Die Zeiten, in denen der Blumenstrauß der lokalen Gärtnerei oder die Romane aus der Buchhandlung wenige Straßen weiter bequem vor die Haustür geliefert wurden, sind wohl erst einmal vorbei. Ab diesem Montag erlaubt auch Bayern als eines der letzten Bundesländer in Deutschland die Click- und Collect-Methode. Wer beim Händler um die Ecke bestellt, kann seine Ware also wieder selbst abholen. Doch hilft das den Gewerbetreibenden wirklich? Und was ändert sich für Kunden im Kreis Dillingen?
Handelsverbands-Sprecher Brenner: Die Entscheidung kommt zu spät
Bernd Brenner vom gleichnamigen Buchhandel in Dillingen findet, dass die Entscheidung deutlich zu spät kommt. „Das wäre in der Vorweihnachtszeit wichtig gewesen.“ Trotzdem ist auch er froh über die Entscheidung, besser als vorher sei es allemal. Der Vizepräsident des bayerischen Handelsverbands nennt ein paar Zahlen: Zwei Drittel der Einzelhändler in Deutschland hätten einer Umfrage des Verbands zufolge angegeben, Insolvenz zu befürchten. „Es schaut bei sehr vielen Kollegen dramatisch aus. Nach dem Lockdown wird nichts mehr so sein, wie es war.“ Er sieht ein kulturelles und gesellschaftliches Problem auf Deutschland zukommen, wenn Läden aussterben und Innenstädte leer werden. Umso wichtiger sei, dass sich die Kunden jetzt wieder mehr an lokale Anbieter wenden. Auch Brenner bietet Click und Collect in seiner Buchhandlung an: Wer etwas bestellt, kann es später im Vorraum abholen. Mögliche Infektionsrisiken, weil viele Kunden auf einem Haufen beieinanderstehen und auf ihre bestellte Ware warten, sieht Brenner nicht gegeben. Mit diesem Argument hatte die Staatsregierung bislang Click und Collect nicht erlaubt. Schließlich lasse sich auch beim Anstehen Abstand einhalten.
"Nachricht mit großer Freude aufgenommen"
Ähnlich sieht das Anina Hirn aus dem Team des gleichnamigen Uhren- und Schmuckgeschäfts in Wertingen. Sie sagt: „Die Frequenz, in der die Kunden kommen, ist viel zu niedrig, als dass sich Leute anstecken könnten.“ Sie habe die bisherige Regelung nicht nachvollziehen können. Umso froher sei sie aber, dass Click und Collect wieder möglich ist. „Nach der Hiobsbotschaft, dass der Lockdown verlängert wird, haben wir die Nachricht mit großer Freude aufgenommen.“ Es bleibe aber ein Tropfen auf den heißen Stein.
Bei Hirn in Wertingen können Kunden jetzt wieder in einem Pavillon im Hof neben dem Laden Auftragsscheine für Reparaturen und Bestellungen ausfüllen. Die Werkstatt holt die Teile dann übers Fenster rein und kümmert sich darum. Wer wiederum Uhren, Schmuck und mehr bestellen will, kann sich per Mail oder WhatsApp melden. Für Individualanfertigungen gebe es sogar die Möglichkeit der Online-Beratung. Das sei zwar nicht vergleichbar mit dem Verkauf vor der Pandemie. „Aber in jedem Fall ist es eine Verbesserung zu vorher“, betont Anina Hirn. Die Zahl der fehlenden Kunden könne man so jedoch nicht auffangen.
Das sagt auch Christian Konle, der in Höchstädt und Wertingen „Laufgut Konle“ betreibt. Jeden Vormittag nimmt er telefonisch Wünsche seiner Kunden entgegen. Ganz egal, ob es um das Paar Laufschuhe geht, das eine Frau im Schaufenster gesehen hat oder um orthopädische Schuhe für einen Senior im Pflegeheim – Konle will allen Wünschen nachkommen. „Wir können zwei Paar Schuhe mitgeben oder liefern und der Kunde zahlt nach dem Anprobieren bar oder per Überweisung.“ Sonderwünsche wie etwa waschbare Hausschuhe mit Klettverschluss in Größe 39 und besonders breit kann Konle in fünf verschiedenen Breiten anbieten. Auch Arbeitsschuhe seien weiterhin gefragt. Und für einen Fußabdruck für orthopädische Schuhe vereinbart er Termine in seinem Laden. Handwerk ist erlaubt. „Aber all das ist nicht das große Geschäft. Es geht vor allem darum, dass man präsent ist.“
Nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Ähnlich sieht es Andreas Kraus von Intersport Kraus in Dillingen. Man sei für die Kunden da, doch das aktuelle Geschäft sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Der Schaden für den Einzelhandel ist enorm. Hoffentlich können wir am 1. Februar wieder aufmachen.“ Das Sportfachgeschäft spürt derzeit den gewaltigen Trend zum Fitness- und Individualsport daheim. Während Skier, Snowboards oder Skistöcke gar nicht gefragt sind, wollen die Kunden Wander- und Nordic- Walking-Stöcke. Gymnastikmatten, Stirnlampen, Hanteln und auch Schneeschuhe sind Renner. Letztere könne man bei der aktuellen Witterung auch hervorragend im Landkreis Dillingen anwenden, sagt Kraus. „Laufbänder und Crosstrainer waren auch noch nie so stark gefragt wie jetzt.“ Die gewünschten Waren können abgeholt oder geliefert werden. Das Intersport-Geschäft ist telefonisch erreichbar und in den sozialen Medien vertreten. Man versuche, aus der Situation das Beste zu machen. Die Kunden sollten wissen, dass sie jetzt und nach der Krise auf den Fachhandel zählen können.
Eine neue Webseite hat die Raumausstattung Friegel in Holzheim. So können sich die Kunden einen groben Überblick über das Sortiment machen. „Aber natürlich steht und fällt alles mit der Beratung – deswegen kommen die Kunden ja sonst zu uns“, sagt Josef Friegel, der kaufmännische Geschäftsleiter. Jetzt, wo das Ladengeschäft geschlossen ist, findet die Beratung telefonisch statt. „Ich frage als Allererstes, wie eilig es ist.“ Am liebsten vertröstet Friegel die Kunden auf Februar, wenn das Geschäft hoffentlich wieder auf ist. Der Handwerksbetrieb des Unternehmens läuft derweil ganz normal weiter, er ist von den Corona-Beschränkungen nicht betroffen. Wenn also ein Kunde einen Wasserschaden hat, können die Mitarbeiter hinfahren, vor Ort beraten und auch den Boden verlegen. Aber, dass ein Kunde ins Geschäft kommt und sich Gardinen aussucht, das geht eben gar nicht. „Wir sitzen zwischen lauter Stühlen“, sagt Friegel. Umso mehr hofft er, dass der Lockdown bald aufgehoben wird. Schließlich will das Unternehmen noch etwas feiern: 2020 ist es 70 Jahre alt geworden. Das Fest soll nachgeholt werden.
Am Telefon klappt die Kommunikation besser
Wer bei Blumen Hamaleser in Lauingen einen Strauß kaufen will, der schickt seine Bestellung per Mail. Die Mitarbeiter setzen die Kundenwünsche dann um – nach telefonischer Rücksprache. Denn: „Am Telefon funktioniert das in unserer Branche besser, als wenn man nur schreibt“, sagt Inhaberin Christine Fischer. Das stößt nicht bei allen Kunden auf Begeisterung: „Viele wollen es nicht, wenn sich alles nur am Telefon oder per Mail abspielt.“ Ändern lasse sich das aber aktuell nicht. Bislang waren Fischer und ihre Mitarbeiter selbst unterwegs, um jede Bestellung auszuliefern. Das ändert sich jetzt. Wenn ab Montag wieder die Kunden zum Geschäft kommen können, dann jedoch nur unter strikten Hygienemaßnahmen. Die Bestellungen, sagt Fischer, werden auf einem Tisch am Hintereingang bereitgelegt. Von dort haben die Mitarbeiter auch Einsicht, damit niemand einen bereitgestellten Strauß stiehlt.
Die neue Regelung, die die Staatsregierung vergangene Woche beschlossen hat, ändert Fischers Meinung nach nicht viel für die Gewerbetreibenden. Trotzdem ist sie froh darum. Denn sie erleichtere die Arbeit. „Ich frage mich, warum man das nicht gleich machen konnte. In anderen Bundesländern war es ja auch erlaubt.“ Mit Hygienekonzept, kontaktloser Abholung und Abstandsregelungen könne ja eigentlich nichts passieren. Die Zeit für Blumensträuße sei jedoch ohnehin nicht. Es finden keine Feste statt, keine Geburtstage oder Hochzeiten. „Im Moment ist einfach nichts geboten“, klagt Fischer. Immerhin kann der Gemüsehandel trotz Lockdown weitergehen. So könne sie zumindest Kontakt zu den Kunden halten. „Man muss ja da sein für seine Stammkunden.“
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