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Landkreis Dillingen: Auch im Kreis Dillingen gehören sozial Schwache zu den Corona-Verlierern

Landkreis Dillingen

Auch im Kreis Dillingen gehören sozial Schwache zu den Corona-Verlierern

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    Mal reicht das Kurzarbeitergeld nicht, oder man wird direkt arbeitslos. Andere können nach langer Krankheit nicht zurück in den Beruf und wissen nicht, ob sie überhaupt Rente kriegen. Die sozialen Probleme haben während der Corona-Pandemie zugenommen.
    Mal reicht das Kurzarbeitergeld nicht, oder man wird direkt arbeitslos. Andere können nach langer Krankheit nicht zurück in den Beruf und wissen nicht, ob sie überhaupt Rente kriegen. Die sozialen Probleme haben während der Corona-Pandemie zugenommen. Foto: Peter Fastl (Symbol)

    Ein Tumor hat einen Mann aus dem Landkreis Dillingen von einem zum anderen Tag zum Pflegefall gemacht. Die Ärzte meinten, er hätte nur noch wenige Monate zu leben. Rund sieben Jahre ist das inzwischen her. Die Familie ist dankbar, für jeden Tag, die sie mit dem heute 65-Jährigen hat. Doch die Pflege ihres Mannes zehrt mehr und mehr an den Kräften seiner Gattin. Parallel weiterhin zur Arbeit zu gehen, fällt ihr immer schwerer.

    Die zierliche Frau ist nach weit mehr als 40 Jahren im Job selbst krank und würde gerne in Rente gehen. Doch so einfach ist es nicht: Erst sieben Monate nach dem Antrag auf Erwerbsminderungsrente erhielt sie eine erste Antwort. Noch dazu hat das Paar wochenlang auf einen Parkausweis gewartet, weil der Mann inzwischen kaum mehr mobil ist.

    „Wir haben Anträge, die stammen vom Frühjahr 2020 und bis heute wissen die Betroffenen nicht, ob sie überhaupt Rente kriegen“, erklärt Tobias Geiger, Kreisgeschäftsführer des VdK Dillingen-Lauingen. Wird der Antrag von der Rentenversicherung abgelehnt, kann man Widerspruch einlegen. (Wie der VdK Menschen in Notlagen hilft) Die Versicherung schickt dann einen Gutachter – selbst wenn aussagekräftige Befunde der behandelnden Ärzte vorliegen. Schreibt der Gutachter den Betroffenen gesund, geht der Fall vor das Sozialgericht. „Deswegen braucht es uns“, sagt Geiger.

    Ganze Existenzen stehen auf dem Spiel, beklagt der VdK im Kreis Dillingen

    Die Betroffenen stünden von verschiedenen Seiten unter Druck: „Die Krankenversicherung will, dass man gesund wird, die Agentur für Arbeit, dass man einen Job findet. Hat man dann noch einen Angehörigen zu pflegen, kommt das zur Belastung noch oben drauf.“ Die Verfahrenslänge für Rentenanträge habe während der Corona-Pandemie so deutlich zugenommen – wenn dann das Kranken- oder Arbeitslosengeld auslaufen, stehen laut Geiger Existenzen auf dem Spiel.

    Inzwischen wenden sich auch jüngere Menschen an den VdK im Kreis Dillingen

    Tobias Geiger ist der neue Geschäftsführer des VdK-Kreisverbands Dillingen-Wertingen.
    Tobias Geiger ist der neue Geschäftsführer des VdK-Kreisverbands Dillingen-Wertingen. Foto: Berthold Veh

    Ein großes Problem sei, dass viele Behördenmitarbeiter wegen der Pandemie nicht persönlich erreichbar sind. Geiger kann das zwar verstehen, doch die Alternativen seien nicht immer hilfreich: „Am Telefon verstehen die Menschen oft das Juristendeutsch nicht. Eine E-Mail können vor allem die Älteren gar nicht verschicken – und wer hat überhaupt noch ein Fax?“ zählt, der VdK-Geschäftsführer auf. Gerade bei laufenden Geldleistungen und dringenden Angelegenheiten können die Menschen in die neue Geschäftsstelle in Lauingen kommen – unter Einhaltung aller Hygieneauflagen. Bei solchen Themen könne man sie nicht warten lassen. Überwiegend berate der Verband zwar Menschen über 50, aber auch Jüngere kommen dazu. Geiger nennt das Beispiel eines jungen Paares, das eben ein Haus gebaut hat und nun wegen Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit das Darlehen nicht mehr bedienen kann.

    Parallel dazu würden bei den Behörden und Kassen immer mehr Fälle auflaufen, die Schritt für Schritt abgearbeitet werden müssen. Der VdK kann verstehen, dass gerade bei großen Krankenkassen persönliche Kontakte derzeit nicht möglich sind. Und was sagen die?

    Plötzlich kündigt die Zeitarbeitsfirma und es kommt kein neuer Job nach

    Die Krankenkasse AOK etwa hat eigenen Aussagen zufolge die telefonische Erreichbarkeit durch mehr Personal erhöht. Denn die Anzahl der Kundenkontakte sei auch im Kreis Dillingen unverändert hoch. Über die Kontaktkanäle Telefon, E-Mail, Post und das Onlineportal „Meine AOK“ können sich die Versicherten an ihre Krankenkasse wenden. Eine persönliche Beratung in den Geschäftsstellen im Landkreis Dillingen sei nach Terminvereinbarung möglich und könnte unter www.aok.de/bayern/termin oder telefonisch unter 09071/58760 vereinbart werden. Bei einem Treffen ist das Tragen von FFP2-Masken erforderlich.

    „Die Bearbeitung der Kundenanliegen erfolgt wie bisher, denn die Gesundheit unserer Kunden ist uns ein persönliches Anliegen“, teilt Jürgen Wittig, zuständig für die Pressearbeit der AOK in der Direktion Günzburg mit.

    "Mit Hartz IV muss man erstmal klarkommen"

    Auch Ingrid Braun von der Diakonie Neu-Ulm macht in diesen Zeiten ein weiteres Problem aus: „Menschen, die eigentlich immer wieder Arbeit gefunden haben, rutschen jetzt vom Arbeitslosengeld I, das man ein Jahr lang beziehen kann, ins ALG II. Sie tun sich schwer mit einem neuen Job und hängen länger in der Warteschleife. Braun, die im Dillinger Pfarrheim kirchliche allgemeine Sozialarbeit (Kasa) anbietet, sagt, dass etwa der Service des Dillinger Jobcenters seit Beginn der Pandemie besser geworden ist.

    Die Antragstellung für das Arbeitslosengeld II sei leichter. „Aber dennoch bedeutet das Hartz IV. Damit muss man erst mal klarkommen. Mit dem Gefühl, nicht gebraucht zu werden.“ Zeitarbeitsverträge würden teils ohne Angaben von Gründen per Aufhebungsvertrag gestoppt. Ohne eine weitere Beschäftigung im Anschluss. Auch das Jobcenter erkennt die Probleme, die die Pandemie mit sich bringt. So gibt es zwar einen neuen Postfachservice unter www.jobcenter.digital. Über diesen Online-Dienst können Nachrichten an das Jobcenter gesandt werden, von zu Hause aus oder mobil mit dem Smartphone. Man kann verschiedene Anliegen übermitteln, wie etwa Anfragen zum Bearbeitungsstand, zu Miete und Heizkosten, zur Beantragung weiterer Leistungen oder ganz allgemeine Fragen.

    Warum das digitale Angebot des Dillinger Jobcenters nicht so gut angenommen wird

    Doch so richtig gut angenommen wird das digitale Angebot nicht, weiß Christine Jung. Die Pressesprecherin der Agentur für Arbeit zählt die Gründe dafür auf: „Manchen fehlt der routinierte Umgang mit digitalen Inhalten. Andere haben gar keine Geräte dafür. Zudem ist die Hälfte der uns gemeldeten Personen ausländischer Herkunft – da tauchen oft sprachliche Hürden auf.“ (Frühjahrsbelebung auf dem Arbeitsmarkt)Doch das digitale Angebot sei nur eines von vielen. Wer damit nicht zurechtkomme, dem werde anders geholfen: Postalisch und telefonisch sei das Jobcenter gut erreichbar. So gibt es inzwischen eigene Hotlines für die Regionen. „Manche Menschen sind vom einen auf den anderen Tag arbeitslos. Wir achten sehr darauf, dass wir erreichbar sind. Und gemacht wird, was geht. Aber wenn andere Sozialleistungsträger involviert sind, dauert es auch mal länger.“

    Ingrid Braun von der Diakonie fürchtet, dass sie bald mehr offene Stromrechnungen erhält. Gerade die Menschen, deren Miete mehr kostet, als das Amt zahlt, können in der aktuellen Situation vermutlich nicht dauerhaft die Abschläge bezahlen. Hilfen von Kirchen oder unserem eigenen Leserhilfswerk Kartei der Not gibt es zwar. Manche Antragsteller würde jedoch verschrecken, was sie alles offenlegen müssen. Doch das gehört laut Braun nun mal dazu.

    „Die Schwachen brauchen eine Lobby“, sagt Tobias Geiger vom VdK, „und ein Teil davon sind wir.“

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