Lange Monate des Wartens liegen hinter dem Angeklagten, den Angehörigen und Bekannten, die zu jeder einzelnen Verhandlung seit November vor dem Augsburger Landgericht erschienen sind. An diesem Donnerstagmittag fällt endlich eine Entscheidung. Die Reihen im Zuschauerraum des Schwurgerichtssaals sind gut gefüllt, viele hier hoffen auf ein mildes Urteil. Der Mann auf der Anklagebank, der versucht haben soll, einem anderen den Kopf mit einem Hammer einzuschlagen, erscheint wie immer im blauen Sakko, sitzt zusammengesackt da und wartet auf das fünfköpfige Schwurgericht, das über ihn entschieden hat. Die Tür geht auf, die drei Richter und zwei Schöffinnen kommen in den großen Saal, alles erhebt sich. Dann fällt das Urteil: Der Mitte 40-Jährige ist schuldig des versuchten Totschlags und der Bedrohung.
"Es hat sich dieses Verfahren doch zu einem der schwierigsten entwickelt. Und mit den Plädoyers vom letzten Mal erst recht", eröffnet der Vorsitzende Richter Roland Christiani seine Begründung. Zwischenzeitlich habe er sich gedacht: "Sag doch einfach, was dir durch den Kopf gegangen ist!" Doch der Angeklagte habe das nicht geschafft. Und so musste sich das Gericht anhand von Hinweisen und Erzählungen anderer dem nähern, was die Wahrheit sein könnte.
Prozess nach Hammer-Attacke: Im Streifenwagen soll er alles gestanden haben
Im Kern ging es in dem Prozess nicht etwa um die Frage, ob der Angeklagte etwas getan hat, sondern warum. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass er Ende 2021 betrunken, wütend und mit einem Hammer im Gepäck zur Wohnung einer Bekannten in Dillingen fuhr. Dort traf er nicht nur auf die Frau und ihre Freundin, die ein Treffen mit ihm an diesem Abend kurzfristig abgesagt hatten. Er traf auch auf einen anderen Mann, der mit der Frau zusammen war, in die der Angeklagte verliebt war. Es kam zu einem kurzen Wortgefecht, zu einem Gerangel und schließlich zu der Sache mit dem Hammer. Aber hatte der Angeklagte diesen in der Hand? Und wollte er den anderen damit wirklich erschlagen?
Das Gericht ist überzeugt: Als der heute Mitte 40-Jährigeden Hammer einpackte, habe er bei der Frau "aufmischen" wollen, nicht bei dem Mann. Als er vor Ort dann auf diesen traf und dieser ihm seinen Impfpass vor die Füße knallte, sei es zum Kampf gekommen. "Da hätte wahrscheinlich jeder von uns einen dicken Hals bekommen", sagt Christiani mit Blick auf die respektlose Geste. Das Gericht geht davon aus, dass der Angeklagte aus Wut den Hammer zückte und den anderen Mann damit erschlagen wollte.
Der Staatsanwalt, so Christiani, habe die Szenerie genau auseinandergenommen und so auch die Aussagen der beiden Frauen erfolgreich abgeschwächt, während die Einlassung des Angeklagten "totales Chaos" gewesen sei. "Wer sich in dergleichen Widersprüche verhakt und verheddert, braucht sich nicht wundern, wenn wir irgendwann gar nichts mehr glauben", sagt der Richter in Richtung der Anklagebank. Dazu kommen Äußerungen, die er gegenüber einem Polizeibeamten getroffen haben soll: Im Streifenwagen sitzend soll der Angeklagte gestanden haben, dass er den anderen habe umbringen wollen. Ein anderer Polizist, der im Auto saß, hat das nicht gehört.
Der Angeklagte hält Edmund Stoiber für den Bundeskanzler
Doch da sei eben auch das Gutachten, das sich mit der Persönlichkeit des Angeklagten auseinandersetzt. Christiani liest daraus vor: Der Mann kenne zwar die vier Himmelsrichtungen, könne sie aber nicht zuordnen. Er sei der Meinung, Edmund Stoiber sei der Bundeskanzler, und dass Weihnachten etwas mit der DDR und dem Mauerfall zu tun habe. Der Sachverständige hatte ihm einen IQ von 80 bis 90 attestiert. Angesichts dessen, so Christiani, könne man hier nicht die gleichen Maßstäbe ansetzen wie bei anderen Angeklagten. Eine Haftstrafe habe bei ihm keinen Resozialisierungseffekt, ist sich der Richter sicher. Das Schwurgericht sei sich einig, dass er nicht in Haft gehöre. "Obwohl, schön war das net, was Sie da veranstaltet haben."
Der Angeklagte erhält zwei Jahre Haft, ausgesetzt auf Bewährung. Das Gericht geht von einem minder schweren Fall des versuchten Totschlags aus. Die Staatsanwaltschaft hatte mehr als vier Jahre Haft gefordert, Verteidiger Alexander Grob eine Geldstrafe von 3000 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.