Dass ChatGPT Texte schreibt, ist nichts Neues mehr. Mit Microsofts Suchmaschine Bing lassen sich dank der App „Co-Pilot“ mittlerweile Bilder erstellen und Informationen filtern. Stimmen werden für Kurzvideos in sozialen Medien wie TikTok und Instagram generiert, auf Basis von schriftlichen Untertiteln. Aber Musik? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat etwa einen eigenen KI-Wiesn-Song veröffentlicht. Emotionen, Kreativität, Gefühl – das sind menschliche Eigenschaften. Künstlerinnen und Künstler transportieren mit ihren Kompositionen Erlebnisse, Politik und was sie im Innersten bewegt. Kann Künstliche Intelligenz (KI) das auch? Immerhin versprechen es zahlreiche Anbieter wie Suno und Loudly, deren Anwendungen (Tools) auf Befehl fertige Lieder generieren. Musikerinnen und Musiker aus dem Landkreis Dillingen sagen ganz klar: Nein. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.
Im Buttenwiesener Ortsteil Oberthürheim probt die Nachwuchsband „Tales of Tomorrow“. Bassistin Maja Musialek sagt: „Manchmal hört man zwar nicht direkt, dass ein Song KI-generiert ist, aber bei anderen dafür extrem.“ Für die 19-Jährige gehe es bei Musik um Emotionen und die Menschen, die dahinter stehen. „Ich bin gespannt, ob und wann die KI das transportieren kann“, sagt die Buttenwiesenerin. Trotzdem befürworte sie, dass weiter an der Technologie gearbeitet wird: „Alles andere wäre rückwärtsgewandt.“
Musiker in Oberthürheim: „Fehler machen Musik schön“
Ihr Bandkollege Kursat Durmus aus Augsburg ist KI-Tools gegenüber aufgeschlossen, erzählt er. Jedoch nur, wenn sie als Inspiration genutzt werden und Menschen später den vollständigen Song aufnehmen. „Wenn alles perfekt ist, dann klingt es nicht menschlich“, beteuert der Gitarrist, „Fehler machen Musik schön“. Makellos seien generierte Stücke seiner Meinung nach aber auch noch lange nicht. KI-Songs klängen oft „matschig und nicht organisch“.
Vor allem bei deutschen KI-Titeln fällt Keyboarderin Verena Piek auf, dass „oft Wörter gewählt werden, die niemand im Alltag benutzt“. Die 16-Jährige sei zwar grundsätzlich für KI-Tools, aber „wenn es um Musik geht, könnte sie weg. Ich will mich mit den Künstlern identifizieren können“. Der Augsburgerin sei „schlechte Musik“ von Menschen lieber, als „gute Musik“ von einer KI. Rhythmusgitarristin Emily Klein aus Höchstädt hingegen findet, dass die Technologie durchaus eine Daseinsberechtigung hat: „Es entwickelt sich immerhin alles weiter.“ Für Schlagzeuger Sascha Wild ist es kein Problem, dass KI in der Musikbranche Einzug hält: „Wenn es gut ist, höre ich es mir schon an. Aber ausufern darf es nicht.“ Sogar wenn es das würde, meint der 35-jährige Weisinger: „Man kann es eh nicht mehr aufhalten“.
Tontechniker Oliver Koller produziert Musik für mehrere Bands, darunter „Tales of Tomorrow“. Wichtig ist ihm, klarzustellen, dass KI bei ihm nicht für die Musikproduktion dieser echten Bands zum Einsatz komme. Die Technologie nutze er lediglich für seine eigenen KI-Projekte. Das reiche von Effekten für Musikvideos hin zu ganzen Songs. Der Oberthürheimer lasse die Tools dafür im Regelfall keine fertigen Lieder erzeugen, sondern die Klänge der einzelnen Instrumente, egal ob Synthesizer oder sogar Gesang. Danach bearbeite er sie und füge sie zusammen. Denn die Qualität lasse ohne diese Zusatzarbeit zu wünschen übrig: „Man hört etwa ein Rauschen im Hintergrund.“ Koller nutze KI vor allem als Inspiration. „In fünf Jahren wird das normal sein“, ist er überzeugt. Denn mit den Anwendungen auf Basis von maschinellem Lernen sparten Produzenten vor allem Zeit. „Die KI muss in der Musikbranche bleiben. Sie sollte aber echten Bands nicht die Chance auf Erfolg nehmen“, sagt er.
Lauinger Musiklehrer: „Den Kreativbereich übernimmt eine Maschine“
Diese Gefahr sieht auch Klaus Nürnberger. Er ist Leiter der Fachschaft Musik am Lauinger Albertus-Gymnasium und Dozent an der Dillinger Lehrerakademie. „Es geht um die ethischen Fragen“, sagt er. Etwa: „Wo stehen Musikerinnen und Musiker in 20 Jahren? Bei wem liegen die Rechte an der Musik?“ Denn KI-Tools erschaffen Musik basierend auf Trainingsdaten. Das heißt, sie werden mit echter Musik angelernt und kreieren aus dieser neue. „Diese Künstler haben nichts davon“, gibt Nürnberger zu bedenken. Gleichzeitig bedeute diese Funktionsweise für den Musiklehrer, dass nichts wirklich Neues daraus entstehen könne. „Man muss aufpassen. Der Kreativbereich, der die Musik ausmacht, den übernimmt eine Maschine.“
Doch wo genau liegen Nürnbergers Meinung nach aktuell die Grenzen von KI-Musik? „Es geht bei diesen Programmen um den Mainstream“, erklärt er. Je nieschiger, also spezieller, die gewünschten Stücke werden, desto mehr sei deren KI-Ursprung hörbar. Ebenso verhalte es sich mit der Komplexität, etwa bei Metal, Jazz oder klassischer Musik. Grundsätzlich könne eine Musik-KI etwa Bach erlernen, solange sie mit den richtigen Stücken gefüttert werde. Doch wer die Werke des Komponisten gut kenne, so der Musikpädagoge, höre Abweichungen heraus. Etwa in der Instrumentierung oder bei Akkordverbindungen, die nicht ins Bild passen. Zudem klängen generierte Instrumente oft noch synthetisch.
Wie der Oberthürheimer Tontechniker Koller findet auch Nürnberger, dass KI als Inspirationshilfe „phänomenal“ sei. Außerdem sei er beeindruckt, wie viel schon mit der neuen Technologie möglich ist. Gleichzeitig gibt er zu bedenken: „Wir sind gerade erst am Anfang einer Entwicklung.“ Was in einigen Jahren sein wird, „das kann niemand abschätzen“. Der Musik-Experte vergleicht es mit der rasanten Entwicklung von Smartphones und Computern. Besondere Gefahr sieht er für Musikerinnen und Musiker, die Gema-freie Hintergrundmusik erstellen, wie sie etwa in Einkaufszentren läuft. „Dieser Berufszweig wird wohl verschwinden“, vermutet er. Für die Zukunft von KI-gestützter Musik wünscht sich der Musiklehrer vor allem eins: „Dass es möglich bleibt, dass Musikerinnen und Musiker ihr immenses Wissen, das sie erlangt haben, weiterhin einbringen können. Wir Menschen haben den großen Vorteil, dass wir weiterdenken können.“
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