Nur sein spätes Geständnis hat einen in Nordschwaben tätigen Frauenarzt vor dem Gefängnis bewahrt. In einem ganztägigen Prozess hat das Amtsgericht in Augsburg den 61 Jahre alten Mediziner nun verurteilt. Er war angeklagt, Vermögen beiseitegeschafft zu haben, um Haftungsansprüchen zu entgehen. Dass der Mediziner jetzt vor Gericht stand, hängt zusammen mit dem tragischen Schicksal einer heute 23 Jahre alten Frau, die seit ihrer Geburt schwerstbehindert ist.
Gutachter bescheinigten, dass dem Arzt und einer Hebamme vor und während der Entbindung im Jahr 2001 Behandlungsfehler unterlaufen seien. Der heute 61-Jährige war damals Belegarzt an einem nordschwäbischen Kreiskrankenhaus gewesen.
Mediziner wie Hebammen haften unabhängig vom Grad des Verschuldens für Behandlungsfehler. Deshalb muss, wer nicht in einem Krankenhaus angestellt ist, sondern freiberuflich arbeitet, selbst eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen. Der angeklagte Arzt und die Hebamme hatten sich mit einer Versicherungssumme von je fünf Millionen D-Mark abgesichert. Durch die Währungsumstellung zum 1. Januar 2002 von D-Mark auf Euro sollte sich dieser Betrag halbieren. In dem Fall hatte dies fatale Folgen: Die Kosten im Pflegebereich sind seither explodiert. Weil Pflegebedürftige zudem heute dank verbesserter Versorgung länger leben, müssten sich freiberuflich tätige Geburtshelfer deutlich höher versichern.
Der angeklagte Arzt soll Geld beiseitegeschafft haben
Schon vor einem Jahrzehnt – die heute 23-Jährige war da zehn Jahre alt – hatte seine Haftpflichtversicherung den Angeklagten warnend hingewiesen, beide Deckungssummen – immerhin fünf Millionen Euro – könnten in absehbarer Zeit aufgebraucht sein. Danach werde der Arzt persönlich für die Behandlungs- und Pflegekosten aufkommen müssen.
Laut Anklage hat der Mediziner in den Jahren 2018 und 2020 Vermögen im Wert von 372.000 Euro beiseitegeschafft, um sie der Insolvenzmasse zu entziehen. Ein Vorwurf, der sich, wenn auch nicht im vollen Ausmaß, im Prozess bestätigte. Im Februar 2021 meldete der Arzt Privatinsolvenz an. Nach der 2020 geänderten Rechtsprechung können zahlungsunfähige Schuldner schon nach drei Jahren schuldenfrei werden. Eine Insolvenzverwalterin zeigte den Arzt nach Durchsicht der von ihm eingereichten Unterlagen und Kontoauszügen wegen des Verdachts auf vorsätzlich herbeigeführten Bankrott an. Wie sie herausfand, hatte er 2018 seinem Sohn 120.000 Euro für den Kauf eines Bauernhauses geschenkt und sich im Gegenzug dort ein Wohnrecht gesichert. Weitere 50.000 Euro schenkte er zwei Jahre später seiner Mutter, die damals im Pflegeheim lebte.
Das Gehalt des Arztes unterliegt der Pfändung
Nach einem Rechtsgespräch, für das die Verhandlung unterbrochen wurde, stellte das Gericht beide Anklagepunkte vorläufig ein. Im Gegenzug legte der 61-Jährige, der bisher zu den Vorwürfen geschwiegen hatte, ein Geständnis ab. Er gestand, in den Jahren 2018 bis 2020 acht Mal Bargeld, insgesamt 225.000 Euro, von seinem Konto abgehoben zu haben. Das Amtsgericht hat ihn jetzt wegen vorsätzlich herbeigeführten Bankrotts in acht Fällen verurteilt. Angeklagt waren elf. Neben der verhängten Bewährungsstrafe von 14 Monaten wurde der Mediziner verpflichtet, eine Geldauflage von 10.000 Euro zu zahlen. Ferner kann die Justiz mit dem Urteil den festgestellten Schaden, 225.000 Euro, bei ihm einziehen – sofern Geld bei ihm zu holen sein wird. Das Gehalt des 61-Jährigen, der heute als Oberarzt arbeitet, unterliegt der Pfändung. Strafmildernd wirkte sich aus, dass alle Ansprüche des geschädigten Kindes seitens des Angeklagten bezahlt wurden.
Der Prozess zeigte gleichzeitig das finanzielle Dilemma auf, in die Krankenkassen, hier die DKV, und der Bezirk Schwaben stecken. Auf sie sind die Ansprüche der Geschädigten übergegangen. Die medizinische und pflegerische Betreuung der jungen Frau verursacht extrem hohe Kosten, 35.000 Euro im Monat. Weil die Versicherungssumme immer weniger wird, erstatten beide Haftpflichtversicherer inzwischen nur noch 35 Prozent der anfallenden Kosten. Für den „Rest“ müssen DKV und der Sozialhilfeträger, der Bezirk Schwaben, aufkommen. 2021 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat die Krankenkasse gegenüber dem Mediziner Forderungen in Höhe von 612.722 Euro angemeldet. Inzwischen dürfte es deutlich mehr sein.
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