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Landkreis Dillingen: Kein Bett mehr frei: Patienten aus dem Kreis Dillingen müssen wieder heim

Landkreis Dillingen

Kein Bett mehr frei: Patienten aus dem Kreis Dillingen müssen wieder heim

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    Weil es keine freien Intensivbetten mehr gibt, werden keine planbaren Operationen mehr durchgeführt – nicht nur in Dillingen oder Wertingen. Sondern auch in Augsburg. Diese Erfahrung musste jetzt ein Wertinger machen.
    Weil es keine freien Intensivbetten mehr gibt, werden keine planbaren Operationen mehr durchgeführt – nicht nur in Dillingen oder Wertingen. Sondern auch in Augsburg. Diese Erfahrung musste jetzt ein Wertinger machen. Foto: Ralf Lienert (Symbolbild)

    Ein Wertinger müsste dringend am Herzen operiert werden. Nun wurde sein Operation schon zum zweiten Mal verschoben. Ein Höchstädter hat Krebs, bereitet sich auf den Eingriff vor - und muss wieder heim. Die Lage ist nicht nur in den Dillinger Krankenhäusern so angespannt wie noch nie seit Beginn der Corona-Pandemie.

    Albert Wiesenbauer ist außer sich: Bereits zwei Mal ist wegen der Corona-Pandemie seine dringende Herz-Operation an der Augsburger Uniklinik verschoben worden. „Die Intensivstation ist überbelegt, von Ungeimpften“, schimpft der 82-Jährige aus Wertingen. Seine erste Absage hatte den Rentner am Vorabend seiner Anreise nach Augsburg erreicht.

    Der Renter lag in der Uniklinik schon in einem Bett

    Dieses Mal aber lag er sogar schon auf Station in einem Bett, bereitete sich seelisch auf den anstehenden Eingriff am nächsten Tag vor. „Das ist ja nicht, wie wenn man zum Supermarkt geht.“ Doch dann wurde er wieder nach Hause geschickt, im letzten Augenblick. „Jetzt steh’ ich da und muss warten.“ Aus seinem Bekanntenkreis wisse er von einer weiteren verschobenen Operation.

    Dann ist da noch ein 75-Jähriger aus Höchstädt. Auch er wendet sich an die Zeitung, denn auch seine Operation ist nun abgesagt worden. „Gestern sollte ich ins Krankenhaus kommen, heute wäre ich operiert worden. Stattdessen wurde ich wieder heimgeschickt.“

    Vor ein paar Wochen war bei dem Mann im Rahmen einer Darmspiegelung Krebs entdeckt worden. Nun sollten 90 Zentimeter vom Darm und weiteres Gewebe zur Untersuchung entfernt werden. Drei Tage lang hatte der Rentner gefastet, um sich wie von ärztlicher Seite empfohlen auf die Operation vorzubereiten.

    „Im Krankenhaus auf der Station sah mich zufällig der Arzt und sagte, alle Intensivbetten seien bereits belegt. Und die Notfallbetten seien für zwei, die noch kränker sind als ich. Also schickte er mich wieder heim.“ Der Höchstädter rief direkt wieder seine Frau an, die ihn kurz zuvor gebracht hatte, und ließ sich wieder abholen.

    Der Höchstädter macht sich große Sorgen um seine Gesundheit

    „Der Arzt konnte gar nichts dafür. Aber wer sich jetzt nicht gegen das Coronavirus impfen lässt, ist mitschuldig an der Situation“, sagt der 75-Jährige. Er macht sich große Sorgen. Jeden Tag könnte sich der Krebs in seinem Körper weiter ausbreiten. Der Arzt habe ihm empfohlen, sich bereit zu halten und keine schwer verdaulichen Dinge zu essen. Großen Hunger hatte er nach dem Desaster ohnehin nicht. „Ich trinke schwarzen Kaffee. Milch soll ich meiden, also lasse ich das.“

    Die Lage ist nicht nur in Dillingen ernst

    Dillingens Chefarzt Dr. Wolfgang Geisser und sein Team leiden mit solchen Patienten mit. „Ich habe eben wieder einen aus dem OP rausgeschoben, der seit fünf Tagen dran wäre. Stattdessen übernehme ich gleich den nächsten schwerkranken Covid-Patienten aus einem anderen Krankenhaus“, schildert der Arzt die aktuelle Lage.

    Es fänden keine geplanten Operationen mehr statt, nichts, null. Denn danach müssten die Patienten auf der Intensivstation noch für eine Zeit beobachtet werden. Doch die ist besetzt. Vor allem von ungeimpften Corona-Patienten.

    Geisser steht unter anderem mit Professor Axel Heller in Kontakt. Der ist Chefarzt an der Augsburger Uniklinik und Ärztlicher Leiter der Krankenhauskoordinierung im Großraum Augsburg. Laut Heller waren am Dienstag die Intensivkapazitäten zu 99 Prozent ausgelastet. „Es gibt drei freie Betten im ganzen Zweckverband, davon eines für Covid“, so Heller am Dienstag. In den vergangenen Wellen habe man immer noch eine Reserve von vier Intensivbetten in der Hinterhand behalten, um noch reagieren zu können, wenn es größeren Zulauf auf die Intensivstationen gibt. „Diese Pufferkapazität ist jetzt aufgebraucht“, betont Heller.

    Geisser und er gehen davon aus, dass sich die Lage weiter verschärft. 1200 Intensivbetten könnten bis Ende des Monats in Bayern nötig sein. Doch es seien nur 800 vorhanden – und die alle voll. Man werde überbelegen müssen, wie es andere Häuser schon täten. In der ersten Corona-Welle wusste man nicht, was kommt, habe aber die Lage bewältigt. Jetzt aber sei die Situation laut Geisser so schlimm wie nie. Das Personal in den beiden Kreiskrankenhäusern sei weiterhin hoch motiviert. „Alle ziehen mit.“ Dennoch sei es schwer, wenn der nächste schwer kranke Patient ankommt, der wieder nicht geimpft ist und so „bewusst ein Bett für einen anderen oder eine andere blockiert. Das muss man sich mal vorstellen“, sagt Geisser fassungslos. Ein schwer kranker Corona-Patient mache so viel mehr Arbeit und leugne dann noch die aktuelle Situation. „Da fehlen einem die Worte.“

    Wer sind die ungeimpften Patienten?

    Unter den erkrankten Ungeimpften seien alle Altersgruppen vertreten. Die meisten stammen aus dem Landkreis. Wer zwischen Schwabmünchen und Nördlingen, Aichach und Zusmarshausen in ein anderes Krankenhaus verlegt werden muss, darüber entscheide ein Koordinator an der Augsburger Uniklinik. Der kenne auch die einzelnen Kapazitäten. „Die Wertinger verlegten auch schon Leute nach Bobingen oder Augsburg. Und wir hätten fast einen aus Kempten bekommen.“ In Norddeutschland sei die Inzidenz zwar niedriger, doch Patienten bis dorthin zu schicken, sei nicht sinnvoll. Stattdessen müsste man nun auch noch Notbetten bereithalten. Man sei im Krisenmodus. „Die geplante Patientenversorgung ist kollabiert.“

    Das sagt die Regierung von Schwaben

    Die Notversorgung solle unter allen Umständen aufrechterhalten werden. Behandelt würde also weiterhin jeder , doch man müsse eben mit Wartezeiten rechnen. Und geplante Eingriffe werden weiter verschoben. „Leichtfertig verschieben wir niemanden, das muss klar sein. Doch so, wie die Situation gerade ist, war sie noch nie. Auch für mich nicht.“ Der Chefarzt erinnert daran, dass das Krankenhaus neben der medizinischen auch eine gesellschaftliche Aufgabe habe – „aber alle anderen, auch die Ungeimpften, haben die auch“.

    Am Mittwochabend teilte die Regierung von Schwaben mit: Medizinisch aufschiebbare Operationen seien seit dem Wochenende untersagt. So soll die stationäre Versorgung von Notfällen und Covid-19 Patienten sichergestellt werden. „Aktuell können nicht mehr alle Corona-Intensivpatienten in jedem der drei Rettungsdienstbereiche in Schwaben medizinisch versorgt werden. Eine wachsende Zahl muss unter großem medizinischem und organisatorischem Aufwand in andere Häuser innerhalb Schwabens oder in andere Regierungsbezirke verlegt werden.“ (mit skro)

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