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Landkreis Dillingen: Klima-Serie: So kann das Moor in Gundelfingen beim Klimaschutz helfen

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Klima-Serie: So kann das Moor in Gundelfingen beim Klimaschutz helfen

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    Ausblick vom Beobachtungsturm auf den Schurrsee, heute ein Vogelschutzgebiet. Hier verläuft auch der Graben "Roher Teichgraben", der für die Wiedervernässung zugeschüttet werden soll.
    Ausblick vom Beobachtungsturm auf den Schurrsee, heute ein Vogelschutzgebiet. Hier verläuft auch der Graben "Roher Teichgraben", der für die Wiedervernässung zugeschüttet werden soll. Foto: Johanna Hofmann (Archivbild)

    An einem heißen Sommertag mit über 30 Grad staubt der Boden im Gundelfinger Moos. So sieht es aktuell nicht nur in der Gärtnerstadt, sondern in vielen Mooren aus, die vor über 200 Jahren noch unberührte Feuchtbiotope waren. Doch genau dort liegt eine Chance in der Klimakrise: die Wiedervernässung der Moore.

    Dafür setzt sich in der Region unter anderem die Agraringenieurin Anja Schumann ein. "Die Wiedervernässung ist die schnellste Möglichkeit, um CO₂ einzusparen", sagt die stellvertretende Leiterin der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Schwäbisches Donaumoos. Der Landwirtschaftspflegeverband mit Sitz in Leipheim (Landkreis Günzburg) befasst sich seit 30 Jahren mit der Renaturierung im Donaumoos.

    5,4 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente entweichen aus bayerischen Mooren im Jahr

    Die Chance der Moore in der Klimakrise kann Schumann aus dem Stegreif vorrechnen. Während sie mit ihrem Geländewagen durch das Moor fährt, erklärt sie, dass einem trocken gelegten Moorboden pro Hektar etwa 30 Tonnen an Kohlendioxide und andere Treibhausgase, auch CO₂-Äquivalente genannt, entweichen. Gerechnet auf die Fläche von 2250 Hektar in Gundelfingen sind das jährlich etwa 67.500 Tonnen.

    Das Gundelfinger Moos soll renaturiert werden. Wissenschaftler sehen darin eine wichtige Chance in der Klimakrise.
    Das Gundelfinger Moos soll renaturiert werden. Wissenschaftler sehen darin eine wichtige Chance in der Klimakrise. Foto: Johann Hofmann (Archivbild)

    Das bestätigt ebenfalls Matthias Drösler. "Die Moore haben ein riesen Potenzial. Es entstehen jährlich 5,4 Millionen Tonnen an Emissionen aus allen Mooren in Bayern." Drösler leitet die Professur für Vegetationsökologie an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und forscht in bayerischen Mooren wie auch aktuell im Donaumoos. Im Freistaat gibt es 220.000 Hektar an Mooren, 125.000 Hektar davon werden landwirtschaftlich genutzt. Durch die Wiedervernässung könnten ihm zufolge die Treibhausgase erheblich reduziert und ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden.

    Wiedervernässung von Mooren wie in Gundelfingen hilft beim Klimaschutz

    In der Klimakrise gibt es drei Handlungsmöglichkeiten, wie der Vegetationsökologe erklärt: So gut wie möglich Energie sparen, fossile durch erneuerbare Energieträger ersetzen und landnutzungsorientierte Maßnahmen, wozu die Renaturierung von Mooren zählt. Das ist die effizienteste Möglichkeit neben der Aufforstung und dem Humusaufbau auf Landwirtschaftsböden. Denn wird einem Moor das Wasser entzogen, trocknen die Torfkörper aus und Nährstoffe entweichen. Das Moor kann kein Wasser mehr speichern, Kohlendioxid wird freigesetzt. Renaturiert man ein Moor, kann man diesen Prozess stoppen.

    Doch wie soll die Wiedervernässung im Gundelfinger Moor ablaufen? Dazu braucht es einen Blick in die Geschichte. Das Gundelfinger Moos wurde, wie viele Moore, im 18. und 19. Jahrhundert entwässert und ist von Torfabbauflächen durchzogen. Das Land benötigten die Menschen, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Als die Flächen später weniger benötigt wurden, wucherten sie mit Büschen und Bäumen zu. Diese entfernen Landwirtinnen und Landwirte mit der ARGE Donaumoos seit Jahrzehnten, damit dort weiter Vögel am Boden brüten können.

    Für die Renaturierung im Gundelfinger Moos wird ein Graben zugeschüttet

    Die Pläne für die Renaturierung hat der Biologe Ulrich Mäck, der den Landwirtschaftspflegeverband leitet, mitentwickelt. "Das Gundelfinger Moor ist ein Niedermoor, das vom Grundwasser gespeist wird", erklärt er. Im Donaumoos ströme das Wasser von der Schwäbischen Alb unter dem Moor in die Donau. Um das 224 Hektar große Naturschutzgebiet wiederzuvernässen, sind drei Bauabschnitte geplant (siehe Grafik). Im ersten Schritt wird der zentrale Entwässerungsgraben "Roher Teichgraben" auf der ganzen Länge mit Torf zugeschüttet. Als zweite Maßnahme soll Wasser aus den Nordgräben eingeleitet werden. Aus der Hangkante dort entspringt ursprünglich das Gundelfinger Moor. Danach soll in der dritten Phase, die noch nicht genehmigt ist, Grundwasser von den nahegelegenen Vollmer-Seen zugeleitet werden.

    Die Abschnitte sollen im Abstand von mehreren Jahren aufeinanderfolgen. Der Grundwasserspiegel wird so bis zehn Zentimeter unter der Grasnarbe im Kerngebiet von 224 Hektar angehoben werden. Bisher ist es dort bis Mai oder Juni nass. Nach der Renaturierung kann das Wasser vom Winter möglicherweise bis Juli gehalten werden.

    Im nassen Gundelfinger Moor waten Exmoor-Ponys und Rinder im Wasser

    Aktuell werden im Wasserrechtsverfahren die Pläne geprüft. Mäck schätzt, dass die Entscheidung bis zum Frühjahr 2023 dauern wird. Danach folgt eine Flurneuordnung, in der sich das Amt für ländliche Entwicklung in Krumbach mit jeder Eigentümerin und jedem Eigentümer einigt, was mit ihren Flächen passiert. Fertig sein, könnte nach seiner Einschätzung die Renaturierung frühestens in zehn Jahren.

    Exmoor-Ponys leben seit über 20 Jahren im Gundelfinger Moor und grasen dort Flächen ab. In nässeren Monaten stehen sie auch mal bis zum Bauch im Wasser.
    Exmoor-Ponys leben seit über 20 Jahren im Gundelfinger Moor und grasen dort Flächen ab. In nässeren Monaten stehen sie auch mal bis zum Bauch im Wasser. Foto: Ulrich Mäck (Archivbild)

    Auf den nassen Flächen kann dann nicht mehr gemäht werden. Gesetzt wird auf Tiere, die dort die Flächen abgrasen, wie die Schotttischen Hochlandrinder von drei Moor-Klimawirten und Exmoor-Ponys, die bereits seit Jahren im Gundelfinger Moor leben. Auch Vogelarten, wie die Bekassine oder Pflanzen, wie Wollgras, die beide typisch für Moore sind, finden dort wieder einen Lebensraum.

    Landwirtinnen und Landwirte haben Vorbehalt bei der Renaturierung

    Doch es gibt auch Kritik an der Wiedervernässung im Gundelfinger Moor. Diese kennt Georg Stark als Sprecher des Arbeitskreises "Gundelfinger Moos". In diesem suchen Vertreter der Eigentümer, Kommunen, des Naturschutzes und der örtlichen Bauernschaft – Peterswörth, Gundelfingen, Sontheim - seit 2009 nach Lösungen für die fachgerechte Renaturierung, rechtliche Fragen zu Eigentum und Schadensausgleich. "Einige Landwirtinnen und Landwirte haben Bedenken, ob ihre Moorflächen an Wert verlieren und dass sie diese mit dem Wasser nicht mehr bewirtschaften können", berichtet Stark. Er sei vor dreißig Jahren als Landwirt auch noch skeptisch gewesen, Veränderung sei oft schwierig.

    Gemeinsam setzen sie sich mit der ARGE Schwäbsiches Donaumoos für den Natur- und Klimaschutz im Leipheimer und Gundelfinger Moor ein (von links): Leiter Ulrich Mäck, sein Nachfolger und aktuell wissenschaftlicher Mitarbeiter Raphael Rehm und die Stellvertreterin Anja Schumann.
    Gemeinsam setzen sie sich mit der ARGE Schwäbsiches Donaumoos für den Natur- und Klimaschutz im Leipheimer und Gundelfinger Moor ein (von links): Leiter Ulrich Mäck, sein Nachfolger und aktuell wissenschaftlicher Mitarbeiter Raphael Rehm und die Stellvertreterin Anja Schumann. Foto: Susanne Klöpfer

    Die Gundelfinger Gärtner hatten ebenfalls Sorgen, dass durch die Wiedervernässung, die Bewässerungsbrunnen, die sich aus Grundwasser speisen, kein Wasser mehr haben. Andererseits gebe es an der Bächinger Straße die Angst vor Überschwemmungen, wie es vor 30 Jahren durch ein Starkregenereignis gegeben habe. "In beiden Fällen sehen die Hydrologen keine Beeinträchtigungen", sagt Stark.

    "Moore retten uns nicht allein, aber verschaffen und wertvolle Zeit"

    Für Ängste und Bedenken haben Ulrich Mäck und die Arge Verständnis. Sie versuchen auf Infoabenden mit den Beteiligten zu sprechen. Die Ängste sind Mäck zufolge dieselben wie in Leipheim, wo seit zehn Jahren ein Teil des Donaumooses wiedervernässt ist. Dort reduzierten sich bereits ab dem Folgejahr die Treibhausgase, erklärt Mäck, jedes Jahr und biete eine schnelle Hilfe in der Klimakrise. Er verdeutlicht: "Moore retten uns nicht allein, aber verschaffen und wertvolle Zeit für andere Maßnahmen gegen die Klimakrise."

    Verfehlen wir die globalen Klimaziele? Dieser Countdown zeigt, wie viel Zeit und CO2-Budget für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels bleibt.

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