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Landkreis Dillingen: Im Angesicht des Todes zitterte auch Jesus

Landkreis Dillingen

Im Angesicht des Todes zitterte auch Jesus

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    Das Kreuz ist für Sonja Unger längst kein Hinrichtungssymbol mehr. Die Koordinatorin des Hospizdienstes im Landkreis Dillingen und Prädikantin der Wertinger Bethlehemgemeinde sieht darin vielmehr die Verbindung von Gott zu den Menschen.
    Das Kreuz ist für Sonja Unger längst kein Hinrichtungssymbol mehr. Die Koordinatorin des Hospizdienstes im Landkreis Dillingen und Prädikantin der Wertinger Bethlehemgemeinde sieht darin vielmehr die Verbindung von Gott zu den Menschen. Foto: Birgit Hassan

    Alle Muskeln spannen sich an, das Herz rast, der Mensch schwitzt, zittert, atmet schneller, spürt einen Druck auf der Brust. Die Buttenwiesener Psychotherapeutin Elvira Braun zählt typische Reaktionen der Angst auf. „Urzeitliche Symptome“, wie sie sagt. So reagierte auch Jesu Körper, als er angesichts seines bevorstehenden Todes im Garten Gethsemane am ganzen Körper zitterte. „Während er betet, schwitzt er Blut und Wasser“, erinnert Diakon Jürgen Zapf. Lautstark klagt Jesus: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Damit kommt er laut dem Seelsorger in eine neue Tiefe. Besagte Klarheit nimmt Sonja Unger vom Caritas-Hospizdienst im Landkreis Dillingen oft bei Menschen am Ende ihres Lebens wahr.

    Seelsorger im Landkreis Dillingen

    Der 56-jährige Jürgen Zapf wirkt seit September in Wertingen als Diakon. Gleichzeitig unterstützt er in den Dekanaten Dillingen, Donauwörth und Nördlingen Pfarreien bei Übergängen in Pfarreiengemeinschaften und Pfarrerwechsel. Nicht nur Institutionen, sondern vor allem viele Menschen hat er in seinem Leben begleitet in etwas Neues – bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. „Es gibt Begleitungen, die gehen mir selbst tief unter die Haut.“ So erzählt er von schwerkranken Menschen und Situationen, in denen er sich selbst zu nichts anderem fähig fühlte als zuzuhören. Doch gerade das, weiß der Seelsorger, ist oft das Wichtigste. Er sieht sich selbst in solchen Situationen als Werkzeug Gottes. Der 56-Jährige will niemand etwas aufdrängen oder Ratschläge geben. „Das steht nicht in meiner Macht.“

    In diesem Sinne begleiten auch Sonja Unger und ihre Kolleg(inn)en Sterbende und deren Angehörige. „Wir gehen den Weg, den der Schwerkranke vorgibt“, sagt die 53-jährige Villenbacherin. „Jede Begleitung ist so individuell wie jeder Lebensweg.“ Natürlich trauern und weinen Angehörige und Freunde. Doch ganz oft gehen die Sterbenden letztendlich sehr friedlich. „Als ob sich ein Knoten löst“, empfindet Unger solche Situationen persönlich immer wieder als sehr bereichernd.

    Blick der Sterbenden ändert sich

    „Der Blick der Sterbenden ändert sich.“ Wo dieser sich vorher im Nichts verloren hat, erkennt Jürgen Zapf irgendwann Hoffnung mit einem Stück Gewissheit. Auf Anfrage bietet der Seelsorger Trauergespräche und -begleitung an. Gerade ältere Menschen empfinden dann: „Gott ist weg.“ In dem Fall antwortet Zapf: „Er kommt schon wieder.“ Wie das gehen kann, habe Jesus selbst gezeigt. Indem er sich mit seiner ganz menschlichen Seite und seinen Ängsten gezeigt hat, stellte er sich mit uns auf eine Stufe. Zapf: „Das macht was mit uns.“ Vor allem weil er auch zeigt: „Es kann aufwärts gehen.“

    Den Karfreitag empfindet Sonja Unger daher auch keineswegs als traurigen Moment. „An Ostern kann uns unser ganz persönliches Verhältnis zu Gott bewusst werden.“ Neben ihrer Arbeit beim Caritas-Hospizdienst wirkt die 53-jährige Prädikantin ehrenamtlich in der evangelischen Bethlehemgemeinde in Wertingen. Speziell nach diesem Jahr mit Corona verstärkt sich für sie die Aussage des Osterfestes: „Die Hoffnung auf einen Neuanfang.“ Vor allem im zwischenmenschlichen Bereich sieht Unger viele Möglichkeiten: „Wenn wir gegenseitig unsere Empfindungen ehrlich aussprechen, können wir uns ganz neu begegnen.“ Nichts geht für Sonja Unger über einen guten Freund, dem wir jederzeit alles sagen können.

    Wertinger erlebt Jesus als guten Freund

    Solch einen guten Freund erlebt Jürgen Zapf in Jesus. „Ich bin kein Frömmler“, sagt er, „doch ein überzeugter Jesus-Anhänger.“ Dem Familienvater und Großvater hat die Beziehung zu Jesus einen neuen Sinn gegeben. Sie ermöglicht ihm ein „spürbares Dasein“ mit den Menschen in seinem Alltag – einen Händedruck oder gutes Wort bewusst wahrnehmen, jedes kurze Lachen und der Blick in die Augen eines Gegenübers. Hätte man ihn vor 30 Jahren gefragt, was das Leben ausmacht, hätte er darauf geantwortet: „Unterwegs sein, Freude erleben.“ Heute, mit 56 Jahren sagt er: „Zu spüren und mich selbst annehmen können, mit allen Seiten, die ich in mir trage.“

    Was macht das Leben aus? „Geld und Besitz sind es nicht“, weiß Sonja Unger aus ihren zahlreichen Gesprächen mit Kranken, alten Menschen und Sterbenden. Für sie sind es vielmehr bewusste Momente, wertvolle Beziehungen, einzelne Erinnerungen, die Ausstrahlung und das Wirken eines Menschen. „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ Wen sie damit zitiert, ist der 53-Jährigen im Moment entfallen. Doch das scheint ihr weniger wichtig als der Sinn der Worte.

    Spaziergänge rund um Villenbach

    Auf Spaziergängen rund um ihren Heimatort Villenbach macht Sonja Unger immer wieder gerne Halt an den zahlreichen Feldkreuzen rund um ihren Wohnort. „Kaum ein Symbol hat sich so lange gehalten wie das des Kreuzes“, sinniert sie. Für Unger ist aus dem Hinrichtungsgerät längst ein Symbol der Liebe geworden. Im aufrechten Balken des Kreuzes sieht sie, wie Himmel und Erde sich verbinden. Und in der Waagrechte? „Wie Gott die ganze Menschheit umarmt.“

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