Schon der erste Satz der wohl wichtigsten Zeugin in diesem Prozess setzt den Ton für ihre restliche Aussage: "Er hat den Hammer definitiv nicht in der Hand gehabt", sagt die Frau im Zeugenstand auf die Frage, was an jenem Abend passiert sei. Sie sagt aus in einem Verfahren, das sich inzwischen über Monate zieht: Ein Mann aus dem Landkreis Dillingen soll versucht haben, einen anderen im Streit mit einem Hammer zu erschlagen. Die Anklage lautet auf versuchten Mord. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass der Mann aus Eifersucht und damit aus niederen Beweggründen gehandelt hat. Passiert ist aber wohl nicht viel in jener Nacht im Dezember 2021. Der Angegriffene konnte die angebliche Attacke abwehren, beide rangelten am Boden. Dann rückte auch schon eine Vielzahl an Polizeibeamten an. Wenig später wanderte der Angeklagte in Untersuchungshaft. Am Mittwoch sagte nun endlich die Frau aus, auf die die Prozessbeteiligten seit Monaten warten. Sie will an jenem Abend alles gesehen haben und soll endlich aufklären.
Bisher war folgendes bekannt: Der vermeintlich Geschädigte war an jenem Abend bei seiner Freundin in Dillingen, eine weitere Frau - die 35-jährige Zeugin - war ebenfalls dabei. Zu dritt wollten sie den Abend verbringen. Der Angeklagte wiederum kam zu später Stunde mit einem Hammer in der Tasche und betrunken vorbei, um in der Wohnung seinen Impfpass abzuholen. Als er den anderen Mann dort sah, soll es zu dem Zwischenfall gekommen sein. Die wohl wichtigste Frage, die sich stellt: Hatte er den Hammer in der Hand oder nicht? Die Zeugin ist überzeugt: Nein. Als die beiden auf dem Boden rangelten, habe sie den einen vom anderen heruntergezogen. In dem Moment, da ist sie sich sicher, sei der Hammer aus der Tasche gefallen.
Prozess um versuchten Mord in Dillingen: Wie viel konnte die Zeugin sehen?
Das fünfköpfige Schwurgericht im Augsburger Landgericht klopft im Kreuzverhör die Aussagen der Zeugin auf Ungenauigkeiten ab: Wer hat den Streit angefangen? Wie viel konnte sie überhaupt sehen? Wer sprach nach dem Vorfall wann mit wem über was? So sagt die Frau zwar, der Angeklagte habe keinen Hammer in der Hand gehabt und habe auch nicht mit einem solchen auf den anderen Mann eingeschlagen. Zugleich wird während der Aussage aber deutlich, dass sie im Hintergrund stehend nur die rechte Körperhälfte des Angeklagten sehen konnte. Der Hammer war jedoch in der linken Tasche. Insgesamt, sagt sie, sei alles ganz schnell gegangen. Trotzdem sei sie sicher, dass die vermeintliche Waffe nicht in der Hand des Angeklagten war. "Das kann man Ihnen glauben, muss man aber nicht", sagt darauf der Staatsanwalt. Zwischenzeitlich droht er ihr gar mit einem Verfahren wegen Falschaussage, weil er Widersprüche zu ihrer Aussage bei der Polizei direkt nach der Tat sieht. So weit kommt es am Ende aber doch nicht.
Wichtig ist dem Gericht auch, ob und was die Zeugin mit dem Angeklagten, mit dem sie noch heute befreundet ist, über den Vorfall gesprochen hat. Hat sich ihr Bild des Abends erst im Nachhinein entwickelt? Mit dem Kontrahenten des Angeklagten hat die Zeugin heute keinen Kontakt mehr. Sie beschreibt ihn vor Gericht als "Psychopath", als aufbrausenden, lauten Typen. Mit dem Angeklagten habe die 35-Jährige über das Verfahren aber nicht gesprochen. Die U-Haft habe ihn schon genug belastet.
Der Angeklagte sagt: "Ich hätte ihn niemals töten wollen, um Gottes Willen"
Zum Ende ihrer Aussage ist also immer noch nicht sicher, was an dem Abend passiert ist. Der vermeintlich Geschädigte behauptet, mit einem Hammer angegriffen worden zu sein. Die beiden Frauen, die dabei waren und als Zeuginnen auftreten, haben einen solchen Hammerschlag aber nicht gesehen. Für den Vorsitzenden Richter Roland Christiani ergeben sich zwei zentrale Aspekte: Zum einen die Tatsache, dass der Angeklagte, als er sich betrunken und wütend auf den Weg zur Wohnung der Frau machte, extra einen Hammer einpackte. Zum anderen die Aussage eines Polizisten, wonach der Mann im Streifenwagen nach dem Vorfall gesagt habe, er habe seinen Widersacher umbringen wollen. Der Kollege des Polizeibeamten, der ebenfalls im Auto saß, sagte im Zeugenstand, das nicht gehört zu haben. Auch wurde die Äußerung wohl in keiner Akte vermerkt.
Erstmals äußert sich auch der Mann auf der Anklagebank selbst zu den Vorwürfen. Er sei an dem Abend sehr wütend gewesen. Denn eigentlich war vereinbart, dass er sich mit den beiden Frauen trifft. Doch dann machten sie andere Pläne mit seinem späteren Widersacher. Die beiden hätten ihn "wieder mal verarscht". Also sei er nach Dillingen aufgebrochen, um die Frau seiner Träume vor die Wahl zu stellen: er oder der andere? Den Hammer habe er von der Hüttenparty mitgenommen, um sich zu schützen. "Ich hätte ihn niemals töten wollen, um Gottes Willen", sagt er. Er habe Angst gehabt vor dem anderen Mann.
Mit dieser Aussage haben die Richter offenbar ihre Schwierigkeiten. Irgendwann sagt Christiani: "Sie wollten den anderen vertreiben." Das räumt der Angeklagte dann auch ein. Ermorden habe er ihn aber nicht wollen. Den Hammer habe er nicht gezogen. Spätestens Ende März soll ein Urteil fallen.