mann mit Jahrgang 1984, und die Gemeinden hätten dabei auch eine Verpflichtung, abgeleitet aus bayerischen und europäischen Gesetzen. Steinwinter verweist dabei etwa auf das Bayerische Straßen- und Wegegesetz, das zum Beispiel die Beleuchtung von öffentlichen Straßen vorschreibe. „Diese Zwänge sind nun mal da.“

    Zu einer Frage des Sicherheitsgefühls bei den Einwohnern erklärt Holzheims Amtskollege Simon Peter die Entscheidung für eine angemessene Erhellung der Siedlungen. „Das wird von uns erwartet.“ Schon sein Vorgänger, der langjährige Ortsvorsteher Erhard Friegel, hatte dazu geraten, solche in Bürgerversammlungen vorgetragenen Wünsche ernst zu nehmen, sonst würden die Bürger „einem aufs Dach steigen“. Selbst der Wertinger Stadtrat Franz Stepan, Umweltgedanken nicht abgeneigt, zeigt sich irritiert: „Wir haben hier im Ortsteil Hettlingen vier Jahrzehnte lang für Licht gekämpft – und nun sollen wir es wieder ausmachen?“, fragt sich der Wirtschaftsreferent und erinnert an seine Kindheit in „stockdunkler“ Nacht.

    Die Wertinger sehen sich in Sachen Straßenlampen in einer Zwickmühle

    Unterschiedliche Interessen: Der Geschäftsleiter der Verwaltungsgemeinschaft Wertingen, Dieter Nägele, sieht die Kommunen bei der Entscheidung für oder gegen Illumination in einer Zwickmühle stecken: „Alle sehen sich da einer schwierigen Lage ausgesetzt.“

    Erst recht, seit im Zuge des bayerischen Volksbegehrens zum Artenschutz neue Regeln bei den zulässigen Immissionen gelten und das Naturschutzrecht im Hinblick auf den Insektenschutz geschärft wurde. So müssen zum Beispiel bei der Aufstellung von Leuchten „Ziele des Artenschutzes berücksichtigt“ werden. Der Hintergrund laut den „Handlungsempfehlungen für Kommunen“ des bayerischen Umweltministeriums. „Jeden Sommer sterben in Deutschland schätzungsweise 100 Milliarden Insekten an Straßenlampen an Erschöpfung oder durch Verbrennen.“

    In dem staatlichen Papier, das immer wieder vor den Folgen der Lichtverschmutzung warnt und zu einer umweltschonenden Ausleuchtung der Gemeinden rät, finden sich Tipps und Ratschläge, die seit Jahren von Umweltverbänden formuliert werden. Nägele schränkt allerdings ein, die neuen Vorgaben vom Freistaat würden sich nur auf sogenannte Außenbereiche beziehen und nicht etwa auf Baugebiete oder Gewerbe-Areale.

    Für den Vogelschutz im Kreis Dillingen auf überflüssiges Licht verzichten

    Als unstrittig gilt dagegen, dass die Entwicklung des künstlichen Lichts seit seiner Einführung vor mehr als einem Jahrhundert aus dem Ruder gelaufen ist. Gleißende Lichtreklamen, Strahler, die neben Häusern auch Teile des Himmels abtasten oder mächtige Parkplatzleuchten mit Tageslicht-Garantie. Das beschäftigt Astronomen, Naturschützer und Mediziner schon lange, und zwar weltweit. Ganze Generationen werden Umweltorganisationen zufolge um den ungestörten Anblick des Nachthimmels gebracht, ein Kulturgut, das an vielen Stellen mehr und mehr verschwindet. Ein nächtlicher Spaziergang durchs Donauried kann da den Blick für den gegenteiligen Eindruck freimachen. Noch. Denn schon zu Herbstbeginn warnte der Landesbund für Vogelschutz im Kreis Dillingen mit einer „dringenden Bitte an Bevölkerung, Gewerbetreibende und vor allem an die öffentliche Hand, überflüssiges Licht zu vermeiden“. Die Kreisgruppenvorsitzende Anne Vogel forderte: „Um das Problem übermäßiger künstlicher Beleuchtung in den Griff zu bekommen, muss ein Bewusstseinswandel in der Gesellschaft erfolgen.“

    Damit scheint die Vogelexpertin zumindest bei den Kommunen im Landkreis offene Türen einzurennen. Offizielle Gebäude wie Rathäuser, Schulen oder sogar Kirchen werden nach 23 Uhr schon längst nicht mehr in Szene gesetzt. Und Jahre vor den neuen Gesetzen haben die Gemeinden zwischen Syrgenstein und Buttenwiesen zum Beispiel den alten kaltweißen und damit schädlichen „Funzeln“ den Kampf angesagt und auf moderne, zielgerichtete LED-Technik umgerüstet. Das gilt erst recht für Dillingen, das zusammen mit der Nachbarstadt Lauingen und den Donau-Stadtwerken regelmäßig auch im Sinne von Umwelt- und Insektenschutz erneuert. Werkleiter Wolfgang Behringer: „Unser Augenmerk liegt dabei auf Nachhaltigkeit, Klima und Energieeffizienz.“ Darauf schwört der Holzheimer Amtschef Simon Peter – ein Hobbyimker – ebenso. Moderne Technik herrscht auch am Wertinger Schloss vor, der Verwaltung. Nicht ohne Stolz weist Dieter Nägele auf die fünf Eingangsleuchten hin, die mit einem Bewegungsmelder ausgestattet wurden, sowie die fünf Fassadenstrahler mit Schaltzeitvorrichtung. „Wir gehen das alles höchst sensibilisiert für die Umwelt an.“

    Höchstädts erster Mann Gerrit Maneth spricht sich deutlich gegen exzessiven Lichteinsatz aus. „Es gibt schon Fälle, bei denen wir aus Sicherheitsgründen für Licht sorgen müssen, etwa für die Schichtarbeiterin, die nachts mit dem Rad unterwegs ist.“ Und gibt zu bedenken: „Wir müssen aber hier nicht alles und die gesamte Nacht ausleuchten, das große Haus, den riesigen Baum - dazu liegt mir das Klima zu sehr am Herzen.“

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